Pilz des Monats Oktober 2019 – Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea – auch B. violascens, Violetter Weißspor-Stacheling)
Diesen Pilz, den ich als Kind und Jugendlicher (sagen wir vor ca. 35-45 Jahren) mehrmals auf Tagungen in den Alpen oder auch auf Pilztreffen in der Heimat aus Herkünften von der Östlichen Schwäbischen Alb zu sehen bekam (naturgemäß habe ich davon weder Aufzeichnungen noch sehr konkrete Erinnerungen), fand ich – mit Katharina – vor wenigen Tagen erstmals selbst an einem Natur-Standort; vorher hatte ich die Art schon 2015 gesehen (vgl. Fotos unten) – am Fundort in Kärnten verdanke ich die selbst geschossenen Fotos der Vermittlung des orts-ansässigen Mykologen Matthaeus Koncilja. Also – eine doch ziemlich seltene Art, die aber „früher“ einmal etwas häufiger zu finden war. Nun – da ist die Art kein Einzelfall, das muss man heute leider so sagen. Woran aber liegt der Rückgang von B. cinerea? Dazu hilft es vielleicht, wenn ich die direkten Begleitpilze beim aktuellen Fund (in einem Urwaldrest im Nationalpark Bayerischer Wald) aufzähle: Schwarzweißer Korkstacheling (Phellodon melaleucus), Scharfer Korkstacheling (Hydnellum peckii), Schaf- und Semmelporling (Albatrellus ovinus und A. confluens) sowie Duftender Leistling (Cantharellus lutescens).
Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea alias B. violascens, Phellodon violascens, Violetter Weißspor-Stacheling), 2 junge, frische Fruchtkörper am 10.9.2019 im NSG "Mittelsteighütte" bei Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald, an Bachufer unter Fichte, Tanne und Buche, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea alias B. violascens, Phellodon violascens, Violetter Weißspor-Stacheling), ältere Fruchtköroer an mehreren Stellen, am 23.10.2015, Österreich, Kärnten, Sattnitz, "Turia-Wald", unter Fichten auf Kalk, leg., det. Matthaeus Koncilja (& Lothar Krieglsteiner), Fotos Lothar Krieglsteiner |
Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea alias B. violascens, Phellodon violascens, Violetter Weißspor-Stacheling), am 10.9.2019 im NSG "Mittelsteighütte" bei Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald. Die sehr kleinen hyalinen Sporen (Grenze meiner Foto-Mikroskopie ...) sind fein, aber deutllich stachelig (Foto Lothar Krieglsteiner) |
Alle gehören zu der Gruppe von Mykorrhizapilzen, die „im flachen Land“ überall aufgrund von Nährstoff-Einträgen (und anderen Biotop-Veränderungen) zurückgehen und vielerorts – abseits der „geschützten“ Lagen in Nationalparks u.a. – bereits verschwunden sind. B. cinerea kann dabei – wie aus der Liste auch Cantharellus lutescens – als Basenzeiger gelten, der auf die örtlich angereicherten Basen-Verhältnisse in Bachnähe hinweisen (der Bayerische Wald gilt etwas zu Unrecht überall als „quietsche-sauer“). Der Violette Fleischstacheling wird in der Roten Liste der Pilze Deutschlands als „stark gefährdet (2)“ klassifiziert.
Schon am Fundort fiel uns der Geruch des frischen Pilzes (wir entnahmen einen von zwei gefundenen) auf – angenehm süßlich, fast vanille-artig. Später, beim Trocknen, kippt dieser Geruch zu eher liebstöckel-artig, maggi-artig, wobei selbst am Exsikkat noch eine feine süßliche Komponente wahrnehmbar ist. Das weiche, brüchige, mild schmeckende Fleisch ist im Schnitt deutlich zoniert. Mikroskopisch sind die mit rund 5 µm sehr kleinen, hyalinen, stacheligen Sporen typisch.
Der Fundort ist ein extrem hochwertiges NSG im zentralen Bayerischen Wald. Neben zahlreichen Totholz-Pilzen ersten Ranges (z.B. Phellinidium pouzarii, Climacodon septentrionalis, Protodontia piceicola u.v.a., von den zahlreichen Stachelbärten an Tanne und Buche mag man gar nicht reden) sind aber auch – vor in randlichen Lagen an den beiden begrenzenden Bächen – spannende Mykorrhizapilze zu finden, wie der Beitrag hier beweist. Mit der extrem seltenen Rundspor-Lorchel Pseudorhizina sphaerospora habe ich schon einmal einen Pilz des Monats aus dem NSG Mittelsteighütte gebracht – diese Art kenne ich nur von diesem Fundort.
Bankera cinerea steht heute alleine in einer Gattung. Die mir als Kind noch als Sarcodon violascens bekannte Art wurde aufgrund der hyalinen Sporen vom Habichtspilz getrennt und – mit S fuligineoalbus – in die neue Gattung Bankera gestellt. Heute scheint es so zu sein, dass die Trennung von Phellodon (hellsporige Korkstachelinge) molekular nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Kombination Phellodon cinereum liegt jedoch noch nicht vor (? – aber P. violascens). Hydnum cinereum Bull. 1789 hat (bei angenommener Identität) Priorität vor Hydnum violascens Alb. & Schwein 1805 – damals wurden alle gestielten Stachelinge noch als Verwandte des Semmelstoppelpilzes (Hydnum repandum, O. Cantharellales, also Verwandte des Pfifferlings) angesehen. Alle Kork- und Fleischstachelinge der Gattungen Sarcodon, Hydnellum, Phellodon und (sofern noch akzeptiert) Bankera stehen heute in O. Thelephorales (also Verwandte von Erdwarzenpilz und Lederkoralle).