Pilz des Monats Juni 2022 – Braunborstiger Scheibchentintling (Parasola auricoma)
Tintlinge sind eine Gattung, die man gerne mal ignoriert. Eine der Ausreden ist ja oft, dass man die Pilzchen sowieso nicht heile heim bekommt, da sie in einigen Stunden sowieso zu Tinte zerlaufen sind. Abgesehen davon, dass dies keineswegs für alle Arten zutrifft, macht man dabei einen Fehler, denn Tintlinge gehören zu den mikroskopisch durchaus spannenden und attraktiven Pilzgruppen. Trotzdem ist es auch bei mir so, dass ich Tintlinge meist nur dann aufsammle, wenn sonst nicht allzu viel an Pilzfunden geboten ist. So haben wir auch bei unserer diesjährigen Portugal-Exkursion einige Tintlinge mikroskopiert – die Mehrzahl davon nicht im Freiland gefunden, sondern auf mitgenommenen Proben von Tierkot (Schaf, Kaninchen) „gezogen“. Dies war nötig, denn im Freiland war aufgrund der sehr trockenen Witterung nicht allzu viel zu holen. Von diesen Proben könnte ich hier auch die eine oder andere vorzeigen – aber ich tue dies mit einer anderen Art, die mir zufällig diese Woche über den Weg lief – bei der Gartenarbeit. Es handelt sich um eine Art, die ich früher häufiger fand, aber schon einige Jahre nicht mehr (bewusst …) zu Gesicht bekam. Makroskopisch ist sie allerdings kaum von ähnlichen Scheibchentintlingen der Gattung Parasola zu unterscheiden – einer Gattung, für die (eigentlich ..) das Fehlen von Haaren (und auch korrekter Weise von Velum) typisch ist, was man unter einer guten Lupe (Bino) schnell kontrollieren kann.
Braunhaariger Scheibchentintling (Parasola auricoma) am 26.05.2022 im Garten Krieglsteiner im Brunnenweg 32 in Spraitbach (Ostalbkreis, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd) - 3 Frk. zwischen Gräsern (Bromus hordeaceus, Poa trivialis) an kleinem Fußweg zwischen Komposthaufen und Gemüsebeet, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Auch unter dem Bino erkannte ich auf dem Hut keine Behaarung. |
Oder mit einem Skalpschnitt – und ich muss zugeben, dass ich erst unter dem Mikroskop die braunen Borsten auf der Hut-Deckschicht entdecken konnte, die zwar durchaus relativ lang, aber auch sehr sehr dünn sind.
P. auricoma ist wie schon geschrieben nur mikroskopisch sicher bestimmbar und da durch die Borsten bereits hinreichend charakterisiert – die relativ großen Sporen mit Keimporus passen aber auch gut zur Art, ebenso die Cheilozystiden und weitere Mikromerkmale.
Braunhaariger Scheibchentintling (Parasola auricoma) am 26.05.2022 im Garten Krieglsteiner im Brunnenweg 32 in Spraitbach (Ostalbkreis, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd) - 3 Frk. zwischen Gräsern (Bromus hordeaceus, Poa trivialis) an kleinem Fußweg zwischen Komposthaufen und Gemüsebeet, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie bei den relativ großen, ellipsoidischen, glatten, bei Reife sehr dunklen Sporen den deutlichen Keimporus. Im ersten Foto ist unten auch eine (unreife, helle) Sporentetrade zu sehen - ein Hinweis auf 4sporige Ständer. |
Braunhaariger Scheibchentintling (Parasola auricoma) am 26.05.2022 im Garten Krieglsteiner im Brunnenweg 32 in Spraitbach (Ostalbkreis, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd) - 3 Frk. zwischen Gräsern (Bromus hordeaceus, Poa trivialis) an kleinem Fußweg zwischen Komposthaufen und Gemüsebeet, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Das Foto zeigt die glatten, hyalinen Cheilozystiden der Lamellen-Schneide. Makroskopisch wirkt sich diese als weißliche Lamellenschneide bei ansonsten rasch dunkel werdenden Lamellen aus (Sporenreifung nur auf der Fläche). |
Braunhaariger Scheibchentintling (Parasola auricoma) am 26.05.2022 im Garten Krieglsteiner im Brunnenweg 32 in Spraitbach (Ostalbkreis, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd) - 3 Frk. zwischen Gräsern (Bromus hordeaceus, Poa trivialis) an kleinem Fußweg zwischen Komposthaufen und Gemüsebeet, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - Die Fotos zeigen die blasigen Zellen der Hutdeckschicht in einem Skalpschnitt. Dieser gelingt hier durch die plissierte (faltige) Hut-Oberfläche besonders gut (erstes Foto ungequetscht - zweites Foto gequetscht) |
Braunhaariger Scheibchentintling (Parasola auricoma) am 26.05.2022 im Garten Krieglsteiner im Brunnenweg 32 in Spraitbach (Ostalbkreis, Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd) - 3 Frk. zwischen Gräsern (Bromus hordeaceus, Poa trivialis) an kleinem Fußweg zwischen Komposthaufen und Gemüsebeet, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. - Hier nun das entscheidende Merkmal der Art - die braunen borstigen Haare auf der Hutdeckschicht. Diese kommen in der Gattung sonst nur noch bei P. conopilus vor. Der "Huthaar-Mürbling" unterscheidet sich jedoch deutlich durch die nicht-plissierten Hüte - deshalb stand er früher nicht wie P. auricoma in Coprinus, sondern in Psathyrella. |
Die Art ist keineswegs selten, aber gesicherte Bestimmungen sind trotzdem nicht so häufig. Als nährstoffreiche Art scheint sie sich im unserem „Kompost-Feld“ wohl zu fühlen. P. auricoma ist übrigens nicht die erste Parasola in unserem Garten – auch der ebenfalls häufige Breitsporige Scheibchentintling (Parasola leiocephala) hat sich hier schon gezeigt. Mal sehen, ob es mit den Jahren noch mehr Arten werden 😊