Pilz des Monats Juli 2019: Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme, auch Calvatia utriformis, Hankea utriformis und neuerdings Bovistella utriformis, in älteren Büchern meist als Calvatia caelata)
Der Hasenbovist - oder besser Hasen-Stäubling, denn er hat ja einen ausgeprägten sterilen Stielteil – hat die Gattungs-Zugehörigkeit in der Vergangenheit gewechselt wie viele Menschen ihre Unterhose (wobei der arme Pilz hier natürlich nichts dafür kann). Ich halte mich namens-technisch an die Darstellung in Jeppson (2018: Puffballs of Northern and Central Europe), wo die Art in Lycoperdon, also bei den „normalen“ Stäublingen geführt wird, ebenso wie der Beutel-Stäubling (L. excipuliforme, vormals Calvatia e.) und der Wiesen-S. (L. pratense, vormals Vascellum p.). In der Tat sind es nur subtile makroskopische (z.B. das Fehlen einer definierten Öffnung bei Calvatia) - und mikroskopische Unterschiede (auf die ich hier und heute nicht eingehe), die die bisherigen Gattungen ausmachten – sie erinnern an das bekannte „Schubladen-Ziehen“, das für den menschlichen Vestand ja so typisch ist.
Im Index of Fungi heißt die Art momentan Bovistella utriformis – und auch Jeppson weist auf die nahe Verwandtschaft zu Lycoperdon radicatum (Bovistella radicata), der Typus-Art der nun wieder akzeptierten Gattung Bovistella hin. Die Autoren, die die Kombination vollzogen (Demoulin & Rebriev 2017), argumentieren allerdings rein morphologisch und fügen keine DNA-Analyse zur Unterstützung ihrer Meinung bei. Insofern bin ich der Meinung, dass diese (momentan) ignoriert werden kann.
Nun – Hasenboviste sind makroskopisch in aller Regel gut erkennbar durch die mit bis zu 18 cm Höhe und Breite sehr groß werdenden (nur der Riesenbovist ist deutlich größer), rundlich kreiselförmigen Fruchtkörper mit zumindest in zunehmendem Alter meist deutlich felderig aufreißender Exoperidie. Diese ist in ihrer Ausgestaltung aber sehr variabel (und es könnte sich noch um eine Sammel-Art handeln!), denn man findet Exemplare mit ausgeprägten, wenn auch kleinen, einander zuneigenden Stacheln (die bald abfallen), aber auch solche mit breiten, polygonalen Warzen. Deswegen wurden auch Varietäten beschrieben, die aber (derzeit) nicht als klar abtrennbar angesehen werden (var. gruberi und var. hungaricum – auf die Schnelle konnte ich nicht eruieren, für welche Merkmale die beiden Varianten, die heute von allen Autoren synonymisiert werden, stehen).
Hasen-Stäubling bzw. Hasenbovist (Lycoperdon utriforme) am 17.5.2014, NSG "Volkmarsberg" bei Oberkochen (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), magere Heide über Kalk, oberflächlich versauert. Junger Fruchtkörper mit felderiger Oberfläche. Leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), junge Fruchtkörper mit grobwarzig-felderiger Oberfläche. Gefunden am 19.6.2019 im LSG "Erpfenhausener Heide" bei Gerstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), leg., det. Bernd Fellmann, Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Auf dem Bild u.a. auch zu sehen: Echtes Labkraut (Galium verum) |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), junge Fruchtkörper mit stacheliger Oberfläche. Fruchtkörper im Schnitt weiß (essbar!). Gefunden am 10.9.2007 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese. Leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Mit auf dem Foto z.B. Mausohr-Habichtskraut (Hieracium pilosella agg.). |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), junge Fruchtkörper mit grob warziger Oberfläche, seitlich. Fruchtkörper im Schnitt weiß (essbar!). Gefunden am 30.9.2008 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese. Leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), etwas bräunliche Form mit grob warzig-stacheliger Oberfläche. Gefunden im Nationalpark Eifel (Nordhrein-Westfalen) bei Wüstung Wollseifen auf saurer Magerwiese, am 26.9.2017, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), junge Fruchtkörper mit grob warzig-stacheliger Oberfläche. Gefunden am 10.9.2007 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese,leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), junger Fruchtkörper mit felderiger Oberfläche sowie alter Fruchtkörper mit noch etwas Capillitium und Sporenmasse im sterilen Stiel-Becher. Gefunden am 19.6.2019 im LSG "Erpfenhausener Heide" bei Gerstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), leg, det., B. Fellmann, Kathairna & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Auf dem Bild u.a. auch zu sehen: Mausohr-Habichtskraut (Hieracium pilosella agg.) |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), ältere Fruchtkörper mit warzig-felderiger Oberfläche. Gefunden am 30.9.2008 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), alte Fruchtkörper mit felderiger Oberfläche. Gefunden am 18.9.2014 im NSG "Stöckelberg" bei Söhnstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg) in saurer Heide (Gentiano-Koelerietum agrostietosum), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Mit auf dem Bild z.B. Besenheide (Calluna vulgaris). |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), Alter, vorjähriger und ausgestäubter Fruchtkörper (steriler Stielteil). Gefunden im Nationalpark Eifel (Nordhrein-Westfalen) bei Morsbach auf saurer Magerwiese, am 24.3.2015, leg., det. Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), alter Fruchtkörper mit noch etwas Capillitium und Sporenmaße im sterilen Stiel-Behcer. Gefunden am 19.6.2019 im LSG "Erpfenhausener Heide" bei Gerstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), leg., det. Bernd Fellmann, Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Auf dem Bild u.a. auch zu sehen: Echtes Labkraut (Galium verum) |
Hasenboviste sind wie alle Weichboviste (früher O. Lycoperdales, F. Lycoperdaceae innerhalb der Bauchpilze, Unterklasse Gastromycetidae der Ständerpilze) jung essbar – eben so lange, wie sie innen rein weiß sind. Ein Bauchpilz muss ja, um die reifen Sporen (die in Masse in etwa olivbraun sind) stäuben zu lassen, fast alle anderen Zell-Reste im Inneren (so etwa die Ständer und die sie bildenden Hyphen) auflösen, damit (neben dem Capillitium) nur noch Sporenmasse übrig bleibt, die eben stäuben kann. Deswegen sind schon im Reifen begriffene Pilze (die dann innen gelb und schließlich grünlich werden) nicht mehr in gutem kulinarischem Zustand, denn die Farb-Änderung zeigt die Bildung reifer Sporen und den Beginn der Autolyse der Fruchtschicht an. Bei einem Champignon ist das etwas anderes. Womit wir bei der Verwandtschaft sind. Die Weichboviste gehören heute (wie übrigens auch die Teuerlinge, die als Sammelfruchtkörper winziger Weichboviste angesehen werden können) zur Familie Agaricaceae (O. Agaricales), also (wie übrigens auch einige Keulenpilze, einzelne Rindenpilze sowie alle cyphelloiden Pilze) zu der Ordnung, die wir bisher als Faserblätterpilze kannten. Noch einmal zur Essbarkeit: man hört sehr Verschiedenes über den Speisewert des Hasen-Stäublings (und ich muss zugeben: ich habe ihn noch nie probiert). Liest man bei 123pilze nach (und diese Seite ist für Speisewert-Beurteilungen, kaum aber für Fakten darüber hinaus, wirklich kompetent), dann findet man „mild, angenehm, im Alter unangenehm karbolartig“ sowie „guter Speisepilz, gut geeignet zum Panieren und Braten, dennoch nicht für jeden schmackhaft“. Nun ja ….
Wo finden wir Hasenboviste? Als ich noch jung war, hätte ich gesagt: häufig auf sauren oder mäßig sauren Wiesen und Tier-Weiden! Denn damals waren noch viele Wiesen extensiv genutzt oder nur von wenigen Schafen oder Rindern beweidet, ohne zusätzliche Düngung und Zufütterung. Und damals fanden wir den Hasen-Bovist noch vielerorts. Heute kann der Hasenstäubling als ein gefährdeter Magerwiesen-Pilz betrachtet werden. In der Roten Liste der Pilze Deutschlands wurde die Art bis vor Kurzem als „gefährdet“ (3) bewertet - in der neuesten Ausgabe wird die Art dagegen nicht mehr mit einer Gefährdungs-Kategorie versehen (!). Meines Erachtens eine klare Fehl-Einschätzung. Von meinem Wohnort aus muss ich doch recht weit fahren, um eine Wiese zu finden, wo die Art noch vorkommt. Wo Gülle oder Kunstdünger (vor allem, es genügt aber auch Stallmist) ausgebracht werden oder wo diese auch nur in der Umgebung so konzentriert ausgegeben werden, dass mehr als nur Spuren in einem Gebiet ankommen, wird man den Hasenstäubling nicht mehr finden. Deshalb ist er heute fast nur noch in Naturschutzgebieten (NSG) zu finden, die auf Bergkuppen und/oder Waldlichtungen liegen und in denen keine Landwirtschaft mit Düngung statt findet. Sie werden vermutlich denken, das sei doch in allen Naturschutzgebieten so? Leider irren Sie da, denn das deutsche Naturschutzgesetz beinhaltet den sogenannten Bestandsschutz der Nutzung, der es ermöglicht, dass sogar „konventionelle“ Landwirtschaft innerhalb von NSG statt finden darf, wenn es schon früher so war. Ein absoluter Anachronismus – unglaublich! Man würde sich wünschen, dass dies endlich einmal thematisiert wird und möglicherweise sogar Stimmen laut werden, die ein Ende dieses Lobby-Gesetzes fordern. Derzeit ist darauf allerdings nicht zu hoffen, denn noch nicht einmal die durchaus lobenswerten Volksbegehren zum Bienen-Schutz fordern etwas „so Weitgehendes“. Für die Zukunft des Hasenstäublings (und einer großen Zahl anderer Pilze, Blütenpflanzen und Insekten) sieht es also nicht gut aus.