Pilz des Monats Juli 2020 – Geselliges Ocker-Röhrchen (Woldmaria filicina)
Die früher unter den Namen Solenia crocea und später Woldmaria crocea bekanntere, aber sehr selten gefundene Art wurde neuerdings mit einem deutschen Namen versehen (s.o., aus Wikipedia), der sogar relativ passend erscheint. Es handelt sich um einen sogenannten cyphelloiden Pilz. Diese sind stets Abkömmlinge „normaler“ Lamellenpilze (O. Agaricales), die keine Stiele mehr ausbilden (wie dies ja auch andere Lamellenpilze nicht tun, z.B. Stummelfüßchen, Lilliputseitlinge u.a.) und dann mit der Reduktion noch einen Schritt weiter gehen und auch die Lamellen weglassen. Die entstandenen Formen sind dann becherlings-artig („Zwerg-Schälchen“ u.a.) – bei der Mikroskopie werden aber keine Schläuche, sondern Ständer gefunden. Einige dieser cyphelloiden Pilze haben aber wie die vorgestellte Art stark verlängerte Fruchtkörper und werden deshalb mit der Bezeichnung „Röhrchen“ versehen.
Das Gesellige Ocker-Röhrchen gehört in die kleine, wenig bekannte Familie Niaceae (Agaricales) und ist ein Spezialist. Er kommt nämlich nur auf den meist basalen, feucht stehenden oder liegenden Resten einer einzigen Pflanzenart vor, nämlich des Straußfarnes (Matteucia struthiopteris), der ja keineswegs überall vorkommt. Viele Pilzfreunde hatten deshalb noch nie die Gelegenheiti (und wenn sie von dieser Art noch nichts gehört haben, auch noch nicht das Bedürfnis), an Resten von Straußfarn zu suchen.
Mein erster Fund dieser Art stammt schon aus den 90er-Jahren des letzten Jahrtausends, aus einem Bachtal im Vorderen Bayerischen Wald östlich von Regensburg – das genaue Funddatum müsste ich eher mühsam heraus suchen, darum tue ich es nicht. Damals machte ich noch keine Fotos – Digitalfotographie war damals noch ein Steckenpferd weniger Technik-Freaks. Allerdings besitze ich ein Foto von diesem Fundort, denn im Jahr 2008 wurde ich an dieser Stelle wieder fündig.
Geselliges Ocker-Röhrchen (Woldmaria filicina) an Resten von Straußfarn (Matteucia struthiopteris) in bachbegleitendem Galerie-Erlenwald (Stellario nemorum-Alnetum) am 14.08.2007 bei Wiesent (Wildbachtal bei Fahnmühle, ö. Regensburg, Bayern), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Bis vor wenigen Wochen kannte ich den Pilz in der Tat auch nur von diesem Fundort her, obwohl ich Straußfarn-Vorkommen auch schon z.B. in Norwegen, den Alpen oder vor Kurzem in Brandenburg flüchtig untersuchen konnte. Auch im Garten meiner Eltern (von denen nur noch meine Mutter lebt) ist seit vielen Jahren ein hübscher Bestand an Straußfarn, an dem ich durchaus über die Jahre ab und zu untersuchte, ob der Pilz dort nicht auch ankommen würde, was bisher immer negativ ausgefallen war. Als ich mit Katharina vor der Abfahrt zu unserer diesjährigen Exkursions-Ausfahrt noch ein letztes Mal meine Mutter (in Durlangen, n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg) besuchte, war der Straußfarn besonders üppig, und es hatte vorher öfter einmal geregnet. Trotzdem unternahm ich eher ohne viel Hoffnung einen erneuten Versuch – und war freudig überrascht, diesmal tatsächlich fündig zu werden. Vermutlich handelt es sich sogar um einen Erstfund für Baden-Württemberg, obwohl der Fund natürlich aus synanthrop (nicht natürliches Vorkommen) gewertet werden muss.
Geselliges Ocker-Röhrchen (Woldmaria filicina alias W. crocea) an Basen von Straußfarn (Matteucia struthiopteris) im Garten von Heidi Krieglsteiner in Durlangen (Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg) am 13.6.2020, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Woldmaria filicina ist auch mikroskopisch durchaus ein attraktiver Pilz. Die recht großen, spindelförmigen Sporen mit in lebendem Zustand vielen kleinen Tropfen, die dann in toxischen Medien (hier Kongorot in Ammoniak) zu einem großen Tropfen der toten Sporen zusammen fließen, machen den Pilz auch mikroskopisch einzigartig. Die 4-sporigen Ständer sind relativ ölreich (auch hier in lebendem Zustand multiguttulat, in totem Zustand wenige große Tropfen). Der Fruchtkörper-Rand und die Außenseite sind mit langen hyphigen Haaren ausgestattet.
Geselliges Ocker-Röhrchen (Woldmaria filicina alias W. crocea) an Basen von Straußfarn (Matteucia struthiopteris) im Garten von Heidi Krieglsteiner in Durlangen (Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg) am 13.6.2020, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie die Sporen mit vielen kleinen Tropfen der lebenden Sporen im Wasserpräparat (o.), die im Kongorot-Ammoniak-Präparat zu einem großen Tropfen der toten Sporen zusammen geflossen sind. |
Geselliges Ocker-Röhrchen (Woldmaria filicina alias W. crocea) an Basen von Straußfarn (Matteucia struthiopteris) im Garten von Heidi Krieglsteiner in Durlangen (Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg) am 13.6.2020, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - Die Bilder zeigen das gleiche Phänomen wie bei den Sporen - diesmal bei den Ständern. Lebende Basidien zeigen viele kleine Tropfen als Inhalt - die toten Ständer im Kongorot-Ammoniak-Präparat haben nur noch wenige, große Tropfen. |
Geselliges Ocker-Röhrchen (Woldmaria filicina alias W. crocea) an Basen von Straußfarn (Matteucia struthiopteris) im Garten von Heidi Krieglsteiner in Durlangen (Baden-Württemberg n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg) am 13.6.2020, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - Die Fotos zeigen die Randhaare (die Flankenhaare sehen vergleichbar aus) - oben braun im Wasserpräparat - unten ein Schnitt im Kongorot-Ammoniak-Präparat mit den Haaren rechts und unreifen Ständern weiter links. |
Wer sich die Mühe macht, bei feuchtem Wetter Straußfarn-Wuchsorte zu untersuchen, wird die Art vermutlich häufiger nachweisen können. Ich hoffe, dass dieser Pilz des Monats ein paar Leute dazu anregt. Apropos Straußfarn: der Straußfarn ist ein sehr interessanter Farn, denn er hat (ähnlich wie z.B. der Rippenfarn, bei dem allerdings beide Wedel-Typen grün sind) getrennt sterile, grüne Wedel zum Zweck der Photosynthese sowie sterile, die braun sind und vor allem zur Sporenbildung dienen. Wer sich interessiert, wird im Internet sicher die nötigen Informationen finden.