Die nachfolgenden besprochenen Bücher wurden uns von den jeweiligen Verlagen als kostenlose Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt:
Morcheln – Ökologie & Lebensräume von Heinz Gerber im Kosmos Verlag, 2022 (Rezension Katharina Krieglsteiner)
Im Frühjahr ist die Zeit der Morcheln und mit dem Buch Morcheln – Ökologie & Lebensräume ist dem Naturfreund Heinz Gerber ein begeisternder kleiner Leitfaden für den interessierten Laien gelungen, für Personen, deren Focus auf dem nicht einfachen Finden der Morcheln im Gelände liegt, und dem Haupt-Interesse, diese dann mit Genuss zu verspeisen. Im Buch werden Habitate, Zeigerpflanzen und verschiedene Morchelarten, die in Mitteleuropa vorkommen vorgestellt.
Die Darstellung der Morchel-Arten ist konservativ, denn es werden nur die 3 klassischen Arten Rund- Spitz- und Käppchenmorchel vorgestellt, auch dies macht für die oben genannte Zielgruppe durchaus Sinn (s.u.).
Bei den Informationen zum Standort der Morcheln fehlen allerdings wichtige Bodeneigenschaften, wie z. B., dass Speisemorcheln (und die anderen Arten ebenso) kalkhaltige Böden benötigen und sie zwar Auwaldstandorte bevorzugen, diese aber auch nicht zu nass sein sollten. „Morchel mögen keine nassen Füße“ ist ein geläufiger Satz unter Morchelsuchern. Auf der anderen Seite besiedeln z.B. Speisemorcheln auch durchaus trockene Standorte, nur sind dort (im Gegensatz zu den Auen) nicht unbedingt jedes Jahr Fruchtkörper zu finden. Weiterhin werden mit den Verpeln und dem Morchelbecherling die nächsten Verwandten der Morcheln vorgestellt – hier hätte man auch auf weitere ähnlich aussehende Pilze wie z.B. Scheibenlorcheln eingehen können.
Bei der Besprechung weiterer Pilze, die man im Frühjahr im Morchelrevier finden kann ist kurz gehalten, es werden die Frühjahrs-Giftlorchel, das Judasohr, der Maipilz und der Ziegelrote Risspilz knapp umrissen.
Insgesamt gilt trotz der wenigen genannten Einwände das oben Gesagte: für den interessierten Laien mit kulinarischem Focus ein gelungenes kleines Büchlein mit einiger Informationsfülle.
Wer aber aus dem durchaus Anspruchsvolles erwarten lassenden Titel „Morcheln – Ökologie und Lebensräume“ oder z.B. einer Kapitel-Überschrift mit Namen „Morcheln richtig bestimmen“ schließen sollte, dass es sich hier um ein auch wissenschaftlich anspruchsvolles Buch auf dem Stand der aktuellen Forschung handelt, der wird enttäuscht werden.
Dies gilt zunächst für die Tatsache, dass es nicht nur eine Speise- und Spitzmorchel, sondern verschiedene, zugegebenermaßen nicht leicht zu unterscheidende und zum Teil noch nicht endgültig geklärte Arten gibt. Deren Besprechung, Unterscheidung und Diskussion würde aber den Rahmen eines solchen Buches sicher übersteigen und es geht vollkommen in Ordnung, hier nur 3 sogenannte Kollektiv- oder Sammelarten vorzustellen (s.o.). Dass es sich aber um eine didaktische Reduktion handelt, könnte in einem Nebensatz stehen.
Das Buch ist aber auch in Bezug auf die Ökologie der Morcheln alles andere als up-to-date. So wird geschrieben, dass eine Verbindung zur Zeigerpflanze Esche nicht nachgewiesen sei, was nicht stimmt – mykorrhiza-ähnliche Verbindungen der Morchel zur Esche und zu anderen Bäumen und krautigen Pflanzen sind in der Literatur durchaus beschrieben worden, wie auch z.B. Sklerotien, eine Nebenfruchtform und viele weitere sehr interessante Details zur extrem komplexen Morchel-Biologie, deren ausführliche Vorstellung aber auch den Rahmen eines solchen Buches und den Focus der meisten Leser weit übersteigen. Die eigentlich unter Pilzkundlern bekannte Doppelnatur der Morchel-Lebensweise (dauerhafte Strategie mit Versorgung über Baumwurzeln wie Esche, Notfallstrategie durch saprobiontische Lebensweise z.B. nach Baumsterben, Fällungen oder Bränden) hätte man aber den Lesern in einfacher Sprache durchaus nahe bringen können.
Auch sind dem Autor die Regeln der wissenschaftlichen Pilz-Benennung offenbar nicht bekannt. Über die Speise- bzw. Rundmorchel schreibt der Autor auf S. 22 (und dies ist nur ein Beispiel): „Weshalb in den meisten Pilzbestimmungsbüchern dieser Morcheltyp (Morchella rotunda) als Speisemorchel (Morchella esculenta) bezeichnet wird, ist schwer nachvollziehbar, sind doch alle Morcheltypen „esculentus“, was essbar heißt“. Da kann sicher nicht nur ich aufklären: die Benennung einer Art erfolgt nach dem Prinzip der ersten gültigen Beschreibung, und die lautet nun einmal auf den Namen „esculenta“ und nicht „rotunda“. Es ist dabei vollkommen egal, ob der Name gut oder schlecht gewählt ist, und selbst wenn der erste Name „venenosa“ (die Giftige) wäre, wäre er trotzdem gültig. Die Spitzmorchel heißt übrigens gültig heute nicht mehr Morchella conica, sondern M. elata, denn (auch das ist Nomenklatur-Regel) die Erstbeschreibung von conica bezog sich auf eine (spitz ausgefallene) Rundmorchel.
Ansonsten finden sich kleinere Schwächen, die nicht alle auf die Goldwaage gelegt werden müssen. So ist z.B. die Angabe, dass die Frühjahrs-Giftlorchel nur in Hochlagen (der Alpen) vorkommt und in den Niederungen (damit meint der Schweizer ja schon das „Hügelland“) nicht zu finden ist, eine Halbwahrheit. Daran und an anderen Stellen des Buches bemerkt man, dass es sich bei einigen Begrifflichkeiten, ökologischen Angaben und örtlichen Begebenheiten lediglich auf die Schweiz bezieht (s.u.).
Das Kapitel zum Thema Zeigerpflanzen ist sehr umfangreich gehalten und es werden viele kalkliebende Pflanzen vorgestellt, die als Morchel-Anzeiger taugen können, wie z. B. Aronstab, Buschwindröschen, Leberblümchen, Seidelbast, Salomonsiegel (Vielblütige Weißwurz) und Waldbingelkraut. Die Aufnahme von Arten wie Frühlings-Krokus, Frühlings-Küchenschelle, Alpenglöckchen, Pracht-Primel, Mehlprimel, Stängelloser Enzian, Schnee-Pestwurz, Gestreifter Seidelbast oder Feuerlilie sind nur aus Schweizer Sicht verständlich – in den Auen der Gebirgsbäche gibt es auch Morcheln und dort mögen die genannten Pflanzen vorkommen. Elementarere, d.h. auch für Leser außerhalb der Schweizer Gebirgslagen zutreffende Arten wie etwa Bärlauch und Waldmeister fehlen dagegen. Geschenkt, denn die Auswahl von Zeigerpflanzen wird immer subjektiv sein. Leider wird an keiner Stelle erklärt, warum uns bestimmte Pflanzen anzeigen, dass es in diesem Habitat Chancen auf Morchelfunde gibt. Auf die ähnlichen Standortansprüche der jeweiligen Pflanzen und Morcheln wird nicht eingegangen.
Ein Buchabschnitt widmet sich mit Morchel-Suchbildern der Verdeutlichung der Tatsache, wie schwierig es ist, die begehrten Pilze zu entdecken. Ein gelungenes und auflockerndes Element, denn Morcheln sind im natürlichen Umfeld tatsächlich oft gut getarnt. Bei der realen Morchelsuche hat man allerdings die Möglichkeit, seinen Blickwinkel im Gelände zu ändern.
Auch zu den Themen weitere Verarbeitung, Lagerung und Rezepte gibt der Autor nützliche Hinweise und gute Anregungen.
Das schön gestaltete Buch ist mit viel Liebe bebildert und Esprit geschrieben. Es bietet dem Einsteiger einen guten Überblick, auf was man bei der Morchelsuche achten muss. Somit erhöht sich die Chance, bei der Pilzsuche auf die begehrten Morcheln zu stoßen. Für diesen Personenkreis kann das Buch mit gutem Gewissen empfohlen werden.
Tanja Major (2022): Schätze aus Wald und Wiese. BLV-Verlag (Rezension Katharina Krieglsteiner)
Das neue Buch „Schätze aus Wald und Wiese“ von Tanja Major lässt uns heimische Kräuter, Wildfrüchte und Pilze entdecken. Das wunderschön gestaltete Buch mit ästhetischen Fotos beinhaltet 50 Rezepte aus der Speisekammer der Natur, die zum Nachkochen einladen. Darüber hinaus gibt es viele Tipps und Infos zu Pflanzen und Pilzen, ihren Inhaltsstoffen und allgemeine Sammelregeln. Das Buch ist übersichtlich gestaltet und gliedert die Rezepte nach den Jahreszeiten, so bekommt man immer zeitlich passende Anregungen.
Dieses Buch ist eine wirkliche Bereicherung für alle, die sich für die „Schätze“ der Natur interessieren, egal ob Anfänger oder Kenner der Wildpflanzen und Pilze. Bekannte Gerichte werden durch die Zugabe „wilder“ Zutaten raffiniert gewürzt und um interessante Vitalstoffe angereichert. Die kreativen Rezepte sind problemlos nachkochbar und man benötigt keine exotischen Zutaten. Somit laden die köstlichen Kreationen von Tanja Major sofort zum Ausprobieren ein! Zusätzlich bringen interessante Ideen zum Fermentieren und Einlegen bestimmter Zutaten den besonderen Kick.
Die begleitenden Texte zu den Pilzen und Wildkräutern geben wichtige Hintergrundinformationen über Anwendungen, Brauchtum, Inhaltsstoffe und Sammel-/Bevorratungsregeln. Stimmungsvolle Fotos und Poesie zu den Kapiteln runden das gelungene Gesamtbild dieses Buches ab. Die Autorin beschäftigt sich schon sehr lange mit der Ernährung aus Wald und Wiese und ihr liegt die nachhaltige Lebensweise sehr am Herzen, das merkt man dem Buch an. Dieses Werk lädt zum Entdecken der Natur und geschmacklichen Experimentieren ein – vielen Dank an Tanja Major!
Robert Hofrichter (2018): Pilze – faszinierende Wesen im Verborgenen. Kosmos-Verlag. (Rezension Dr. Lothar Krieglsteiner)
Das 240 Seiten dicke Büchlein wurde mir vom Verlag zugesandt – mit der Bitte um eine Besprechung auf meiner Website. Dem möchte ich heute nachkommen. Im Text werden 30 verschiedene Arten oder Artengruppen von Pilzen vorgestellt – mithilfe einer in den meisten Fällen gut gelungenen Farbzeichnung sowie mehreren Seiten Text, in dem weniger die speziellen Merkmale der jeweiligen Pilze, sondern eher Wissenswertes, Besonderheiten des Pilzes, mit der er unserer Lebenswelt berührt oder uns anderweitig als etwas Besonderes auffällt, im Mittelpunkt stehen. Der Autor versucht, in relativ einfacher Sprache (wo dies möglich ist), aber auch nicht ohne Verwendung komplexerer Fachbegriffe, dem wenig vorgebildeten Leser die jeweiligen Pilze und ihre Anpassungen nahezubringen. Dies gelingt teilweise sehr gut und auf unterhaltsame Weise – teilweise geben aber sprachliche und fachliche Unschärfen Anlass zu schwerer Verständlichkeit (s.u.). Bei der Auswahl der Pilze hat Robert Hofrichter sich nicht auf Pilze beschränkt, die der prototypischen Vorstellung der meisten weniger Vorgebildeteten von einem „normalen“ Pilz entsprechen (wie etwa Steinpilz, Pifferling oder Champignon, die „natürlich“ alle enthalten sind), sondern bringt auch „Außenseiter“ wie etwa den Echten Hausschwamm, Mutterkorn, das Falsche Weiße Stängelbecherchen, die Esca-Krankheit sowie nicht weniger als 3 verschiedene „Schimmelpilze“ – ein Begriff, der im Text auch durchaus erklärt und in seiner Bedeutung relativiert wird.
Man merkt dem Text an, dass sich der Autor neben den „banaleren Pilzen“ mit den sie betreffenden oft weniger komplizierten Fakten auch mit schwierigeren, komplexen Pilz-Themen beschäftigt hat. Gerade bei solchen, aber auch anderen Texten merkt man aber auch zumindest als Fachmann, dass das Wissen des Autors teilweise eher extra für das Buch angelesen wurde als in voller Breite fundiert reflektiert zu sein. Ein Beispiel ist das Mutterkorn (Claviceps purpurea), dessen „extrem komplizierter“ Lebenszyklus (etwas weiter unten im Text ist er dann „sehr komplex“) in der Tat nur recht oberflächlich und mit gewissen logischen Brüchen erklärt wird. So wird der Zyklus „kompliziert durch eine geschlechtliche und ungeschlechtliche Phase, in beiden kann sich die Art vermehren“. Nicht falsch – abgesehen davon, dass dies für eine große Zahl gerade von Schlauchpilzen gilt und davon, dass die Fruchtkörper, die nur kurz erwähnt und spärlich beschrieben werden, nicht mit der geschlechtlichen Phase in Verbindung gebracht werden. Denn weiter: „… den vollen Chromosomensatz (diploid) finden wir hingegen nur für kurze Zeit bei der geschlechtlichen Fortpflanzung. Auch Fruchtkörper kann der Pilz bilden“. Dass die Fruchtkörper eben (wie bei allen anderen Pilzen! – das ist ihre Definition) die Organe des Pilzes zur geschlechtlichen Fortpflanzung sind (in deren Verlauf bei den Pilzen – im Gegensatz zu Pflanzen und Tieren – in der Tat nur sehr kurz die diploide Phase erreicht wird), muss sich der Leser selbst denken. Und: zwar können auch die Sklerotien neben dem dominierenden Schwarz auch (eher ausnahmsweise) blauviolette Tönungen aufweisen, der Name „Purpurfarbener Mutterkornpilz“ ist jedoch eine wörtliche Übersetzung des lateinischen Namens, der sich auf die Hauptfruchtform (den Fruchtkörper, s.o.), bezieht; er kommt durch deren gänzlich purpurfarbene Färbung zustande. Über die Mutterkorn-Fruchtkörper (von denen kein Bild im Büchlein zeugt) könnte man vielleicht durchaus erwähnen, dass sie Sammelfruchtkörper aus Kugelpilz-Fruchtkörpern sind und mit den ebenfalls sehr interessanten (ein Kapitel werten) Kernkeulen nahe verwandt. Aber in der Tat – das ist alles relativ komplex, was auch für die Entwicklungsgänge anderer Pilze gilt. Z.B. bei der Esca-Krankheit, die ich mir nicht zugemutet hätte, in einem solchen Buch darzustellen. Aber wenn man dies schon tut und einen lateinischen Namen, Fomitiporia mediterranea, auch im Titel beifügt, dann sollte man dem Leser auch eine Vorstellung vom Aussehen des Pilz-Fruchtkörpers eines solchen Feuerschwammes vermitteln und nicht nur ein (krankes) Bäumchen zeichnen. Überhaupt kann man sagen, dass mit zunehmender Schwierigkeit der Themen auch die Genauigkeit der Aussagen leidet und der Text stellenweise eher verwirrend wirkt. Lesen Sie dazu am Besten auf S. 103 das Kapitel über den Parasol, wo die neue Systematik der Riesenschirmlinge auf eine Weise angerissen wird, die ich nur mit dem Satz „alle Klarheiten beseitigt“ kommentieren möchte. Mehr als 15 Macrolepiota-Arten (Riesenschirmlinge) gibt es in Mitteleuropa allenfalls dann, wenn man die Gattung Chlorophyllum (Safran-Schirmlinge) mit einbezieht, wie dies früher geschehen ist. In einer gelungenen Passage werden nun die Unterschiede zwischen Riesen- und Safranschirmlingen heraus gearbeitet – wunderbar, würde man sagen. Dann allerdings folgt im nächsten Satz, dass manche Riesenschirmlinge wie der Gift-Safranschirmling giftig sind. Alt und neu wird nicht vernünftig geschieden, und ich würde mich wundern, wenn alle Leser dies richtig verstehen.
Wenn man sich das Kapitel über die Perigord-Trüffel (Tuber melanosporum) durchliest, dann findet man durchaus viel Richtiges, aber auch z.B. keine Differenzierung von Aussagen in Hinsicht auf verschiedene Trüffelarten. Dass Deutschland einmal Exportland für Trüffeln war, stimmt (wohl), aber sicherlich nicht in Bezug auf die Perigord-Trüffel, die in Deutschland auch in Zeiten des Klimawandels noch nicht eindeutig als Wildpilz nachgewiesen wurde, und in D zwar schon erfolgreich kultiviert wurde, allerdings nur mit Zuhilfenahme einer Art von Rasenheizung.
Dass der gefährliche Gifthäubling (Galerina marginata) dem Hallimasch sehr ähnlich sei, werden nicht viele Personen finden. Das wirklich ähnliche Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis) ist im Buch nicht enthalten – hier wäre der Vergleich passend gewesen. Ansonsten gilt in solchen Fällen: besser weglassen. Psilocybin-Pilze werden (nach dem Fliegenpilz als 2 Gruppe von psychotropen Pilzen) anhand des Spitzkegeligen Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) dargestellt. Über die Bewertung des Psilocybin-Syndromes möchte ich hier nichts sagen. Liest man aber im Text, dass (wohl psychotrope …) Kahlköfe „rund um meine Heimatstadt sozusagen auf jedem Kuhfladen“ wachsen, fühlt man sich an den Comic „Freak Brothers“ von Gilbert Shelton erinnert. Die in Mitteleuropa wachsenden psychotropen Arten wachsen dagegen (vielleicht mit Ausnahme des Dunkelrandigen Düngerlings, jedenfalls keine psychotropen Kahlköpfe) nicht auf Mist – und anders herum gesagt sind die Pilzarten, die in Mitteleuropa auf Kuhfladen zu finden sind, mit der einen genannten (eher seltenen) Ausnahme nicht psychotrop (jedenfalls nach momentanem Stand der Erkenntnis). Es wäre also sehr interessant, herauszufinden, was für Pilze der Autor auf Kuhfladen gesehen hat …
Andere Textstellen sind etwas reißerisch geschrieben. Warum der Nematodenfang durch Austernseitlinge „an einen Horrorfilm“ erinnert, erschließt sich mir nur am Rande, und die Bemerkung über weitere Varianten des Nematodenfangs „heimtückisch sind sie alle“ befremdet mich höchstens. Wenn etwas an einen Horrorfilm erinnert oder gar heimtückisch ist, so ist es unsere (des Menschen) Ernährung – das Innere eines Schlachthofes (z.B.) und unser dazugehöriges Essverhalten passt zu diesen Attributionen viel besser als das Verhalten jeglicher Pilze.
Mit heimischen Täublingen (S. 216) kann ich mich auch ohne Kenntnis der Täublingsregel nicht tödlich vergiften – es gibt (derzeit – das muss man bei allen Aussagen über Giftigkeit dazu sagen …) keine heimischen gefährlich giftigen Täublinge. Dass jedoch jede magen-darm-reizende Art (darum geht es hier) „sofort brennend scharf“ schmeckt, ist ebenfalls falsch – bei manchen Arten, z.B. beim Zedernholz-Täubling muss man bis zu einer halben Minute warten, bis der dann sehr scharfe Geschmack auf der Zunge eintritt.
Ein weiteres Beispiel der Flockenstielige Hexenröhrling. Dass es „zahlreiche Arten von Hexenröhrlingen“ gibt, ist eine unglückliche Formulierung. Natürlich gibt es mehr als nur den Flocken- und den Netzstieligen, die die meisten etwas fortgeschritteneren Pilzfreunde kennen. Unter „zahlreich“ würde ich aber mindestens eine hohe zweistellige Zahl verstehen, nicht die wenig mehr als ein halbes Dutzend Formen (Arten?), die selbst bei sehr aufspalterischer Sichtweise für Mitteleuropa angegeben werden. Meiner Meinung nach ist der Flockenstielige Hexenröhrling auch keineswegs „überall zu finden“, sondern ein ausgesprochener Säurezeiger, der in reinen Kalkgebieten wenn überhaupt, dann nur äußerst selten auftritt. Ein anderes Beispiel – und man könnte solche kleinen Unstimmigkeiten überall auflisten – möchte ich noch die Darstellung der 3 „Schimmelpilze“, von denen zwei als Nebenfruchtformen zu den Schlauchpilzen gehören (Pinselschimmel Penicillium und Gießkannenschimmel Aspergillus), einer zu den Jochpilzen (Zygomycota). Nun – es ist vollkommen o.k., wenn dies nur am Rande erwähnt und nicht ausführlich erklärt wird; der Entwicklungsgang und die Morphologie (meist kugelige Sporangien, „Köpfchenschimmel“) der Jochpilze ist sicherlich kein absolutes Muss für Anfänger. Etwas weniger schön finde ich allerdings eher, dass die Zeichnung des Schwarzen Brotschimmels (Rhizopus stolonifer), der übrigens völlig zurecht so heißt („Schwarzer“), wunderschöne türkisgrüne Färbung zeigt (dargestellt auf einem Stück Brot), eben eine Färbung, die für Schimmelpilze aus den Zygomycota nicht typisch ist und somit in die Irre führt, dafür aber sehr gut passt auf das makroskopische Erscheinungsbild der später abgehandelten Vertreter von Penicillium und Aspergillus. Hier hätte die Zeichnung gut hingepasst – aber da findet man nur eine schematische Darstellung der mikroskopischen Struktur dieser mit dem Brotschimmel nicht verwandten Nebenfruchtformen von Schlauchpilzen.
Als Mykologe, dem der Erhalt der heimischen Biodiversität und Ökosysteme nicht nur in Bezug auf die Pilze wichtig ist, möchte ich einen Sachverhalt positiv heraus stellen: der Autor äußerst sich an mehreren Stellen im Buch deutlich über unsere „moderne“ Form der Landwirtschaft und ihre negativen Auswirkungen auch auf Waldpilze, verursacht durch Gifte und durch Überdüngung.
Nun – ich habe oben schon gesagt: ein unterhaltsames, informatives Büchlein, das ich mir auch gerne und relativ zügig durchgelesen habe. Ich denke mir, ich kann es empfehlen für jeden Laien, der sich mit Pilzen auf eine eher oberflächliche Art befassen möchte. Dieser kann viel lernen und profitieren. Fortgeschrittene oder auch interessierte Anfänger mit etwas gehobenem Anspruch auf die Korrektheit der Darstellungen sollten zumindest immer „mit offenen Augen“ lesen und immer wieder Details hinterfragen, sonst fressen sich Fehler im persönlichen Wissen fest.