Pilz des Monats September 2020: Waben-Porling (auch Bienenwaben-Porling, Neofavolus alveolaris alias Polyporus mori)
Als ich noch ein Junge war, galt der Wabenporling in Baden-Württemberg als große Rarität; bei uns im Schwäbisch Gmünder Raum gab es einzelne wenige Nachweise in den Auen des Remstals, wo die Art besonders wärmebegünstigte Standorte besiedelte. Wir lernten die Art damals kennen unter dem Namen Polyporus mori – was auf ein Wachstum an den eher im warmen Mittelmeer-Raum angebauten Maulbeerbäumen (Morus) hinweisen soll. Schon damals war aber der Hauptwirt in Mitteleuropa die Esche (Fraxinus excelsior, F. Oleaceae Ölbaumgewächse). So ist dies noch heute – allerdings kommt N. alveolaris, wie die Art heute heißt, jetzt bis in die hohen Lagen des Schwäbischen Waldes (z.B. bei Hintersteinenberg, bis ca. 535 m NN) und der östlichen Schwäbischen Alb (z.B. auf dem „Kalten Feld“ bis ca. 760 m NN) vor – vermutlich gibt es anderswo noch Funde in höheren Lagen. Auch insgesamt ist die Art durch den Klimawandel und die dadurch gestiegenen Temperaturen deutlich häufiger geworden. Ob dabei auch das Eschensterben (verursacht durch die Nebenfruchtform des Becherlings Hymenoscyphus fraxineus) eine Rolle spielt, kann ich nicht beurteilen – auf alle Fälle steht in den letzten Jahren ein erhöhtes Angebot von Eschen-Totholz zur Verfügung.
Bienenwaben-Porling (Neofavolus alveolaris) am 03.05.2017 bei Heubach-Beuren, am Fuß des Scheuelberges (Südhang), Rand der Schwäbischen Alb sö. Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), an liegenden Ästen von Esche (Fraxinus excelsior) in Laubmischwald-Trauf über Jurakalk, leg., det.,Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner anlässlich einer Tagesführung Frühlingspilze ("Morchel-Führung") |
Waben-Porling (Neofavolus alveolaris alias Polyporus mori) am 30.04.2016 am Anstieg zur östlichen Schwäbischen Alb s. Schwäbisch Gmünd-Bargau, Weg zum "Himmelreich", an liegenden Zweigen von Esche (Fraxinus excelsior) an Bach-Aue über Jurakalk, leg., det.,Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner anlässlich Tagesführung Frühlingspilze ("Morchel-Führung"). |
Bienenwaben-Porling (Neofavolus alveolaris) am 01.05.2018 im "Loheholz" s. Hohestadt (unweit Ochsenfurt, sö. Würzburg, Unterfranken, Bayern), in feuchterem, lehmigem Laubmischwald über Muschelkalk, an noch anheftenden Ästen an gestürzten, liegenden Eschen (Fraxinus excelsior), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner (anlässlich Tagesführung Frühlingspilze, "Morchel-Führung"). |
Waben-Porling (Neofavolus alveolaris) am 29.03.2020 am Wald-Erlebnispfad "Hardtwald" ("Hardy-Pfad") sö. Großbottwar (w. Backnang, nw. Stuttgart, Baden-Württemberg), an totem Ast ca. 2 m hoch an stehender alter Buche (Fagus sylvatica), leg., det., Michael Knietsch, Rofl Fuhrmann & L. Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner (anlässlich Führung Vorfrühlingspilze). |
Waben-Porling (Neofavolus alveolaris) am 25.04.2017 in den Iller-Auen beim Gestüt s. Buxheim (Bayern, Schwaben s. Memmingen), an liegenden Ästen von Esche (Fraxinus excelsior) in Iller-Auwald, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner (anlässlich Kurs Frühlingspilze, "Morchel-Kuirs"). |
Waben-Porling (Neofavolus alveolaris) am 29.04.2018 in den Iller-Auen n. Fellheim (Bayern, Schwaben, n. Memmingen), an Ast von Prunus spinosa in Iller-Auwald (unweit auch an Esche), leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner (anlässlich Tagesführung Frühlingspilze, "Morchel-Führung"). |
Wobei N. alveolaris typischer Weise an dünneren Ästen wächst, oft schon an noch ansitzenden im Luftraum bis in mehrere m Höhe (vielleicht auch noch im Gipfelbereich alter Eschen, aber dort wird die Art eher nicht entdeckt). Man wird aber auch oder vor allem an abgefallenen, noch relativ frisch-faulen Eschenästen fündig, neuerdings auch verstärkt am Holz anderer Baumarten. Ich hätte noch einige Fotos mehr zeigen können - ich musste mich bei der Auswahl dann doch etwas bremsen :-).
N. alveolaris ist eigentlich kaum zu verwechseln, achtet man auf die warm orange-braunen, zunehmend fein-schuppigen Hüte, die im Alter und bei Sonneneinwirkung irgendwann ins Weiße verblassen, auf die sehr weiten, langgestreckten und etwas geschlitzten Poren sowie auf den wenig abgesetzten, oft exzentrischen Stiel, der niemals unten schwarz verfärbt. Verwechslungsgefahr besteht in manchen Fällen mit schmächtigen Exemplaren des Kleinen Schuppen-Porlings (Polyporus tuberaster), der aber kleinere Poren, einen nicht so warmen Braun-Ton (eher graubraun, später gelbbraun) im Hut und meist deutlich größere, dickere und zähere Fruchtkörper sowie einen meist zentralen Stiel aufweist.
Früher stand die Art wie viele weitere in der Groß-Gattung Polyporus (Stielporlinge), für die neben dem Habitus auch eine Eigenschaft typisch war (ist), die sonst kaum bei anderen Porlingen vorkommt – Hindernisse werden nämlich nicht umwachsen, sondern wie bei Lamellenpilzen (aber auch bei Sägeblättlingen) zur Seite geschoben. Dieses Merkmal wurde damals so hoch gehängt, dass (fast) nur die Stielporlinge eine eigene Ordnung Polyporales bildeten – alle anderen Porlinge standen in einer anderen Ordnung (meist Poriales genannt). Heute ist dies alles Geschichte: Stielporlinge, die Weißfäule-Erreger unter den Sägeblättlingen sowie viele (aber nicht alle) Porliinge und Rindenpilze (auch z.B. die Krause Glucke!) stehen nun in einer wieder deutlich größeren Ordnung Polyporales. Die Stielporlinge sind nicht nur in mehrere Gattungen aufgeteilt worden – in zwei von ihnen stehen sie sogar zusammen mit Sägeblättlingen. So auch in Neofavolus – die einzige weitere Art der Gattung in Europa ist der meist an Weidenästen (gerne schon im Luftraum!) wachsende, von der Konsistenz, Wuchsform und Farbe durchaus ähnliche Anis-Sägeblättling (Neofavolus suavissimus alias Lentinus suavissimus).
Anis-Sägeblättling (Neofavolus suavissimus) am 13.08.2015 im Nationalpark Eifel (Nordrhein-Westfalen, Wahlerscheid, Tal des "Fuhrtsbach"), an toten Ästen am stehenden Strauch und am Boden von Ohrweide (Salix aurita), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Von ihm heute nur ein Foto – auch er könnte gut einmal ein Pilz des Monats sein. Poren oder Lamellen – eine ganz kleine Entscheidung in der Evolution der Pilze, die vielfach in beide Richtungen geändert und in klassischer Systematik (wie auch sonst die Wuchsform) extrem überbewertet wurde.