Pilz des Monats Januar 2018 - Nordischer Gurken-Helmling (Mycena pasvikensis)
Katharina und ich sind ja häufiger im Zuge wissenschaftlicher Projekte unterwegs, wo im Rahmen von Untersuchungen in größerem Rahmen bestimmte "Plots" nach Pilzen untersucht werden. BioKlim ist so ein Projekt, für das wir schon öfter im Bayerischen Wald unterwegs waren. Die meisten Plots sind bewaldet oder auf Sturmwurf-Flächen - und ehrlich gesagt finden wir dabei nur selten besonders bemerkenswerte Pilze. Ein Plot (sein Name ist T4-57 und liegt im Bereich der Ruckowies-Schachten (oberhalb von Zwieslerwaldhaus, Landkreis Regen) im Nationalpark Bayerischer Wald. Hier handelt es sich um einen Fleck bodensaure Magerwiese, in der ich schon frühzeitig Saftlings-Gesellschaften vermutete und schon verschiedene Saftlinge, Erdzungen und Wiesenkeulen sowie ebenfalls neu für den Bayerischen Wald das Gestreifte Purpurblatt (Pseudobaeospora celluloderma) nachweisen konnte.
Am 5.10. wuchs relativ wenig, aber einige Fruchtkörper eines Helmlings, der mit seiner (grau)-bräunlichen Färbung wenig auffällig wirkte. An einem anderen Fundort hätte ich ihn vielleicht ignoriert, oder aber ausschließlich wegen eines Details, nämlich der herablaufenden Lamellen, mitgenommen.
Nordischer Gurken-Helmling (Mycena pasvikensis) am 5.10.2017 am "Ruckowiesberg" (oberhalb Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald, Bayern, Deutschland - unweit der Grenze nach Tschechienleg., det., Foto Lothar Krieglsteiner, conf. Arne Aronsen |
Aufgrund der herablaufenden Lamellen dachte ich zunächst an eine andere recht seltene Helmlings-Art, die ich schon ein paar Mal in sauren Magerwiesen gefunden hatte, nämlich den (geruchlosen) Breitblättrigen Helmling (Mycena latifolia), der aber eine deutlicher graue Hutfärbung hat. Überhaupt nicht dachte ich jedenfalls an den Gewöhnlichen Gurken-Helmling (Mycena cinerella), den wir in diesen Tagen ganz reichlich in den Fichtenwald-Plots fanden - und so muss ich zugeben, dass ich (eigentlich sträflich bei einem Helmling) im Gelände gar nicht auf die Idee kam, eine Geruchsprobe zu nehmen. Zu Hause dann doch - aber erst, nachdem ich mit dem neuen Helmlings-Buch von Arne Aronsen auf ein schier unglaubliches Ergebnis kam - aufgrund der sehr lang fadenförmig verlängerten Cheilozystiden ....
Cheilozystiden mit langen fadenförmigen Anhängen beim Nordischen Gurken-Helmling (Mycena pasvikensis) - am 5.10.2017 in einer bodensauren Magerwiese im Bereich "Ruckowies-Schachten" oberhalb von Zwieslerwaldhaus (Bayern, Nationalpark Bayerischer Wald), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Nordischer Gurken-Helmling (Mycena pasvikensis) - weitere Fotos vom "Ruckowies-Berg" am 5.10. (oben) und 10.10.2017 (unten), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - conf. A. Aronsen |
Die auffälligen Zystiden erschienen mir gleich als etwas Besonderes - denn ich hatte so etwas noch bei keinem Helmling gesehen. Beim Schmökern in "Fungi of Northern Europe 5" (der Mycena-Monographie von Arne Aronsen) stieß ich tatsächlich auf eine Art mit vergleichbaren Zystiden, die allerdings nur aus dem Norden Norwegens (Pasvik, nahe der russischen Grenze) und nur an Blattstreu von Weiden (Salix) vorgestellt wurde. Weiden waren bei meinem Fund nicht in der Nähe - Substrat ist entweder schlichtweg Gras oder auch zum Teil die Blattreste des in der Wiese dort sehr üppig wachsenden Gefleckten Johanniskrauts (Hypericum maculatum). Erst als ich die Bilder von M. pasvikensis verglich, nahm ich die eigentlich längst fällige Geruchsprobe und stellte tatsächlich Gurkengeruch fest.
Dies führte dann dazu, dass ich Arne Aronsen kontaktierte und ihm die Probe schließlich auch per Post zusandte - mit dem Ergebnis der Bestätigung meiner Bestimmung. Also Neufund für Deutschland und Erstfunds außerhalb Norwegens. Arne Aronsen schrieb mir allerdings noch, dass inzwischen auch Funde aus Süd-Norwegen vorliegen, also aus nicht-arktischem Habitat, und auch ohne Anwesenheit von Weiden-Streu. Die ökologische Amplitude von Mycena pasvikensis scheint also größer zu sein als bisher angenommen. Immerhin: recht kalt wird es auch in den Ruckowies-Schachten rasch - der Fund stammt aus einer Meereshöhe von 1160 m NN - und nicht nur im Winter kann man da öfter mal auch ganz hübsch frieren ...