Pilz des Monats Januar 2019: Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus)
Anm.: Der deutsche Name wurde eben hier von mir "erfunden" :-)
Die Gattung Cortinarius, die Schleierlinge, gelten seit jeher als besonders schwierige Pilzgattung – nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass die Gattung nahezu uferlos ist, extrem artenreich. Dazu kommt, dass die makroskopischen Farbmerkmale sehr wichtig sind, auf der anderen Seite aber auch extrem flüchtig – d.h. wenn man nicht auch junge Fruchtkörper zur Verfügung hat und man die Farben von Lamellen, Fleisch, Hut, Stiel und Velum in frischem Zustand bearbeiten kann, dann sind Bestimmungsversuche oft eher Zeitverschwendung. Dazu kommt, dass Mikromerkmale eher spärlich sind – natürlich die Sporengröße und ihr Ornament, dazu Inkrustationen auf Hyphenwänden, aber z.B. Zystiden fehlen den meisten Schleierlingen, wodurch schon einmal ein sonst bei Lamellenpilzen oft hilfreicher mikroskopischer Merkmalskomplex (weitgehend) ausfällt.
Schon immer gab es deshalb auch viel Verwirrung um die Deutung von Schleierlings-Namen und viele Änderungen und unterschiedliche Ansichten je nach Autor. Daran beginnt sich – wie auch sonst im Pilzreich – derzeit einiges zu ändern, denn die molekulare Untersuchung von immer mehr Schleierlingsproben deckt viele alte Irrtümer auf und ermöglicht neue Art- und Sektions-Abgrenzungen. Allerdings wird es noch einige Zeit brauchen, bis man wirklich mehr weiß und auch der „Normal-Sterbliche“ vielleicht der Möglichkeit zu korrekteren Schleierlings-Bestimmungen näher rückt. Und so hat sich jüngst eine Möglichkeit für mich ergeben, eigenen Schleierlings-Kollektionen solchen DNA-Sequenzierungen zuzuführen – allerdings wird es noch länger dauern, bis sich daraus (falls überhaupt) klare Ergebnisse ergeben werden. Im Zuge dieser Zusammenarbeit zeigte ich dem Freiburger Schleierlings-Fachmann Günter Saar auch Fotos einer Art, die mir schon länger Kopfzerbrechen bereitet – und von der bereits zwei DNA-Sequenzen vorliegen, durchgeführt von meiner Frau Katharina anlässlich ihres Fachberater-Seminares an der Universität Frankfurt im Februar 2017 (vgl. hierzu den Beitrag über Musumecia bettlachensis: http://www.pilzkunde.de/index.php/pilz-des-monats/pilz-des-monats-2017?start=9). Hierzu später gleich noch mehr.
Insofern traue ich mich heute (auch wenn es etwas mutig und vielleicht auch etwas voreilig ist), einen wenig bekannten Schleierling – aus der Untergattung der Hautköpfe (Dermocybe) – als Pilz des Monats vorzustellen – eine Art, die ich in den letzten Jahren im Schwäbisch-Fränkischen Wald und im Albvorland von Ost-Baden-Württemberg mehrfach in Nadelmischwäldern fand und die ich mit „normaler Literatur“ nicht wirklich bestimmen konnte.
Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 21.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden (zwischen dem Moos Rhytidiadelphus loreus und mit Wald-Sauerklee), leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), conf./rev. Günter Saar (anhand Foto), Foto Lothar Krieglsteiner |
Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 26.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden (zwischen dem Moos Rhytidiadelphus loreus), leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), Foto Lothar Krieglsteiner |
Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 28.9.2013, Anstieg zur Schwäbischen Alb (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Schwäbisch Gmünd, Weiler i.d. Bergen, "Költ", unter Fichte und Tanne in kleiner Parzelle inmitten von mesophilem Buchenmischwald, zwischen dem Moos Eurhynchium striatum, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), Foto Lothar Krieglsteiner |
Sporenfoto zu: Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 21.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), conf./rev. Günter Saar (anhand Foto), Foto Lothar Krieglsteiner - Die Sporenmaße ermittelte ich mit ca. 6-7,5/3,5-4,5 µm etwas kleiner als in der Literatur für C. pseudofervidus angegeben - dies würde ich aber "nicht zu hoch hängen". |
Sporenfoto zu: Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 21.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), conf./rev. G. Saar (anhand Foto), Foto Lothar Krieglsteiner - |
Wie ich dann doch bereits selbst zum (fast) richtigen Namen als „Arbeitstitel“ kam, nämlich zu Cortinarius fervidus, kann ich heute gar nicht mehr sagen, denn die Abbildungen in Internet und Literatur ähneln meinem Fund nur relativ begrenzt, so z.B. die bei Brandrud & al. in Cortinarius, Flora Photographica 1 – oder auch bei Bidaud & al. 2017 (Atlas des Cortinaires Teil 24, 2017 – bei den Abbildungen dort erscheint mir Cortinarius ominosus Bidaud am Ähnlichsten), allerdings gilt der Atlas des Cortinaires unter den Schleierlings-Forschern als unseriöse Publikation. Nun – wie ich schon sagte, liegen bereits 2 DNA-Sequenzen vor – allerdings habe ich „dummerweise“ nur von 2 der 3 Fundstellen Belege angefertigt – und ebenfalls nur von 2 der 3 Funde Standortsfotos (so ist es eben manchmal in der Saison, wenn die Funde während anstrengender Seminare statt finden). Nun – wie auch immer: der best-dokumentierte Fundort ist der vom „Hafental“ bei Alfdorf-Hintersteinenberg, denn von dort gibt es Exsikkat plus passable Standortsfotos. Und das DNA-Ergebnis? – landet ganz in der Nähe von C. idahoensis, einer (zumindest nach schnellem Googeln) gelb-lamelligen Art. Vielleicht ist die Sequenz nicht gut geglückt. Der zweite Beleg (bei Alfdorf-Burgholz, leider ohne Foto, aber in meiner Erinnerung genauso aussehend) landet DNA-technisch nahe beim Typus von Cortinarius rubrobrunneus (eine aus Kanada beschriebene, hauptsächlich durch geringe Unterschiede in der DNA abweichende Art). Und Günter Saar sagte zu meinem Foto (vom „Hafental“): „ist sehr wahrscheinlich fervidus (jetzt pseudofervidus), die Schwesterart zu rubrobrunneus“. Womit wir doch einige Klarheit in ein Feld voller Unklarheit gebracht hätten. Auf alle Fälle habe ich vor, diesen Pilz wieder zu finden und dann besser zu dokumentieren. Er ähnelt am Ehesten dem Blutroten Hautkopf (C. sanguineus) oder dem Blutblättrigen H. (C. semisanguineus), vom Ersten unterscheidet er sich schon durch die gelben Stiele und andere Rottöne – genauso wie vom Zweiten, der eher olivbraune Hutfarben aufweist. Gewisse Ähnlichkeiten kann man durch die weinrote Färbung des Hutes auch mit C. anthracinus sehen, aber die sind schon eher marginaler Natur. Auf alle Fälle: ein interessanter Hautkopf, der offensichtlich wenig bekannt ist. Vielleicht wird Katharina auch irgendwann klären können, wie gut er im Vergleich zu den genannten Arten zum Wolle-Färben geeignet ist 😊