Pilz des Monats Juni 2019 – Glimmertintling (Coprinellus micaceus)
Tintlinge (im weiten Sinn) sind durch ihr (±) schwarzes Sporenpulver und die radial faltigen, plissierten Hüte (nicht so beim Schopftintling und seinen nahen Verwandten, Gattung Coprinus s.str.) gut erkennbar – aber heute gibt es mehr als nur eine Gattung von Tintlingen. Die Gattung Coprinellus (auch Parasola – dort gibt es weder Haare noch Velum) ist durch eine hymeniforme Huthaut charakterisiert (mit aufrecht stehenden Zellen), die makroskopisch den glatten, fein „glimmerigen“ Eindruck vermittelt. Ein Hymeniderm haben z.B. auch Samtellerlinge, Samtritterlinge, Sammethäubchen und Ackerlinge. Dazu kommen bei den meisten Arten (nicht bei C. micaceus und seinen nahen Verwandten) Haare (Pileozystiden) auf der Huthaut, die bei den anderen Tintlingsgattungen fehlen. Die Gattung Coprinopsis („Flockentintlinge“) haben wie die Coprinellus micaceus-Gruppe ein (meist viel üppigeres) Velum, aber eine Huthaut vom Typ Cutis, die makroskopisch eher einen radial-faserigen Eindruck vermittelt.
Der Glimmertintling selbst ist ein häufiger Pilz, der schon früh im Jahr (etwa ab Ende März) bis in den Spätherbst an Laubholzresten gefunden werden kann – direkt an diesen oder scheinbar auf dem Erdboden an vergrabenem Holz. Er ist ein Saprobiont (Folgezersetzer) und Weißfäule-Erreger. Typisch sind neben dem fein gesprenkelten Velum (s.u.), das natürlich schnell vom Regen abgewaschen wird, durch (meist) büscheliges oder auch dicht-rasiges Wachstum (nur gelegentlich finden man Einzel-Fruchtkörper), weiße Stiele (das haben auch fast alle anderen Tintlinge) und die zunächst kegeligen, gelb- bis rotbraunen Hutfarben. Rötlichbraune Hüte weisen eher auf frische, saftige, gelbliche auf ausgetrocknete, ältere Fruchtkörper hin. Erst bei älteren Fruchtkörpern sieht man die plissierte Huthaut (so bei allen Arten von Coprinellus, Coprinopsis und Parasola) gut, dann werden die Fruchtkörper auch zunehmend schwärzlich überfärbt, durch die Abgabe von Sporenpulver. Glimmertintlinge zerfließen im Übrigen bei Reife kaum nennenswert (das tun aber auch längst nicht alle Tintlinge aus den anderen Gruppen).
Die Bestimmung des Glimmertintlings ist allerdings gar nicht so banal, denn es gibt ein paar sehr ähnlich aussehende Arten. Zum einen die Arten aus der Gruppe des Haus-Tintlings (C. domesticus – dazu C. xanthotrix, C. bipellis, C. radians und C. flocculosus), die im Zweifelsfall mikroskopisch durch andere Velum-Struktur und Sporen unterschieden werden können. Diese Arten (alle?) bilden meist ein braunes Luftmyzel, das auch Ozonium genannt wird, und das für den Glimmertintling meist nicht angegeben wird. Ein Irrtum – C. micaceus bildet durchaus (gelegentlich) ein Ozonium, von dem ich hier ein Foto zeige.
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Luftmyzel (Ozonium) - 6.10.2012, Hessen, Vogelsberg, "Taufstein", an Buchenholz, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Die genannten anderen Arten wachsen aber selten in so großen und dichten Büscheln, wie sie für den Glimmer-Tintling typisch und normal sind.
Glimmer-Tintlng (Coprinellus micaceus) an Laubholzstam - 20.9.2015, Baden-Württemberg, Biosphären-Reservat Schwäbische Alb unweit Münsingen, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Gschwend, "Seebachtal" am "Bergsee", an Laubholzresten im Boden in Buchen-Tannen-Mischwald, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - jüngere, frische Fruchtkörper mit dem fein gesprenkelten Velum |
Glimmer-Tintlinjg (Coprinellus micaceus) an Laubholzresten, Hessen, unweit Sulzbach am Taunus, am 19.5.2013, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner - jüngere, aber trockene Fruchtkörper mit dem typischen fein gesprenktelten Velum |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus) an Laubholz im Boden, Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Frickenhofer Höhe nw. Birkenlohe, Waldrand an vergrabenem Laubholz,, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner - angetrocknete, gelblich-blasse Fruchtkörper. Die Hutoberfläche erscheint matt-glimmerig-samtig. Dies entspricht der hymenidermalen Huthaut (keine faserige Cutis). |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus) an Laubholz im Boden, Baden-Württemberg, Stuttgart-Bad Cannstatt, Parkanlage, 1.11.2016, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - die gefaltet-plissierte Hut-Oberseite kommt bei älteren Fruchtkörpern besonders gut zum Ausdruck |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Adelmannsfelden, "Hinterwald", am Boden an vergrabenem Holz bei Buchen in Laubmischwald, leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - jüngere und ältere, von Sporen dunkel gefärbte Fruchtkörper |
Glimmer-Tintlng (Coprinellus micaceus) an Laubholzstam - 20.9.2015, Baden-Württemberg, Biosphären-Reservat Schwäbische Alb unweit Münsingen, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - Detail des Velums der Hut-Oberfläche junger Fruchtkörper |
Es gibt aber einen ganz einfachen Trick, um Glimmertintlinge auch von den sehr ähnlichen Arten makroskopisch zu unterscheiden. Ab Ende 40/Anfang 50 (ich bin also schon betroffen ☹) benötigt man dazu eine gute Lupe. Nun – C. micaceus hat am Stiel recht lange Kaulozystiden bzw. Haare, die als feiner Flaum gut erkennbar sind. Die Stiele von C. truncorum und C. saccharinus sind glatt.
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg ö. Stuttgart, Winnenden-Breuningsweiler, "Zipfelbachtal", Obstbaumwiese an vergrabenem Laubholz, am 20.5.2019, leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Die Detail-Aufnahme zeigt die langen Stiel-Zystiden (Kaulozystiden) - mit einer Lupe gut sichtbar |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Nordrhein-Westfalen, Nationalpark Eifel, am 8.11.2013, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Die Detail-Aufnahme zeigt die langen Stiel-Zystiden (Kaulozystiden) - mit einer Lupe gut sichtbar |
Frische Glimmertintlinge tragen also das typische fein-gesprenkelte Velum, das sehr ähnlich auch bei den eher seltenen Arten C. truncorum und C. saccharinus aussieht. Diese haben unter dem Mikroskop eher ovale bis ellipsoidische Sporen, während die des Glimmertintlings typischerweise zumindest zum Teil deutlich mitra-förmig aussehen.
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg ö. Stuttgart, n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald bei Gschwend, am 16.5.2019, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Katharina Krieglsteiner. Das Foto zeigt sehr schöne Sporen-Tetraden (Aufsicht auf 4-sporige Ständer). Ferner erkennt man gut den zentralen Keimporus. |
Glmmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Sachsen, Auwald Leipzig, am 12.10.2018, Pilzkurs mit Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner.. Das Foto zeigt die teils deutlich mitra-förmigen Sporen Auch hier ist der deutliche Keimporus erkennbar (diesmal in Seiten-Ansicht). |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg ö. Stuttgart, n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald bei Gschwend, am 16.5.2019, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Katharina Krieglsteiner. Das Foto zeigt die Huthaut vom Typ des Hymeniderms (bzw. Cystoderm) im Schnitt - die Aufnahme zeigt nach unten. Die runden Zellen in Aufsicht ergeben makroskopisch den glatten, "glimmerigen" Eindruck - nicht radial faserig! |
Die obigen Zeilen deuten ja darauf hin, dass Tintlinge keine ganz so einfache Gattung sind – dies trifft auch für die anderen Gruppen durchaus zu. Wie steht es nun aber mit dem Speisewert des Glimmertintlings. Wenn man „googelt“, findet man zum einen, dass die Art als Suppenpilz gut geeignet sei, zum anderen aber, die Art sei giftig in Verbindung mit Alkohol, enthielte also das vom Faltentintling (und Specht-Tintling, ganz geringfügig auch vom Schopf-Tintling) her bekannte Coprin, das den Abbau des Alkohols auf der Stufe des Azetaldehyds blockiert, also indirekt eine Azetaldehyd-Vergiftung verursacht. Glaubwürdige Seiten schreiben aber etwas anderes – nämlich die Tatsache, dass niemals Coprin in Glimmertintlingen nachgewiesen wurde, ferner auch, dass durchaus Glimmertintlings-Mahlzeiten zusammen mit Alkohol gut vertragen wurde. Es sieht hier also mal wieder nach einer Art unbegründeter Sippenhaft aus.
Ich muss zugeben, dass ich den Glimmertintling bisher nie probiert habe. Das werden wir bei Gelegenheit nachholen.