Pilz des Monats August 2020 - Senfgelber oder Gelbgrüner Dachpilz (Pluteus chrysophaeus alias P. luteovirens)
Dachpilze sind eine kleine, als solche leicht kenntliche Gattung, ihre Abgrenzung gut und schnell definiert, nämlich als „freiblättrige Rosa-Sporer ohne Velum“. Es gibt nicht viele Gattungen, wo dies so schnell und auch problemlos geht (abgesehen davon, dass es auch in Europa eine Dachpilz-Art mit Velum gibt, und dann wird es schon wieder ein längerer Satz gegenüber den Scheidlingen, auf Pluteus fenzlii alias Chamaeota fenzlii, den ich noch nie gesehen habe, gehe ich hier aber nicht ein). Hinzu kommt, dass Dachpilze Saprobionten sind, die vorzugsweise (nicht ausschließlich) auf meist schon recht weit vorverdautem Holz (späte Optimal- und Finalphase) wachsen. Die Mehrzahl der Gattung besteht aus Pilzen mit grauen bis braunen Hüten, und neben Farbmerkmalen ist vor allem die Struktur der Huthaut wichtig, die man den Arten bis zu einem gewissen Grad (es gibt hier natürlich Grenzen) auch makroskopisch ansehen kann. So haben Dachpilze mit faserig-glatten Hüten (z.B. P. cervinus s.l., Rehbrauner D.) meist eine Cutis als Huthaut, Arten mit filzigen Hüten (z.B. P. leoninus, Löwengelber D.) ein Trichoderm (Trichopalisade) mit aufrecht abstehenden Endzellen, während die Arten mit speckig glatten (wenn auch oft runzeligen) Hüten eine Huthaut aus keulig-aufrechten Endzellen besitzen (Sektion Celluloderma) – hierher gehört auch die besprochene Art, die im Prinzip leicht kennlich ist, denn es handelt sich um den einzigen Dachpilz mit der Kombination deutlich gelber Hutfarbe mit glatter bis runzeliger Huthaut. Im Vergleich zum ebenfalls gelbhütigen, aber filzigen (s.o.) Löwengelben Dachpilz ist der Senfgelbe D. ein deutlich kleinerer Pilz, dessen Hüte 2 cm Breite nur gelegentlich, 3 cm nur selten überschreiten.
Ein Problem ist wieder einmal taxonomischer Natur, denn unter dem Namen P. chrysophaeus wurde früher von manchen Autoren ein anderer Dachpilz mit dunkleren Hüten und mit wenig Gelbtönen allenfalls am Stiel verstanden – heute ist man der Meinung, es handle sich um eine Form von P. phlebophorus (Netzaderiger Dachpilz), einer Art, die meist ohne oder nur mit schwachen Gelbtönen auskommt. Auch P. romellii (Gelbstieliger Dachpilz) muss beachtet werden, ebenfalls mit mehr (unterschiedlich dunkel) braunen Hüten und gelbem Stiel – diese Art kann aber außer makroskopisch auch durch anders aussehende Zystiden mikroskopisch getrennt werden (dort breit keulig, bei P. chryophaeus eher spindelig bis flaschenförmig). Die Konfusion um den Namen chrysophaeus ist einer der Gründe, warum der hier vorgestellte Pilz bisher eher als P. luteovirens (Gelbgrüner Dachpilz) bestimmt wurde, so auch lange Zeit von mir. P. luteovirens gilt jedoch heute als Synonym von P. chrysophaeus, der (s.o.) anders als früher gedeutet wird.
Wo findet man P. chrysophaeus? Nun – insgesamt handelt es sich um eine ziemlich seltene Art, von der man in „normalen Wäldern“ wenig sieht. Wenn überhaupt, findet man mal einen oder zwei Fruchtkörper. Häufiger scheint die Art in Urwald-Resten bzw. alten Wldern aufzutreten, hier findet man sie mit etwas Glück reich fruchtend an Altholz vor allem von Buche, seltener anderer Laubbäume. So stammen die meisten meiner Fotos aus zwei Gebieten – zunächst im Nationalpark Plitvicer Seen (Kroatien), und dann aus dem Urwald-Schutzgebiet Zofin im südlichen Tschechien.
Gelbgrüner oder Senfgelber Dachpilz (Pluteus chrysophaeus alias P. luteovirens) am 7.9.2015, Urwaldrest "Zofin" ("Žofínský prales") unweit Nove Hrady (Tschechien nahe der österreichischen Grenze), mehrfach und teils zahlreich an Buchen-Altholz, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner (zusammen mit Andreas Gminder, Peter Karasch u.a.) |
Gelbgrüner oder Senfgelber Dachpilz (Pluteus chrysophaeus alias P. luteovirens), am 7.8.2010 (erstes Foto) sowie am 29.6.2014 (zweites und drittes Foto), Kroatien, Nationalpark Plitvicer Seen, mehrfach an Altholz von Buche, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - beachten Sie vor allem beim ersten Foto die relativ dunklen Hutfarben junger Fruchtkörper und nachlassenden Grünton im Gelb des Hutes |
Gelbgrüner oder Senfgelber Dachpilz (Pluteus chrysophaeus alias P. luteovirens) am 01.07.2020, Kroatien, Nationalpark Risnjak, Tal der Kupa, an Buchenholz der Finalphase, nur 1 Frk. (kein wirklicher "Urwald"), leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Gelbgrüner oder Senfgelber Dachpilz (Pluteus chrysophaeus alias P. luteovirens) am 11.06.2010 (Tag der Artenvielfalt), Rhein-Auen bei Weisweil (nw. Freiburg), nur 2 Frk. an morschem altem Laubholz, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
In Deutschland habe ich den Pilz erst sehr selten gesehen. Alles zusammen genommen, konnte ich die Art aber schon in nahezu allen Altersstadien studieren. Junge Fruchtkörper sind relativ dunkel olivbraun, erst bei Streckung des Hutes kommt der mehr grüngelbe Ton zum Vorschein. Ältere Fruchtkörper verlieren bald den Grünton und sind dann eher zitrongelb gefärbt. Die Stiele zeigen zumindest bei meinen Funden niemals Gelbtöne – schon deshalb sollten Verwechslungen mit P. romellii (s.o.) eigentlich ausgeschlossen sein.
Allerdings finde ich eben beim Googeln die folgende Darstellung von M. Dondl (http://www.interhias.de/schwammerlseiten/bestimmungen/2006/sonstige/sonstige.html#ank10), die ich makroskopisch für P. chrysophaeus gehalten hätte, aber die Zystiden von P. romellii besitzt. Nun: Dachpilze sind keine so leichte Gattung und deshalb sollten Bestimmungen möglichst gut dokumentiert, belegt und vorher mikroskopisch geprüft werden.