Pilz des Monats Mai 2020 – „Ockerfarbene Krustenhaut“ (Crustoderma dryinum)
Heute möchte ich wieder einmal einen Rindenpilz vorstellen – also einen Ständerpilz mit rein resupinat (ohne Hutkanten-Bildungen, also flächig) wachsenden Fruchtkörpern. Früher dachte man, alle diese Pilze wären miteinander verwandt, und stellte sie in Familie Corticiaceae. Wuchsformen-Systematik – das schrieb ich ja hier schon öfter (z.B. bei Trüffeln u.a.) – ist heute vollkommen überholt, und so weiß man heute, dass Rindenpilze als Wuchsform in vielen Ordnungen der Ständerpilze vorkommen. Ein großer Teil, zu dem auch unsere Art gehört, steht in der Ordnung Polyporales, unsere Art speziell in der Familie Meruliaceae.
Rindenpilze sind meist nur mikroskopisch bestimmbar – dies gilt, will man sicher sein, auch für unseren heutigen Pilz des Monats. Crustoderma dryinum gehört aber sicher zu den Arten, die schon makroskopisch vor-vermutet werden können, denn die Art hat ein paar nicht so häufige Merkmale. Zum einen die sehr schön gelb gefärbten Fruchtkörper (es gibt aber eine ganze Menge weiterer gelber Rindenpilze), dann die Tendenz, bald rötlich gefärbte Guttationstropfen abzuscheiden und nicht zuletzt der geschichtete Aufbau, der im Schnitt gut erkennbar ist. Hat man eine gute Lupe zur Hand, ist es auch nicht schwer, schon vor dem Präparieren fürs Mikroskop zu erkennen, dass unser Pilz reichlich lange Zystiden besitzt, deren genauen Merkmale natürlich erst mit dem Mikroskop beurteilt werden können. Und auch die Ökologie hilft etwas: Crustoderma dryinum ist ein Braunfäule-Erreger (der das braune Lignin nicht abbauen kann), befallenes Holz ist deshalb rotbraun gefärbt.
Im Internet findet man als deutschen Namen „Ockerfarbene Krustenhaut“ – meiner Meinung nach ein eher dürftiger Name für unseren hübschen Pilz. Zum einen ist die leuchtend gelbe Färbung des frischen Pilzes mit „ockergelb“ m.E. kaum treffend bezeichnet – zum anderen ist der Name „Krustenhaut“ für jede Art von Rindenpilz zutreffend und eine reine Übersetzung des lateinischen Gattungsnamens. „Lieber gar keine deutschen Namen als solche“, denke ich mir da, und in der Tat macht es auch wenig Sinn, unbedingt für alles einen deutschen Namen aus dem Boden stampfen zu wollen.
Crustoderma dryinum ("Ockerfarbene Krustenhaut") am 14.4.2020, leg. Katharina Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner, an liegendem, braunfaulem Abies-Stamm in Schluchtlage in paenemontanem Buchen-Tannen-Mischwald im NSG Bannwald "Heidenhau" w. Welzheim (Schwäbisch-Fränkischer Wald w. Stuttgart, Baden-Württemberg). Beachten Sie die Guttationstropfen (v.a. Foto 1, 4) sowie die vielen, sich als feiner Flaum zeigenden, weit herausragenden Zystiden (Foto 5). |
Crustoderma dryinum ("Ockerfarbene Krustenhaut") am 14.4.2020, leg. Katharina Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner, an liegendem, braunfaulem Abies-Stamm in Schluchtlage in paenemontanem Buchen-Tannen-Mischwald im NSG Bannwald "Heidenhau" w. Welzheim (Schwäbisch-Fränkischer Wald w. Stuttgart, Baden-Württemberg) - zwei weitere Studio-Aufnahmen mit Blick auf die Flaumigkeit durch Zystiden |
Crustoderma dryinum ("Ockerfarbene Krustenhaut") am 14.4.2020, leg. Katharina Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner, an liegendem, braunfaulem Abies-Stamm in Schluchtlage in paenemontanem Buchen-Tannen-Mischwald im NSG Bannwald "Heidenhau" w. Welzheim (Schwäbisch-Fränkischer Wald w. Stuttgart, Baden-Württemberg) - achten Sie auf die Schichtung des Basidiomas (Fruchtkörper - im Schnitt). |
Crustoderma dryinum zählt zu den seltenen Rindenpilzen in Deutschland, laut F. Dämmrich (mail im April 2020) sind bisher nur 12 Fundpunkte aus Deutschland bekannt. Die Art wächst vorzugsweise an morschem Nadelholz, nur selten auch an Laubholz. Vermutlich ist die Art zumindest etwas montan (im Gebirge) verbreitet, aber es gibt auch Funde im Flachland (vgl. z.B. http://www.bender-coprinus.de/pilz_der_woche/2015/_crustoderma_dryinum.html).
Mir selbst ist die Art bisher zweimal begegnet, beim ersten Mal im Bayerischen Wald im Rahmen des Biodiversitäts-Projektes BioKlim (damals von mir nur am Rande registriert und von F. Dämmrich bestimmt).
Crustoderma dryinum ("Ockergelbe Krustenhaut") am 9.10.2017, leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner (im Zuge des Biodiversitäts-Projektes BioKlim), det. Frank Dämmrich, Foto Lothar Krieglsteiner, Nationalpark Bayerischer Wald n. Spiegelau, Südhang zum Rachel, ca. 1000 m NN, an liegendem Abies-Stamm - beachten Sie auch hier die rot gefärbten Guttationstropfen bei der etwas älteren Aufsammlung. |
Umso mehr freute ich mich, als Katharina den Pilz neulich bei einer Exkursion im Schwäbischen Wald an einem liegenden Tannenstamm entdeckte und ich gleich draußen die richtige Art vermutete. Das Mikroskop brachte rasche Bestätigung – (u.a.) die z.T. gelb-bräunlich gefärbten länglichen Sporen und die typischen langen Zystiden passen gut.
Crustoderma dryinum ("Ockerfarbene Krustenhaut") am 14.4.2020, leg. Katharina Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner, an liegendem, braunfaulem Abies-Stamm in Schluchtlage in paenemontanem Buchen-Tannen-Mischwald im NSG Bannwald "Heidenhau" w. Welzheim (Schwäbisch-Fränkischer Wald w. Stuttgart, Baden-Württemberg) - die Fotos zeigen wichtige Mikromerkmale wie die länglichen, teils gelb-bräunlichen Sporen (bereits ohne Anfärbung) sowie die weit herausragenden (Lepto)-Zystiden. |
Früher habe ich Rindenpilze eher beiseite gelegt und die Bestimmung anderen überlassen. Seit wenigen Jahren bin ich dabei, dies zu ändern und bekomme immer mehr Freude an den Rindenpilzen, und auch nach und nach einen besseren Überblick und mehr Bestimmungs-Sicherheit 😊