Pilz des Monats November 2019: Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus)
Dieser vielerorts seltene, recht wärmeliebende Pilz ist uns 2019 zweimal begegnet – zunächst beim Pilzseminar in Rheinland-Pfalz (Kurs Giftpilze-Syndrome, auch Prüfungskurs zum PSVDGfM in Fischbach bei Dahn), wo er an einer relativ eng begrenzten Stelle eines Buchenwaldes über Buntsandstein in der gefunden wurde, und zwar reichlich fruchtend, ca. 50 Exemplare. Danach (nur mir) begegnete mir der Pilz noch beim Laubwaldpilze-Kurs in Regensburg, wo er von Kursteilnehmern aus einem Buchenwald über Jura-Kalk mitgebracht wurde. Über die Bodenansprüche, die L. gentianeus benötigt, bin ich mir etwas im Unklaren, denn unser letzter reichlicher Fund der Art aus der Algarve (Portugal) stammt wie der aus der Pfalz aus einem eher sauren Habitat. Aber über wärmeliebende Pilze ist ja bekannt, dass manche von ihnen in nicht so warmen Regionen auf Kalkböden beschränkt sind (denn Kalk kann mehr Wärme speichern als andere Gesteine, z.B. Granit oder Sandstein) und sich „im Warmen“ bodenvag verhalten.
Der Bittere Krempenritterling (ich sage nicht so gerne Krempentrichterling, denn zum Einen hat unser Pilz und seine nächsten Verwandten eher Ritterlings-Habitus, zum Anderen ist der Riesen-Krempentrichterling Leucopaxillus giganteus nicht so nah verwandt und sollte eher als Aspropaxillus giganteus generisch abgetrennt werden) ist wie gesagt eine relativ seltene Art (wobei selten eher eine Frage des Suchgebietes ist …) und außerdem unter Pilz-Sammlern wenig bekannt. Dabei ist die Art nicht so schwer zu erkennen. Der trockene Pilz mit seinem schönen warmen Braunton auf dem Hut hat meist eine (manchmal allerdings fehlende) typische Rippung des Hutrandes, ein Merkmal, das ihn zugegebenermaßen mit einigen Ritterlingen im engen Sinne, aus der Gattung Tricholoma, verbindet (z.B. Gerippter Ritterling Tricholoma acerbum), trockene Fruchtkörper tendieren auch zum Aufreißen der ohnehin völlig trockenen Hutdeckschicht). Zieht man L. gentianeus aus dem Boden, bleiben (im Gegensatz zu den mykorrhizischen Tricholoma-Arten) reichlich Laubstreu- und andere Reste an der Stielbasis hängen – ein Argument für saprobiontische Lebensweise (und so wird die Art und die ganze Gattung in der Literatur meist geführt – zu Recht?). In der Tat ist (soweit ich weiß) noch unklar, wie die Lebensweise von Leucopaxillus (im engen Sinne) ist – denn die Pilze sind tatsächlich sehr nahe mit Tricholoma verwandt, und mancher Saprobiont erwies sich in jüngerer Zeit als doch (auch) mykorrhizisch, wie z.B. die Gattung Rhodocollybia.
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus) - Deutschland, Rheinland-Pfalz, unweit Fischbach bei Dahn, "Hohe List", Buchenwald über Buntsandstein, saurer Boden, ca. 50 Frk. auf engem Raum in der Laubstreu, 16.10.2019, leg. Pilzseminar Giftpilze-Syndrome mit Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus), Portugal, Algarve, nw. Monchique, Hang zum Foia, in Korkeichenwald auf (mäßig) saurem Schieferboden, reichlich fruchtend an mehreren Stellen, am 27.12.2017, leg,, det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Es gibt aber noch weitere Merkmale, die die Art schon makroskopisch auszeichnen. Zum Einen das namen-gebende: die Art schmeckt deutlich bitter und ist somit ungenießbar. Aber nicht nur ungenießbar, sondern auch giftig, denn der Bitterstoff ist Cucurbitacin, der Bitterstoff der Gurken und Zucchini, der vor allem bei Wildformen und Rückkreuzungen verstärkt auftritt. Mit Cucurbitacin gab es vor Kurzem sogar Todesfälle, als ein älteres Ehepaar im Garten gezogene (und offenbar rück-verwilderte) Zucchini trotz ihrer Bitterkeit aßen und sogar eine Person daran starb. Man muss aber dazu sagen, dass im höheren Alter der Bitterstoff nicht mehr sehr stark geschmeckt wird, und es außerdem wegen gewisser Vor-Erkrankungen Komplikationen gab, und dass für Personen mit noch halbwegs funktionierendem Geschmacks-Empfinden eine gefährliche Vergiftung mit Cucurbitacin unwahrscheinlich ist (ich erinnere mich, auch schon etwas bittere Zucchini aus dem Supermarkt trotzdem gegessen zu haben).
Und dann das Sporenpulver. Es ist wie bei Ritterlingen schön rein weiß – aber mit einer interessanten Eigenschaft: es färbt sich in jodhaltigen Reagentien (wie Lugolsche Lösung oder Melzers Reagens) stark violettschwarz an, eine amyloide Reaktion (auch die Stärke, lat. Amylon, färbt auf ähnliche Weise mit Jod). Dies kann man schon makroskopisch gut nachweisen, indem man eine kleine Menge Sporenpulver in die Jodlösung überführt. Unter dem Mikroskop sieht man noch mehr Details: die Sporen färben nicht als Ganzes amyloid, sondern nur ihr Sporen-Ornament – relativ deutlich ausgebildete feine Warzen bzw. Stächelchen. L. gentianeus hat auch (relativ unauffällige) Cheilozystiden, die ich hier nicht dokumentiere.
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus), Portugal, Algarve, nw. Monchique, Hang zum Foia, in Korkeichenwald auf (mäßig) saurem Schieferboden, reichlich fruchtend an mehreren Stellen, am 27.12.2017, leg,, det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie das in Lugolscher Lösung (IKI) violettschwarz verfärbte (vorher weiße) Sporenpulver! |
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus), Portugal, Algarve, nw. Monchique, Hang zum Foia, in Korkeichenwald auf (mäßig) saurem Schieferboden, reichlich fruchtend an mehreren Stellen, am 27.12.2017, leg,, det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - Sporen in Melzers Reagens: beachten Sie die tiefblaue Verfärbung des Ornamentes (feine Bestachelung)! |
Insgeamt ist der Bittere Krempenritterling eine gut kenntliche Art – und 2020 scheint sie ein gutes Jahr zu haben (?). Es lohnt sich vielleicht, noch das restliche Jahr auf diese Art zu achten.