Pilz des Monats Juni 2025 – Kleiner Schmutzbecherling (Bulgariella pulla)
Den Anstoß zum heutigen Pilz des Monats bekam ich vor gut einer Woche, als ich im tollen Forum ascofrance wieder einmal in die Rolle des Experten schlüpfen dürfte und die Anfrage eines schwedischen Mykologen beantwortete: Velutarina-like disco - Forum ASCOFrance
Ich selbst habe diesen prägnanten Becherling (warum er das ist, schreibe ich gleich) erst zweimal in meinem Leben gefunden. Das erste Mal ist schon sehr lange her und ich habe darüber keine Unterlagen mehr, finde jedenfalls auf die Schnelle nichts. Ich weiß noch, dass ich noch sehr jung war (ich tippe mal noch ein Teenager) und dass es auf einer Fahrt mit meinem Vater und anderen hiesigen Pilzfreunden von der „AMO“ (Arbeitsgemeinschaft Mykologie Ostwürttemberg – diese ist längst Geschichte) nach Österreich war. Wenn ich mich richtig erinnere, verdanke ich die damalige Bestimmung Hans-Otto Baral (wem auch sonst!) und die Pilze wuchsen an einem entrindeten Birkenstamm im österreichischen Alpenraum (wo auch immer genau).
Meinen zweiten Fund – auch der ist schon fast 10 Jahre her (am 10.12.2016) machte ich im Zuge einer Auftrags-Kartierung im Nationalpark Eifel, wo ich an einem dickeren Ast einer Buche fündig wurde .
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Kleiner Schmutzbecherling (Bulgariella pulla) am 8.12.2016 in der Natuwaldparzelle "Wiegelskammer" (Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Nationalpark Eifel, n. Schleiden-Gemünd, Kermeter n. Wolfgarten, MTB 5304.4, 480 m NN, GPS: N50°36'15.73" E6°29'25.50"), an liegendem, entrindetem Fagus-Stämmchen der späten Optimalphase in saurem Buchenwald (Luzulo-Fagetum) in Mittelgebirgslage, leg, det., Fotos Lothar Krieglsteiner. - Die schwarzen Apothezien schwanken von (nachträglich geschätzt) etwa 2 mm bis 1,5 cm und wachsen ohne deutlichen Stiel direkt auf dem Holz. |
Schwarze Becherlinge gibt es haufenweise – die meisten von ihnen sind allerdings klein und werden nicht viel über einen mm groß. Findet man größere Apothezien, wird die Auswahl rasch kleiner. B. pulla wird immerhin etwa bis gut 1 cm groß oder etwas größer, auch die kleineren Apothezien haben schon mindestens ca. 2-3 mm Durchmesser. Da kommt schon vieles nicht mehr in Frage.
Wenn man dann noch mikroskopiert – und das muss man sowieso in fast allen Fällen, wenn man Becherlinge (zumindest solche, die nicht ganz eigenständige makroskopische Merkmale besitzen) bestimmen möchte – dann wird die Auswahl hier ganz klein, denn die Sporen sind dunkel, schwarz in Masse und dunkel braun im Durchlicht, gefärbt. Nahezu alle inoperculaten Becherlinge haben zumindest zunächst hyaline, durchsichtige Sporen (einige bräunen im Alter nach).
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Kleiner Schmutzbecherling (Bulgariella pulla) am 8.12.2016 in der Natuwaldparzelle "Wiegelskammer" (Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Nationalpark Eifel, n. Schleiden-Gemünd, Kermeter n. Wolfgarten, MTB 5304.4, 480 m NN, GPS: N50°36'15.73" E6°29'25.50"), an liegendem, entrindetem Fagus-Stämmchen der späten Optimalphase in saurem Buchenwald (Luzulo-Fagetum) in Mittelgebirgslage, leg, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie u.a. die eiförmigen, dunkelbraunen Sporen (obere Tafel), die Paraphysen mit braunem Pigment (Tafel 2) sowie die keuligen, ebenfalls mit braunem Pigment gefüllten Exzipulum-Endzellen (Tafel 3). In TAfel 2 und vor allem 3 sieht man auch violettes Pigment in Tropfenform. Dies passt zur Darstellung auf ascofrance (Velutarina-like disco - Forum ASCOFrance), wo wohl jüngere und trockenere Fruchtkörper gezeigt werden. |
Die Mehrzahl der LeserInnen wird die bekannteste Ausnahme kennen: den Schmutzbecherling (Bulgaria inquinans) kennen, der recht häufig an dicken, gefällten Stämmen von Laubbäumen (oft Eiche, aber auch Buche, Birke, Hainbuche, …) der Initialphase an meist besonnten Standorten gefunden werden kann; eine Art, die schon makroskopisch als Schwarz-Sporer erkannt wird, indem sich die Finger bei Berührung der Fruchtkörper schwarz verfärben, zumindest im Fall, dass man gut reife Fruchtkörper in die Hand nimmt, ein Merkmal, das ja auch für den deutschen Namen gesorgt hat.
Beide Becherlinge sind allerdings wohl nicht nahe miteinander verwandt. Im Index of Fungi (vgl. https://www.indexfungorum.org/Names/NamesRecord.asp?RecordID=144779) lese ich mit gewisser Überraschung, dass der „normale“ Schmutzbecherling nicht einmal mehr in der für „normale“ inoperculate Becherlinge (das sind solche, deren Sporen durch einen Porus aus den reifen Schläuchen entweichen) reservierte Ordnung Helotiales gehört, sondern in die (immerhin nahe verwandte) Ordnung Phacidiales verschoben wurde. Dies gilt nicht für unsere Art (sie steht laut Index noch in den Helotiales, allerdings „incertae sedis“), die ja auch durch die Wahl des wissenschaftlichen Namens (Bulgariella = kleine Bulgaria) mit dem Schmutzbecherling in Verbindung gebracht wurde. Auch das lateinische Adjektiv „pullus, -a, -um“ (die weibliche Form liegt hier vermutlich vor) (heißt so viel wie klein oder jung, auch „Junges“ oder Küken, das Nomen „pullum“ heißt dagegen „schwarze Farbe, schwarzer Saum“, was ebenfalls passend wäre. Eine Verwendung des Nomens im Plural (pulla) wäre denkbar, aber eher unwahrscheinlich. Fries kann man nicht mehr fragen, er beschrieb die Art 1849 als Bulgaria pulla, bevor sie von Karsten (ein finnischer Mykologe) 1885 in eine eigene Gattung transferiert wurde.
Ich habe kurz gegoogelt und keinen deutschen Namen für Bulgariella pulla gefunden, deshalb benenne ich die Art kurzerhand selbst (was ich mir immer in solchen oder ähnlichen Fällen herausnehme) und nenne sie einigermaßen logischer Weise Kleiner Schmutzbecherling. Sicherlich ist das bisherige Fehlen einer deutschen Bezeichnung auch der Seltenheit der Art geschuldet. Neben meinem Fundpunkt im Nationalpark Eifel findet ich auf www.pilze-deutschland.de nur drei weitere Fundpunkte, alle aus dem Bereich des südlichen Schwarzwaldes. Es scheint sich nach dem aus den wenigen bekannten Funden zu gewinnenden Bild um eine nordisch-montan verbreitete Art zu handeln.
Leider ist meine Darstellung in mancher Hinsicht ungenügend, was ich nur dadurch entschuldigen kann, dass der Fund anlässlich einer Auftrags-Kartierung zustande kam. Bei solchen Gelegenheiten werden zahlreiche Pilzproben aufgesammelt und anschließend, also abends bzw. nachts, mikroskopisch zu bestimmen versucht. Es ist also für eine Aufsammlung immer nur wenig Zeit zu kalkulieren, um diese zu bestimmen oder ggf. für eine spätere Bestimmung zu dokumentieren. Insofern war es schon ein Luxus, einige Mikrofotos zu erstellen (die Bestimmung war für mich schon nach einem kurzen Blick ins Mikroskop durch die dunklen, größenmäßig passenden Sporen klar gewesen). So fehlen sonst so wichtige Merkmale wie etwa die An- oder Abwesenheit von Haken an der Ascus-Basis oder auch die Reaktion der Ascus-Poren mit Jod-Reagentien in meiner Doku. Laut dem oben erwähnten Fund aus Schweden (ascofrance) ist der Pilz jod-negativ, über die Haken-Verhältnisse hat auch Karl Soler Kinnerbäck keine Angaben gemacht.