Pilz des Monats Januar 2022 – Kleblamellen-Kahlkopf (Psilocybe liniformans)
Wie schon der Pilz des Monats Dezember stammt auch dieser Pilz aus Ligurien (Italien). Während des Seminars mediterrane Pilze im vergangenen November zeigte mir Gastgeber Peter Karasch (von ihm stammt auch eines der gezeigten Fotos, s.u.) einen kleinen Kahlkopf, den er im Laufe der letzten Wochen immer wieder in seinem Garten (Suie bei Varese Ligure) an eingebrachtem Pferdemist beobachtet hatte und bat mich um Bestimmungshilfe. Während der Seminare ist es aber meist so, dass nicht allzuviel Muße bleibt für die Mikroskopie interessanter Pilze – und so war es auch in Ligurien. Zwar schaffte ich es einmal, eine Viertelstunde dafür freizuschaufeln, aber ich kam zu nicht viel mehr als zur Messung der Sporen (ich vermaß sie gleich und später noch einmal mit zusammen (12,5)—13-14,5 (15,5)/7-8 (8,5) µm und beobachtete deren deutlichen großen Keimporus) und war dabei, eine Lamellenschneide für die Begutachtung der Cheilozystiden zu präparieren, scheiterte aber in der kurzen Zeit an diesem Unterfangen, da sich diese als äußerst klebrig und gelatinös erwies. Da ich ohnehin etwas krank und nach der langen Saison überarbeitet war, gab ich in diesem Moment vorläufig auf (nicht ohne einen vagen Moment der Erinnerung an dieses Merkmal in meinem Hinterkopf zu verspüren) und verschob die akkuratere Untersuchung in den Winter. Die Sporenmaße hatten auf einen flüchtigen Blick schlecht zu den ansonsten bekannten nicht-blauenden mist-bewohnenden Kahlköpfen aus der Gattung Deconica (z.B. D. merdaria, D. merdicola, P. coprophila, P. subcoprophila) gepasst und als einzigen Kahlkopf mit vergleichbaren Sporenmaßen fand ich auf die Schnelle Psilocybe fimetaria, eine mir unbekannte Art, die aber als „echte“ Psilocybe mit den entsprechenden Indol-Verbindungen blaue Verfärbungen zeigen sollte; solche hatte ich nicht beobachtet. Ferner ist für P. fimetaria ein üopiges Velum Bestimmungsmerkmale, und die (frisch gewachsenen) ligurischen Pilze zeigten nur spärliche bis kaum nennenswerte Velum-Spuren.
Kleblamellen-Kahlkopf (Psilocybe liniformans) am 12.11.2021, Italien, Ligurien, Suie bei Varese Ligure, 520 m NN, an Pferdemist in Garten ausgebracht, leg. P. Karasch (dort seit Wochen), det. Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Kleblamellen-Kahlkopf (Psilocybe liniformans), November 2021, Italien, Ligurien, Suie bei Varese Ligure, 520 m NN, an Pferdemist in Garten ausgebracht, leg. P. Karasch (dort seit Wochen), det. Lothar Krieglsteiner, Foto Peter Karasch |
Umso überrachter war ich dann am Exsikkat, als ich problemlos eine Lamellenschneide mit Zystiden präparieren konnte, und dabei reichlich Cheilozystiden mit langem (manchmal auch zwei) abgesetztem „Schnabel“ beobachten konnte – eine Form, wie sie für (einige) Arten der Gattung Psilocybe (u.a. besonders für P. fimetaria und P. Liniformans, nicht aber für Deconica-Arten charakteristisch ist. In die engere Wahl auch mit dem Standort auf Mist kamen dann nur noch P. fimetaria (s.o.), auf die die Sporenmaße exakt passen, und P. liniformans, die eigentlich etwas breiter werdende Sporen ((12-)13-14,5(-16,5)/7-10 µm nach Noordeloos 2011: Strophariaceae s.l. in Fungi Europaei 13) haben sollte. Zu P. liniformans passt aber das Merkmal der gelatinösen Lamellenschneide sehr gut, die bei P. fimetaria nicht so ausgebildet sein soll, und so habe ich kaum Zweifel an der Zuordnung, zumal für P. liniformans auch das fehlende bis spärliche Velum gut passt. Beim ersten Druck auf das zunächst ungequetschte (so mache ich das immer, um die Zystiden zunächst in situ zu beobachten) Lamellen löste sich die Schneide fast linien-förmig vom Rest der Lamelle ab („lini-formans“! – das heißt „eine Linie bildend“).
Kleblamellen-Kahlkopf (Psilocybe liniformans) am 12.11.2021, Italien, Ligurien, Suie bei Varese Ligure, 520 m NN, an Pferdemist in Garten ausgebracht, leg. P. Karasch (dort seit Wochen), det. Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner - Das Foto zeigt große Sporen mit großem Keimporus (Maße s.o.). Die Maße passen besser zu P. fimetaria (Lamellenschneide nicht gelatinös, Velum üppig) als zu P. liniformans, die eigentlich zumindest zum Teil etwas breitere Sporen haben sollte. .... |
Kleblamellen-Kahlkopf (Psilocybe liniformans) am 12.11.2021, Italien, Ligurien, Suie bei Varese Ligure, 520 m NN, an Pferdemist in Garten ausgebracht, leg. P. Karasch (dort seit Wochen), det. Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner - Das Foto zeigt ein in Kongorot angefärbtes Stück Lamelle. Nach etwas Druck auf das Deckglas hat sich die Schneide nahezu in Form einer Linie abgelöst ("lini-formans"). |
Kleblamellen-Kahlkopf (Psilocybe liniformans) am 12.11.2021, Italien, Ligurien, Suie bei Varese Ligure, 520 m NN, an Pferdemist in Garten ausgebracht, leg. P. Karasch (dort seit Wochen), det. Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner - Lamellenschneide und Cheilozystiden in Kongorot angefärbt. Die Form ist sehr charakteristisch - bauchig mit aufgesetzter Spitze, zum Teil auch mit 2 Spitzen (2. Foto oben!). |
Peter Karasch, dem ich von meinen Ergebnissen berichtete, schrieb mir, er hätte die Pilze über Wochen beobachtet und dabei keine Blaufärbungen an den (kleinen – selten über 1 cm großen) Fruchtkörpern beobachtet. Allerdings könnte man der Meinung sein, dass seine schöne Aufnahme (s.o.) geringfügige Blau-Spuren zeigt. Auch andere Psilocybe-Arten blauen nicht immer sehr deutlich, bzw. der Grad des Blauens (letztlich die Oxidation des vorhandenen Psilocins) ist auch bei anderen Arten teils variabel. Auf alle Fäle zeigt der Fund, dass es sich immer wieder lohnt, kleine Dunkelsporer zu mikroskopieren. Für mich handelt es sich jedenfalls um eine Erstbegegnung mit dieser Pilzart.
Pilzkunde.de - Dr. Lothar Krieglsteiner - Pilz des Monats - 2021 - Crepidotus macedonicus