Pilz des Monats August 2025 – Zarter Moos-Haubenpilz (Bryoglossum gracile)
Dieser auch als Mitrula gracilis bekannte Pilz war mir bis vor Kurzem erst einmal in meinem Leben begegnet – ich war Student auf Alpen-Exkursion und fand die Pilze in einem Feuchtgebiet der Kalkalpen im Ötztal bei Obergurgl. Die damalige Bestimmung verdankte ich einem Tipp von Hans-Otto Baral, Aufzeichnungen habe ich keine (mehr) vorliegen.
Letzte Woche war es auf unserer diesjährigen Skandinavien-Exkursion wieder einmal soweit. Wir hatten (bisher) insgesamt nicht sehr viel Finderglück, da wir eine ausgesprochen heiße Sommer-Phase erwischt hatten. Pilze, die Fruchtkörper bilden wollten, schauten kurz hinaus und enschlossen sich, doch lieber auf andere Witterungsbedingungen zu warten. Und so ist der hier vorgestellte einer von nur relativ wenigen besonderen Funden, die wir bisher auf unserer Fahrt vorzuweisen haben.
Auf den ersten Blick wirkt unsere Art durchaus wie ein kleiner Bruder des Sumpf-Haubenpilzes (Mitrula paludosa – diesen fanden wir allerdings immer wieder auf unserer Tour und photographierten ihn ausgiebig).
![]() |
![]() |
Zarter Moos-Haubenpilz (Bryoglossum gracile = Mitrula gracilis) am 23.07.2025 im Schutzgebiet Bjurälven nördlich von Stora Blasjon (nördliches Jämtland, Schweden) 495 m NN, GPS: N64°55'24.29" E14°6'43.90", in Mischrasen von Laub- und Lebermoosen (keine Artbestimmung versucht) direkt neben Holz-Bohlenpfad in basenreichem Niedermoor inmitten von borealem Fichtenwald, gesellig, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Zarter Moos-Haubenpilz (Bryoglossum gracile = Mitrula gracilis) am 23.07.2025 im Schutzgebiet Bjurälven nördlich von Stora Blasjon (nördliches Jämtland, Schweden) 495 m NN, GPS: N64°55'24.29" E14°6'43.90", in Mischrasen von Laub- und Lebermoosen (keine Artbestimmung versucht) direkt neben Holz-Bohlenpfad in basenreichem Niedermoor inmitten von borealem Fichtenwald, gesellig, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie (u.a.) die 8-sporigen Asci mit Haken (1. Foto), die vital fast inhaltsleeren, schmalkeulig-fädigen Paraphysen (Foto 2), die spindeligen Sporen mit einigen kleinen Öltropfen (Foto 3) sowie die blau reagierenden Ascusporen (Foto 4 - das Teil-Foto links unten zeigt von mir nicht deutbare Einschlusse in einem Teil des Präparates). |
Dieser ist jedoch ein typischer Zeigerpilz für ausgesprochen saure Verhältnisse, wo er in Bächen, Gräben oder Moor-Schlenken oft zahlreich und früh im Jahr auftritt. Unser Fund gelang direkt neben für Fußgänger ausgelegten Holzbohlen in einem basenreichen Niedermoor – nur wenige Meter entfernt von einer seltenen Pflanze, dem Karlszepter (Pedicularis sceptrum-carolinum – im Übrigen wie alle Läusekräuter und die verwandten Wachtelweizen, Klappertöpfe und Augentroste ein Halbschmarotzer), die wir dort schon vor einigen Jahren gesehen hatten (die Fundregion war ein uns bereits vorher bekanntes Exkursionsziel). In Deutschland ist diese Pflanze, die ich ausnahmsweise mit vorstelle, ein sehr selten gewordenes Eiszeitrelikt in basenreichen Niedermooren Süddeutschlands (z.B. Federseeried bei Bad Buchau).
![]() |
![]() |
Karlszepter (Pedicularis sceptrum-carolinum) am 23.07.2025 im Schutzgebiet Bjurälven nördlich von Stora Blasjon (nördliches Jämtland, Schweden) 495 m NN, GPS: N64°55'24.29" E14°6'43.90", in basenreichem Niedermoor inmitten von borealem Fichtenwald, gesellig, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner,, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Im Vergleich zum Sumpf-Haubenpilz ist Bryoglossum gracile deutlich kleiner und farblich weniger leuchtend orange, eher orange-cremfarben. Auch mikroskopisch gibt es Unterschiede, z.B. deutlich kleinere Sporen.
Beide Arten sind auch trotz durchaus sehr ähnlicher Wuchsform nicht die nächsten Verwandten. Im Index of Fungi wird Mitrula paludosa als Vertreter der Cenangiaceae geführt (!), während für Bryoglossum eine eigene Familie der Bryoglossaceae bereitgehalten wird.
Bryoglossum gracile ist ein arktisch-alpin verbreiteter Pilz, der in Tieflagen fehlt. Zumindest gibt es meines Wissens keine Funde im Flachland und Mittelgebirge außerhalb Nordeuropas.
Neben B. gracile wird in der Literatur noch eine möglicherweise synonyme B. rehmii geführt. Eine Diskussion über die Problematik findet sich (z.B.) hier: Bryoglossum rehmii/gracilis - Forum ASCOFrance. Eine eigene Meinung dazu habe ich derzeit nicht.