Pilz des Monats März 2019: Weiche Gewebehaut, Orangefarbener Fältling (Leucogyrophana mollusca)
Heute möchte ich einmal einen „Corti“ vorstellen – also einen Rindenpilz, wobei diese Einordnung schon wieder fraglich ist, denn zum Einen könnte man (deutscher Name) auch von einem Fältling sprechen (aber faltiges Hymenium gibt es ja bei „Cortis“), aber der schwerer wiegende Einwand ist der, dass die Art nicht nur rein resupinat, sondern auch mit durchaus beachtlichen Hutkanten anzutreffen ist. „Cortis“ (Rindenpilze) werden ja gemeinhin als resupinat (rein flächig) wachsende Pilze abgegrenzt. Wobei von einer sauberen Abgrenzung nicht die Rede sein kann. Kein Wunder auch, denn Cortis finden sich heute fast in allen bekannten Ordnungen der Ständerpilze und eine Familie „Corticiaceae“, wie noch vor wenigen Jahrzehnten für alle Rindenpilze in Anwendung, gibt es zwar noch (in O. Corticiales), umfasst aber nur noch einen kleinen Bruchteil der resupinaten Ständerpilze. Nun – zu F. Corticiaceae gehört die heute vorgestellte Art nicht mehr. Aber wohin? Am Besten schauen Sie unvoreingenommen auf eines der Fotos unten und überlegen, welche Ihnen gut bekannte Pilzart farblich sehr nahe kommt. Ja – genau! Der Falsche Pfifferling 😊 – so einfach ist Pilzkunde. Die Weiche Gewebehaut gehört in die Familie Hygrophoropsidaceae – das ist die Familie für die weiß-sporigen Boletales, also die Verwandschaft der Röhrlinge. Nun – die vermutlich gleich aufflackernde Empörung über die „unsägliche moderne Systematik“, bei der niemand mehr durchblickt, sollte sich in Grenzen halten. Wer genau hinschaut, erkennt in der Röhrlings-Verwandtschaft zahlreiche Übergänge von lamelligem über faltiges (anastomosierendes – Goldblatt und Muschelkrempling) bis hin zu Röhrlings-Hymenien, von denen auch manche (z.B. Kuh- und Hohlfuß-Röhrling) durchaus Ähnlichkeiten zu einem Fältlings-Hymenium zeigen. Im Gegensatz zu den meisten Boletales sind die Hygrophoropsidaceae (und auch die Tapinellaceae mit Samtfuß- und Muschelkrempling sowie Gold-Fältling sowie die Coniophoraceae) Saprobionten – und dies gilt auch für unseren Pilz des Monats.
Weiche Gewebehaut oder Orangefarbener Fältling (Leucogyrophana mollusca) - am 20.10.2015 (2 Fotos), Österreich, Kärnten, Turia-Wald, leg., det. Matthaeus Koncilja & Lothar Krieglsteiner, an Fichtenstumpf in montanem Nadelmischwald, Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) am 12,11.2016, Italien, Ligurien, Ortsrand von Varese Ligure, an Nadelholz-Stumpf und angrenzender Böschung, leg. Pilzkurs mit Peter Karasch, Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) am 16.10.2018 in Thüringen, nördlicher Hainich, Stadtwald Mühlhausen w. Mühlhausen, in kürzlich forstlich teilweise abgeernteter Fichtenparzelle, an Fichtenstämmen und Fichtenreisig, von dort aus übergreifend auf so gut wie alles incl. verschiedene Laubholzstämme in Stammlager sowie auf Strecke von ca. 20 m fast überalll auf nackter Erde und kleineren Fichtenholz-Resten am und im Boden auf Weg und an der angrenzenden Böschung - überaus massenhaft, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) am 11.09.2018, Rheinland-Pfalz, Pfälzer Wald bei Eppenbrunn, Naturwaldreservat "Mummelsee", an Fichtenstumpf in saurem Fichtenforst, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) reichlich pileat - gefunden am 14.09.2010, Bayern, Unterfranken, Hassberge, Ebern, Truppenübungsplatz, an Kiefern-Holzschnitzeln am Boden in Nadelmischforst, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca), junges Stadium mit Myzelfilz, am 26.09.2015, Baden-Württemberg ö. Stuttgart, n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbischer Wald bei Leinmühle, an Fichtenholz sowie angrenzend auf nackter Erde (Holz im Boden) an Böschung, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Zumindest meine Wege kreuzt dieser Pilz in den letzten Jahren viel häufiger als früher. Es kann zwar sein, dass ich ihn früher auch mal übersehen habe, aber eine Ausbreitungstendenz scheint mir zu bestehen – oder auch eine Förderung durch die heutige Form der Forstwirtschaft mit schweren Maschinen. Jedenfalls kann man die Weiche Gewebehaut in intensiv bewirtschafteten Fichten-Forsten (die Art scheint auf Nadelholz beschränkt zu sein) oft in großen Mengen antreffen – an den Holzresten selbst (meist auf Holz der Initial- und frühen Optimalphase, wo die Art eine Braunfäule auslöst), aber auch oft in großer Menge scheinbar auf nackter Erde an boden-verdichteten Waldwegen und Weg-Böschungen – dort, wo reichlich kleinere Holzreste (vom Schreddern der Bäume) ins Erdreich gepresst wurden.
Bereits oben habe ich erwähnt, dass auch der Hausschwamm (der Wilde – der Echte natürlich auch, namens Serpula lacrymans) zu den Boletales gehört, also ein (entfernter) Verwandter der Weichen Gewebehaut ist. Was nicht viele wissen, ist, dass auch die Gewebehäute in Gebäuden als Schadpilze auftreten können. Im Jahr 2010 wurde ich einmal beauftragt, in einem Keller auftretende Pilz-Beläge zu untersuchen. Diese erinnerten makroskopisch wenig an das Erscheinungsbild von L. mollusca im Freien (die weitgehend sterilen Beläge bildeten nur punktuell schon eine noch wenig reife Fruchtschicht aus), konnten aber trotzdem als diese Art identifiziert werden. Auch hiervon ein Foto anbei – es zeigt auch die bei L. mollusca auftretenden Myzelstränge (Rhizomorphen). L. mollusca bildet gerade an solchen ungünstigen Standorten (in Häusern geht die Art wasser-technisch sicher an ihr Existenz-Minimum) für die Art typische kugelförmige Sklerotien (harte Überdauerungs-“Körner”), die auf dem Foto nicht zu sehen sind.
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) - weitgehend sterile Myzelmatten mit Rhizomorphen in Keller, nur spärlich beginnende Hymenium-Bildung, gefunden am 19.11.2010 in Schwäbisch Gmünd, Keller von Haus im Sandweg, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner (anlässlich Auftrag bezüglich "Hausschwamm-Gutachten" |
Verwechseln kann man die Weiche Gewebehaut mit dem Wilden Hausschwamm (Serpula himantioides) – dieser hat jedoch keine orangefarbene, sondern eine deutlich dunkler braune Fruchtschicht. Ähnlicher noch ist der Gold-Fältling (Pseudomerulius aureus), der eher an morscherem Kiefernholz anzutreffen ist. Bestes makroskopisches Merkmal ist für mich die bei L. mollusca weißen Zuwachskanten oder Hüte, die bei P. aureus wie der Rest des Pilzes goldgelb gefärbt ist, durchaus mit Orangeton, aber nicht so orange wie L. mollusca. Ich habe Ihnen zum Vergleich auch von P. aureus ein Foto angehängt.
Gold-Fältling (Pseudomerulius aureus) am 19.09.2008, Unterfranken, Steigerwald, Umgebung des NSG "Brunnstube" bei Ebrach, an Kiefernholz der Finalphase in Nadelmischwald, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Beachten Sie die gelbe und nicht weiße Hutkante - sowie das bereits sehr stark zersetzte Holz (Braunfäule wie auch L. mollusca). |
„Cortis“ schaue ich mir in letzter Zeit öfter mal an. Dies hat verschiedene Gründe – unter anderem die Tatsache, dass deren Bestimmung für wissenschaftliche Aufträge oft besonders wichtig ist. In früheren Jahren hatte ich das Glück, dass befreundete Pilzkenner mir immer viele Aufsammlungen bestimmten (in den 1980-er-Jahren die verstorbene Frau Hanna Maser vom Stuttgarter Pilzverein, später dann Harald Ostrow und Frank Dämmrich) – und ich muss zugeben, dass mich die Cortis nicht übermäßig interessierten. Dies hat sich geändert – und ich habe bemerkt, dass Rindenpilze auch Spaß machen können. Nachdem ich schon Kurse bei Christoph Hahn, Norbert Luschka, Frank Dämmrich und Harald Ostrow besucht habe und ich inzwischen auch über etwas mehr Bestimmungspraxis verfüge, traue ich mich sogar nun, einen ersten eigenen Rindenpilz-Kurs anzubieten (sehen Sie nach im Seminarprogramm 2019). Denn leider gilt: ohne Mikroskop (wie die Weiche Gewebehaut) sind nur einige Arten bestimmbar.