Pilz des Monats Dezember 2019 - Goldporiger Röhrling (Aureoboletus gentilis)
Jeder Pilzkenner, der sich länger mit Pilzen beschäftigt, wird fest stellen, dass es Pilzarten gibt, die er verglichen mit anderen erstaunlich häufig findet und nicht richtig verstehen kann, dass andere Pilzkenner bei ihrem Fund so richtig "aus dem Häuschen" sind - auf der anderen Seite gibt es Pilzarten, die einem scheinbar "aus dem Weg zu gehen". Solche Pilze sind für mich z.B. der Parasitische Scheidling (Volvariella surrecta) - ich sah ihn erst letztes Jahr zum ersten Mal am Standort, gezeigt von Rudi Markones in der Nähe von Würzburg. Eine andere Art, die ich sehr selten sehe (vielleicht bisher wenn es hochkommt 10mal in meinem Leben) ist der Goldporige Röhrling (Aureoboletus gentilis) - und dieses Jahr sah ich ihn zweimal, was aus meiner Erinnerung heraus ein Rekord ist :-)
Der Goldporige Röhrling (Aureoboletus gentilis - früher war er als Pulveroboletus cramesinus) bekannt) gilt als wärmeliebende Art der Laubwälder (Buchenwälder und Eichen-Hainbuchen-Wälder), als Mykorrhizapilz vor allem von Eiche, Hainbuche und Buche. Im Gegensatz zu vielen anderen wärmeliebenden Röhrlingen (z.B. aus dem Bereich der Dickfuß-Röhrlinge) bildet er seine Fruchtkörper aber nicht vor allem in der warmen Spätsommer-Saison, sondern kann durchaus auch noch ganz spät im Jahr gefunden werden. Die Art ist insgesamt recht selten, was sich auch in ihrer Bewertung als Rote-Liste-Art (für Deutschland als "gefährdet", 3, klassifiziert) niederschlägt.
Goldporiger Röhrling (Aureoboletus gentilis) bei Kallmünz (Deutschland, Bayern, Fränkischer Jura nw. Regensburg), in Buchenwald über weißem Jura, 2 Frk., leg. PIlzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner am 25.10.2019 |
Goldporiger Röhrling (Aureoboletus gentilis), 1 älterer Fruchtkörper im Nationalpark Eifel (Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Kermeter bei Naturwaldzelle "Wiegelskammer", in Eichenmischwald über mäßig saurem Boden, 1 Frk. (neben Hygrophorus arbustivus und H. nemoreus), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner am 12.11.2019 |
Die Art ist bei Beachtung ihrer Merkmale kaum zu verwechseln. Ihre Fruchtkörper sind ziemlich klein, in der Größe vielleicht von Pfeffer-Röhrlingen oder kleineren Rotfüßen und Ziegenlippen. Wie Ziegenlippen hat sie goldgelbe Röhren und Poren, vielleicht noch leuchtender und hübscher ausgebildet. Im Gegensatz zu all den genannten kleineren Röhrlingen ist ihr Hut aber rosafarben - und vor allem schleimig-schmierig. Insofern ist A. gentilis einzigartig - alleine in der Gattung Aureoboletus ist sie aber (bei uns) nicht mehr, denn der seltene Mährische Röhrling (A. moravicus) wurde hierher gestellt, und außerdem gibt es mit der "Falschen Rotkappe" (A. projectellus) einen aus Amerika stammenden Neomyzeten (neu eingewanderten Pilz) nun auch im Osten Deutschlands. Diese Arten sind hier aber nicht weiter Thema :-)
Bleibt mir noch darauf hinzuweisen, dass es im Jahr 2020 wieder einen Röhrlings-Kurs von Pilzschule Schwäbischer Wald geben wird (schauen Sie im Seminarprogramm 2020 auf dieser Seite nach), der in Würzburg-Veitshöcheim statt finden wird, also inmitten einer durchaus vielversprchenden Röhrlings-Region. Hoffen wir, dass die Witterung günstig sein wird und zumindest Satanspilze, aber auch eventuell Silber- und Purpur-Röhrlinge und weitere seltene Boleten gefunden werden können :-)
Pilz des Monats November 2019: Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus)
Dieser vielerorts seltene, recht wärmeliebende Pilz ist uns 2019 zweimal begegnet – zunächst beim Pilzseminar in Rheinland-Pfalz (Kurs Giftpilze-Syndrome, auch Prüfungskurs zum PSVDGfM in Fischbach bei Dahn), wo er an einer relativ eng begrenzten Stelle eines Buchenwaldes über Buntsandstein in der gefunden wurde, und zwar reichlich fruchtend, ca. 50 Exemplare. Danach (nur mir) begegnete mir der Pilz noch beim Laubwaldpilze-Kurs in Regensburg, wo er von Kursteilnehmern aus einem Buchenwald über Jura-Kalk mitgebracht wurde. Über die Bodenansprüche, die L. gentianeus benötigt, bin ich mir etwas im Unklaren, denn unser letzter reichlicher Fund der Art aus der Algarve (Portugal) stammt wie der aus der Pfalz aus einem eher sauren Habitat. Aber über wärmeliebende Pilze ist ja bekannt, dass manche von ihnen in nicht so warmen Regionen auf Kalkböden beschränkt sind (denn Kalk kann mehr Wärme speichern als andere Gesteine, z.B. Granit oder Sandstein) und sich „im Warmen“ bodenvag verhalten.
Der Bittere Krempenritterling (ich sage nicht so gerne Krempentrichterling, denn zum Einen hat unser Pilz und seine nächsten Verwandten eher Ritterlings-Habitus, zum Anderen ist der Riesen-Krempentrichterling Leucopaxillus giganteus nicht so nah verwandt und sollte eher als Aspropaxillus giganteus generisch abgetrennt werden) ist wie gesagt eine relativ seltene Art (wobei selten eher eine Frage des Suchgebietes ist …) und außerdem unter Pilz-Sammlern wenig bekannt. Dabei ist die Art nicht so schwer zu erkennen. Der trockene Pilz mit seinem schönen warmen Braunton auf dem Hut hat meist eine (manchmal allerdings fehlende) typische Rippung des Hutrandes, ein Merkmal, das ihn zugegebenermaßen mit einigen Ritterlingen im engen Sinne, aus der Gattung Tricholoma, verbindet (z.B. Gerippter Ritterling Tricholoma acerbum), trockene Fruchtkörper tendieren auch zum Aufreißen der ohnehin völlig trockenen Hutdeckschicht). Zieht man L. gentianeus aus dem Boden, bleiben (im Gegensatz zu den mykorrhizischen Tricholoma-Arten) reichlich Laubstreu- und andere Reste an der Stielbasis hängen – ein Argument für saprobiontische Lebensweise (und so wird die Art und die ganze Gattung in der Literatur meist geführt – zu Recht?). In der Tat ist (soweit ich weiß) noch unklar, wie die Lebensweise von Leucopaxillus (im engen Sinne) ist – denn die Pilze sind tatsächlich sehr nahe mit Tricholoma verwandt, und mancher Saprobiont erwies sich in jüngerer Zeit als doch (auch) mykorrhizisch, wie z.B. die Gattung Rhodocollybia.
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus) - Deutschland, Rheinland-Pfalz, unweit Fischbach bei Dahn, "Hohe List", Buchenwald über Buntsandstein, saurer Boden, ca. 50 Frk. auf engem Raum in der Laubstreu, 16.10.2019, leg. Pilzseminar Giftpilze-Syndrome mit Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus), Portugal, Algarve, nw. Monchique, Hang zum Foia, in Korkeichenwald auf (mäßig) saurem Schieferboden, reichlich fruchtend an mehreren Stellen, am 27.12.2017, leg,, det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Es gibt aber noch weitere Merkmale, die die Art schon makroskopisch auszeichnen. Zum Einen das namen-gebende: die Art schmeckt deutlich bitter und ist somit ungenießbar. Aber nicht nur ungenießbar, sondern auch giftig, denn der Bitterstoff ist Cucurbitacin, der Bitterstoff der Gurken und Zucchini, der vor allem bei Wildformen und Rückkreuzungen verstärkt auftritt. Mit Cucurbitacin gab es vor Kurzem sogar Todesfälle, als ein älteres Ehepaar im Garten gezogene (und offenbar rück-verwilderte) Zucchini trotz ihrer Bitterkeit aßen und sogar eine Person daran starb. Man muss aber dazu sagen, dass im höheren Alter der Bitterstoff nicht mehr sehr stark geschmeckt wird, und es außerdem wegen gewisser Vor-Erkrankungen Komplikationen gab, und dass für Personen mit noch halbwegs funktionierendem Geschmacks-Empfinden eine gefährliche Vergiftung mit Cucurbitacin unwahrscheinlich ist (ich erinnere mich, auch schon etwas bittere Zucchini aus dem Supermarkt trotzdem gegessen zu haben).
Und dann das Sporenpulver. Es ist wie bei Ritterlingen schön rein weiß – aber mit einer interessanten Eigenschaft: es färbt sich in jodhaltigen Reagentien (wie Lugolsche Lösung oder Melzers Reagens) stark violettschwarz an, eine amyloide Reaktion (auch die Stärke, lat. Amylon, färbt auf ähnliche Weise mit Jod). Dies kann man schon makroskopisch gut nachweisen, indem man eine kleine Menge Sporenpulver in die Jodlösung überführt. Unter dem Mikroskop sieht man noch mehr Details: die Sporen färben nicht als Ganzes amyloid, sondern nur ihr Sporen-Ornament – relativ deutlich ausgebildete feine Warzen bzw. Stächelchen. L. gentianeus hat auch (relativ unauffällige) Cheilozystiden, die ich hier nicht dokumentiere.
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus), Portugal, Algarve, nw. Monchique, Hang zum Foia, in Korkeichenwald auf (mäßig) saurem Schieferboden, reichlich fruchtend an mehreren Stellen, am 27.12.2017, leg,, det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie das in Lugolscher Lösung (IKI) violettschwarz verfärbte (vorher weiße) Sporenpulver! |
Bitterer Krempenritterling (Leucopaxillus gentianeus), Portugal, Algarve, nw. Monchique, Hang zum Foia, in Korkeichenwald auf (mäßig) saurem Schieferboden, reichlich fruchtend an mehreren Stellen, am 27.12.2017, leg,, det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - Sporen in Melzers Reagens: beachten Sie die tiefblaue Verfärbung des Ornamentes (feine Bestachelung)! |
Insgeamt ist der Bittere Krempenritterling eine gut kenntliche Art – und 2020 scheint sie ein gutes Jahr zu haben (?). Es lohnt sich vielleicht, noch das restliche Jahr auf diese Art zu achten.
Pilz des Monats Oktober 2019 – Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea – auch B. violascens, Violetter Weißspor-Stacheling)
Diesen Pilz, den ich als Kind und Jugendlicher (sagen wir vor ca. 35-45 Jahren) mehrmals auf Tagungen in den Alpen oder auch auf Pilztreffen in der Heimat aus Herkünften von der Östlichen Schwäbischen Alb zu sehen bekam (naturgemäß habe ich davon weder Aufzeichnungen noch sehr konkrete Erinnerungen), fand ich – mit Katharina – vor wenigen Tagen erstmals selbst an einem Natur-Standort; vorher hatte ich die Art schon 2015 gesehen (vgl. Fotos unten) – am Fundort in Kärnten verdanke ich die selbst geschossenen Fotos der Vermittlung des orts-ansässigen Mykologen Matthaeus Koncilja. Also – eine doch ziemlich seltene Art, die aber „früher“ einmal etwas häufiger zu finden war. Nun – da ist die Art kein Einzelfall, das muss man heute leider so sagen. Woran aber liegt der Rückgang von B. cinerea? Dazu hilft es vielleicht, wenn ich die direkten Begleitpilze beim aktuellen Fund (in einem Urwaldrest im Nationalpark Bayerischer Wald) aufzähle: Schwarzweißer Korkstacheling (Phellodon melaleucus), Scharfer Korkstacheling (Hydnellum peckii), Schaf- und Semmelporling (Albatrellus ovinus und A. confluens) sowie Duftender Leistling (Cantharellus lutescens).
Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea alias B. violascens, Phellodon violascens, Violetter Weißspor-Stacheling), 2 junge, frische Fruchtkörper am 10.9.2019 im NSG "Mittelsteighütte" bei Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald, an Bachufer unter Fichte, Tanne und Buche, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea alias B. violascens, Phellodon violascens, Violetter Weißspor-Stacheling), ältere Fruchtköroer an mehreren Stellen, am 23.10.2015, Österreich, Kärnten, Sattnitz, "Turia-Wald", unter Fichten auf Kalk, leg., det. Matthaeus Koncilja (& Lothar Krieglsteiner), Fotos Lothar Krieglsteiner |
Violettlicher Fleisch-Stacheling (Bankera cinerea alias B. violascens, Phellodon violascens, Violetter Weißspor-Stacheling), am 10.9.2019 im NSG "Mittelsteighütte" bei Zwieslerwaldhaus im Nationalpark Bayerischer Wald. Die sehr kleinen hyalinen Sporen (Grenze meiner Foto-Mikroskopie ...) sind fein, aber deutllich stachelig (Foto Lothar Krieglsteiner) |
Alle gehören zu der Gruppe von Mykorrhizapilzen, die „im flachen Land“ überall aufgrund von Nährstoff-Einträgen (und anderen Biotop-Veränderungen) zurückgehen und vielerorts – abseits der „geschützten“ Lagen in Nationalparks u.a. – bereits verschwunden sind. B. cinerea kann dabei – wie aus der Liste auch Cantharellus lutescens – als Basenzeiger gelten, der auf die örtlich angereicherten Basen-Verhältnisse in Bachnähe hinweisen (der Bayerische Wald gilt etwas zu Unrecht überall als „quietsche-sauer“). Der Violette Fleischstacheling wird in der Roten Liste der Pilze Deutschlands als „stark gefährdet (2)“ klassifiziert.
Schon am Fundort fiel uns der Geruch des frischen Pilzes (wir entnahmen einen von zwei gefundenen) auf – angenehm süßlich, fast vanille-artig. Später, beim Trocknen, kippt dieser Geruch zu eher liebstöckel-artig, maggi-artig, wobei selbst am Exsikkat noch eine feine süßliche Komponente wahrnehmbar ist. Das weiche, brüchige, mild schmeckende Fleisch ist im Schnitt deutlich zoniert. Mikroskopisch sind die mit rund 5 µm sehr kleinen, hyalinen, stacheligen Sporen typisch.
Der Fundort ist ein extrem hochwertiges NSG im zentralen Bayerischen Wald. Neben zahlreichen Totholz-Pilzen ersten Ranges (z.B. Phellinidium pouzarii, Climacodon septentrionalis, Protodontia piceicola u.v.a., von den zahlreichen Stachelbärten an Tanne und Buche mag man gar nicht reden) sind aber auch – vor in randlichen Lagen an den beiden begrenzenden Bächen – spannende Mykorrhizapilze zu finden, wie der Beitrag hier beweist. Mit der extrem seltenen Rundspor-Lorchel Pseudorhizina sphaerospora habe ich schon einmal einen Pilz des Monats aus dem NSG Mittelsteighütte gebracht – diese Art kenne ich nur von diesem Fundort.
Bankera cinerea steht heute alleine in einer Gattung. Die mir als Kind noch als Sarcodon violascens bekannte Art wurde aufgrund der hyalinen Sporen vom Habichtspilz getrennt und – mit S fuligineoalbus – in die neue Gattung Bankera gestellt. Heute scheint es so zu sein, dass die Trennung von Phellodon (hellsporige Korkstachelinge) molekular nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Kombination Phellodon cinereum liegt jedoch noch nicht vor (? – aber P. violascens). Hydnum cinereum Bull. 1789 hat (bei angenommener Identität) Priorität vor Hydnum violascens Alb. & Schwein 1805 – damals wurden alle gestielten Stachelinge noch als Verwandte des Semmelstoppelpilzes (Hydnum repandum, O. Cantharellales, also Verwandte des Pfifferlings) angesehen. Alle Kork- und Fleischstachelinge der Gattungen Sarcodon, Hydnellum, Phellodon und (sofern noch akzeptiert) Bankera stehen heute in O. Thelephorales (also Verwandte von Erdwarzenpilz und Lederkoralle).
Pilz des Monats September 2019 – Kleiner Perlmutt-Risspilz (Inocybe huijsmanii)
Risspilze sind nicht immer leicht zu bestimmen – das ändert sich derzeit nicht, denn die Molekularbiologie zeigt, dass es deutlich mehr Arten gibt, als beschrieben sind, dass das Artkonzept der Lumper (z.B. Kuyper) nicht realistisch ist. Lumper nennt man Wissenschaftler, die ein breites Artkonzept vertreten und nicht „aus jedem Furz eine neue Art“ machen wollen – während Splitter genau dies vorgeworfen wird. Dummerweise haben letztere häufger (aber keineswegs immer) Recht.
Risspilze sind eine schöne Gattung für den Mikroskopiker – es gibt viele schöne Merkmale, die überwiegend gut festgestellt werden können; die Bestimmung zu einer Sammelart macht oft nicht zu viele Schwierigkeiten. Aber dann … - nebenbei noch erwähnt: erst vor Kurzem habe ich eine Risspilz-Art neu beschrieben (lesen Sie hier ...).
Nun – vor einer Woche (am 14. August 2019) fand ich auf einer Exkursion mit meiner Frau Katharina einen Risspilz, der mir schon im Gelände „spanisch“ vorkam – was bedeutet, dass ich den Eindruck hatte, die Art noch nie vorher gefunden zu haben. Nach der mikroskopischen Untersuchung (von der hier Bilder zu sehen sind) sandte ich einen WeTransfer mit Fotos an die Spezialistin der Gattung, Frau Dr. Ditte Bandini (Wiesenbach) mit der Bitte um ihre Meinung. Womit der Pilz bestimmt war. Ditte arbeitet seit Jahren an Inocybe und plant eine Monographie – und mir kommt (wie vielen anderen ) die Ehre zu, dazu gelegentlich interessante Funde beizusteuern.
I. huijsmanii ist ein besonders kleiner Risspilz (nur wenig über 1 cm Hut-Durchmesser) mit blassen, weißlich-strohgelben Farben, mit Fantasie ist auch ein schwacher Grünton erkennbar. Die Art trägt jung eine deutliche Cortina, und Caulozystiden hat sie nicht (oder zumindest kaum), auch nicht an der Spitze – womit ähnliche Arten wie I. geophylla oder I. sindonia oder blasse, nicht lila Formen von I. griseolilacina ausscheiden. Mikroskopisch sind die ± spindelförmigen Pleuro- und Cheilozystiden sowie die glatten Sporen mit fast schnauzen-ähnlich zugespitzten Enden charakteristisch.
Kleiner Perlmutt-Risspilz (Inocybe huijamanii) am 14.8.2019, Baden-Württemberg ö. Stuttgart, Schwäbisch Gmünd-Weiler i.d. Bergen, "Költ", in mäßig saurem Buchenwald (Galio-Fagetum) in Kontakt zu Bach-Eschenwald (Carici remotae-Fraxinetum), leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det. Ditte Bandini (nach Fotos) |
Kleiner Perlmutt-Risspilz (Inocybe huijamanii) am 14.8.2019, Baden-Württemberg ö. Stuttgart, Schwäbisch Gmünd-Weiler i.d. Bergen, "Költ", in mäßig saurem Buchenwald (Galio-Fagetum) in Kontakt zu Bach-Eschenwald (Carici remotae-Fraxinetum), leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det. Ditte Bandini (nach Fotos) - beachten Sie die schnauzen-artig verlängerten, glatten Sporen |
Kleiner Perlmutt-Risspilz (Inocybe huijamanii) am 14.8.2019, Baden-Württemberg ö. Stuttgart, Schwäbisch Gmünd-Weiler i.d. Bergen, "Költ", in mäßig saurem Buchenwald (Galio-Fagetum) in Kontakt zu Bach-Eschenwald (Carici remotae-Fraxinetum), leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner, det. Ditte Bandini (nach Fotos) - beachten Sie die metuloiden, fusiformen (spindelförmigen) Pleurozystiden |
Die Art bevorzugt offenbar Buche (Fagus sylvatica) als Mykorrhizapartner – der Fund im Vorland der Schwäbischen Alb ist der Erste in Ost-Württemberg.
Pilz des Monats August 2019: Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta)
Wenn ich mir überlege, welche Art der neue „Pilz des Monats“ wird, mache ich mir nur selten Gedanken darüber, was aus marktwirtschaftlichen Gründen opportun wäre – z.B. ein Vertreter aus einer der Gattungen, über die ich im Laufe des Jahres noch Kurse gebe. Genau so habe ich mir heute aber überlegt, einen Trichterling zu nehmen. Aber welchen? Viele Arten sind so speziell, dass sie eher nicht in Frage kommen, andere zu banal, um zu einem Fortgeschrittenen-PIlzkurs anzuregen. Mit dem Fleischfalben Trichterling hoffe ich, einen guten Kompromiss gefunden zu haben 😊
Die meisten Speisepilz-Sammler kennen den Fuchsigen Rötel-Trichterling (Paralepista flaccida alias Lepista inversa incl. Clitocybe gilva – das Namenskarrusell hat sich hier noch mehr gedreht und ich verzichte auf alle möglichen Synonyme), den ich hier als Sammelart einschließlich des Wasserfleckigen R. auffasse, gut. Seit einiger Zeit trauen sich viele nicht mehr, diesen Pilz zu Speisezwecken zu sammeln geschweige denn für andere frei zu geben – der Grund ist allerdings ein Pilz, der bisher noch nie (zumindest nach meinem aktuellen Kenntnis-Stand) in Deutschland gefunden wurde, vor dem allerdings seit Jahren gewarnt wird: der in Südeuropa und inzwischen bis Genf und Wien nachgewiesene Parfümierte Trichterling (Paralepistopsis amoenolens, Acromelalga-Syndrom), den ich bisher noch nie live gesehen habe. Über diese Art und diese Verwechslung möchte ich deswegen auch (vorläufig) nicht hier schreiben, sondern über einen bei uns vorkommenden Pilz, der viel mehr Grund zu etwas Angst bieten könnte, denn der Fleischfalbe Trichterling (Clitocybe diatreta) ist ebenfalls leicht mit dem Fuchsigen R. verwechselbar, und enthält zumindest nach einigen Literatur-Angaben Muscarin, könnte also für empfindliche Vergiftungen stehen. Meines Wissen sind aber bisher keine Vergiftungen mit C. diatreta bekannt geworden, oder zumindest sind solche ziemlich selten.
Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta) südlich von Dassel im Solling (Deutschland, Niedersachsen), in saurem Nadelwald im Oktober 2012, leg. Plzikurs mit Dieter Honstraß, det,, Foto Lothar Krieglsteiner. Beachten Sie den weißlichen Hutrand (Rest der Pruina), die wenig herablaufenden Lamellen sowie das Wachstum in Besen-Gabelzahnmoos (Dicranum scoparium) - ein Säurezeiger! |
Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta) im "Haselbachtal" nw. von Schwäbisch Gmünd (Deutschland, Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald), am 11.9.2014, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Beachten Sie das Wachstum in Widertonmoos (Polytrichum formosum) und Rotstängel-Moos (Pleurozium schreberi) - vor allem Letzteres ein deutlicher Säurezeiger |
Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta) bei Adelmannsfelden-Hinterwald (Deutschland, Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald unweit Ellwangen), in saurem Nadelwald am 20.9.2013, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Auch hier ist der helle Hutrand zu sehen. |
Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta) bei Rotenhar (Schwäbisch-Fränkischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg, Deutschland) in saurem Nadelwald, am 8.10.13, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Der Fruchtkörper unten rechts zeigt noch die Pruina auch auf der Hutfläche. In der Moos-Schicht ist hier Torfmoos (Sphagnum spec.) beteiligt - dieses steht für feuchte, saure Standorte. |
Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta) bei Rotenhar (Schwäbisch-Fränkischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg, Deutschland) in saurem Nadelwald, am 8.10.13, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Reichliche Fruchtkörper-Bildung u.a. in den acidophilen Moosen Besen-Gabelzahnmoos (Dicranum scoparium) sowie Widertonmoos (Polytrichum formosum). |
Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta) bei Rotenhar (Schwäbisch-Fränkischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg, Deutschland) in saurem Nadelwald, am 30.10.2016, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Aufsammlung ist vom Regen abgewaschen und zeigt keine Pruina mehr - außerdem ist der Lamellen-Ansatz etwas untypischer Weise leicht herablaufend. Beachten Sie auch hier das Wachstum im acidophilen Widertonmoos (Polytrichum formosum). |
Fleischfalber Trichterling (Clitocybe diatreta) bei Durlangen-Tanau (Schwäbischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg ö. Stuttgart) an Waldrand zu saurem Nadelwald-Bereich im Gras, am 26.10.2017, leg., det.,, Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Beachten Sie den hygrophanen Hut (auf den Fotos in diesem Beitrag nur hier zu sehen). Im Foto zu sehende Kräuter sind z.B. das Mausohr-Habichtskraut (Hieracium pilosella s.l.) sowie der Gebräuchliche Ehrenpreis (Veronica officinalis) - beide stehen für nährstoffarme, saure Standorte. |
Dies könnte daran liegen, dass der Fleischfalbe Trichterling nicht so häufig ist. Meist finde ich nur vereinzelte Fruchtkörper, aber bei günstigen Bedingungen können auch (Fotos!) reichliche Aufsammlungen gemacht werden. Und es kommt auf die Gegend an, und auf das Jahr. C. diatreta wächst nach meiner Erfahrung nur in deutlich sauren, tendenziell nährstoffarmen Nadelwäldern (und nährstoffarmen, sauren Wiesen), und es handelt sich um einen eher kleinen Pilz, der selten mehr als 5 cm Hut-Durchmesser (Maximal-Angaben bis 8 cm) groß wird, im Gegensatz zum Fuchsigen T. (bis 13 cm). Hat man also große Pilze auf neutralem bis basenreichem oder gar nährstoffreichem Standort, scheidet C. diatreta aus. Von oben betrachtet und von der Farbe her (fuchsig – fleischfarben rötlich braun) sind etwas größere, üppigere C. diatreta durchaus ähnlich P. flaccida. Es gibt aber doch – da kann man nun wieder beruhigen – klare makroskopische (die Sporen sind bei P. flaccida rau und rundlich, bei Clitocybe verlängert und glatt) Unterschiede zur Trennung. Zum einen die für klassische Lepista-Arten wie P. flaccida typische Ablösbarkeit der Lamellenschicht. Dann die meist viel stärker herablaufenden Lamellen (bei C. diatreta sind sie meist kaum oder gar nicht herablaufend), meist eingerollte (krempige) Hutränder sowie und Hüte mit viel stärkerer Trichter-Form. Kein Problem also? Nun - Einzel-Fruchtkörper, vor allem nach Regenfällen, können z.T. durchaus schwer zuzuordnen sein. Auch die Sporenpulverfarbe hilft wenig – beide haben cremefarbenes, C. diatreta sogar eher etwas dunkleres, ins Orange spielendes Sporenpulver. Es ist ein Irrtum anzunehmen, alle Trichterlinge seien Weiß-Sporer – hier gibt es noch viel mehr „Ausnahmen“. Ohnehin steckt Clitocybe im weiten Sinne (incl. der ebenfalls heterogenen Gattung Lepista) tief im molekular bedingten Transformationsprozess – beschrieben sind schon ca. 15 verschiedene Klein-Gattungen, und der Rest ist immer noch heterogen. Darüber erfahren Sie beim Trichterlings-Kurs dann etwas mehr …
C. diatreta gehört zu den jung vor allem am Rand fein bereiften (Pruina), hygrophanen Trichterlings-Arten, also eher zum Gattungs-Kern; eine Pruina haben z.B. auch der Mehl-Trichterling (C. ditopa) und der Feld-Trichterling (C. rivulosa). Trockene Hüte verlieren einen Teil der Fleischfarbe, und auch der Reif verkahlt rasch und ist bald kaum mehr sichtbar - und dann ist C. diatreta leicht mit banalen grau-weißlichen oder grau-braunen Trichterlings-Arten zu vermengen, die auch manchmal leichte Rosatöne haben können. Googelt man Bilder von C. diatreta, fallen einem sofort die zahlreichen Fehl-Benennungen auf, von denen manche durchaus prominenterer Natur sind. Ein Beispiel für eine gute und korrekte Darstellung der Art finden wir beim kürzlich leider verstorbenen Pilzfreund Fredi Kasparek: https://www.natur-in-nrw.de/HTML/Pilze/Agaricales/PA-58.html
Pilz des Monats Juli 2019: Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme, auch Calvatia utriformis, Hankea utriformis und neuerdings Bovistella utriformis, in älteren Büchern meist als Calvatia caelata)
Der Hasenbovist - oder besser Hasen-Stäubling, denn er hat ja einen ausgeprägten sterilen Stielteil – hat die Gattungs-Zugehörigkeit in der Vergangenheit gewechselt wie viele Menschen ihre Unterhose (wobei der arme Pilz hier natürlich nichts dafür kann). Ich halte mich namens-technisch an die Darstellung in Jeppson (2018: Puffballs of Northern and Central Europe), wo die Art in Lycoperdon, also bei den „normalen“ Stäublingen geführt wird, ebenso wie der Beutel-Stäubling (L. excipuliforme, vormals Calvatia e.) und der Wiesen-S. (L. pratense, vormals Vascellum p.). In der Tat sind es nur subtile makroskopische (z.B. das Fehlen einer definierten Öffnung bei Calvatia) - und mikroskopische Unterschiede (auf die ich hier und heute nicht eingehe), die die bisherigen Gattungen ausmachten – sie erinnern an das bekannte „Schubladen-Ziehen“, das für den menschlichen Vestand ja so typisch ist.
Im Index of Fungi heißt die Art momentan Bovistella utriformis – und auch Jeppson weist auf die nahe Verwandtschaft zu Lycoperdon radicatum (Bovistella radicata), der Typus-Art der nun wieder akzeptierten Gattung Bovistella hin. Die Autoren, die die Kombination vollzogen (Demoulin & Rebriev 2017), argumentieren allerdings rein morphologisch und fügen keine DNA-Analyse zur Unterstützung ihrer Meinung bei. Insofern bin ich der Meinung, dass diese (momentan) ignoriert werden kann.
Nun – Hasenboviste sind makroskopisch in aller Regel gut erkennbar durch die mit bis zu 18 cm Höhe und Breite sehr groß werdenden (nur der Riesenbovist ist deutlich größer), rundlich kreiselförmigen Fruchtkörper mit zumindest in zunehmendem Alter meist deutlich felderig aufreißender Exoperidie. Diese ist in ihrer Ausgestaltung aber sehr variabel (und es könnte sich noch um eine Sammel-Art handeln!), denn man findet Exemplare mit ausgeprägten, wenn auch kleinen, einander zuneigenden Stacheln (die bald abfallen), aber auch solche mit breiten, polygonalen Warzen. Deswegen wurden auch Varietäten beschrieben, die aber (derzeit) nicht als klar abtrennbar angesehen werden (var. gruberi und var. hungaricum – auf die Schnelle konnte ich nicht eruieren, für welche Merkmale die beiden Varianten, die heute von allen Autoren synonymisiert werden, stehen).
Hasen-Stäubling bzw. Hasenbovist (Lycoperdon utriforme) am 17.5.2014, NSG "Volkmarsberg" bei Oberkochen (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), magere Heide über Kalk, oberflächlich versauert. Junger Fruchtkörper mit felderiger Oberfläche. Leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), junge Fruchtkörper mit grobwarzig-felderiger Oberfläche. Gefunden am 19.6.2019 im LSG "Erpfenhausener Heide" bei Gerstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), leg., det. Bernd Fellmann, Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Auf dem Bild u.a. auch zu sehen: Echtes Labkraut (Galium verum) |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), junge Fruchtkörper mit stacheliger Oberfläche. Fruchtkörper im Schnitt weiß (essbar!). Gefunden am 10.9.2007 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese. Leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Mit auf dem Foto z.B. Mausohr-Habichtskraut (Hieracium pilosella agg.). |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), junge Fruchtkörper mit grob warziger Oberfläche, seitlich. Fruchtkörper im Schnitt weiß (essbar!). Gefunden am 30.9.2008 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese. Leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), etwas bräunliche Form mit grob warzig-stacheliger Oberfläche. Gefunden im Nationalpark Eifel (Nordhrein-Westfalen) bei Wüstung Wollseifen auf saurer Magerwiese, am 26.9.2017, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), junge Fruchtkörper mit grob warzig-stacheliger Oberfläche. Gefunden am 10.9.2007 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese,leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), junger Fruchtkörper mit felderiger Oberfläche sowie alter Fruchtkörper mit noch etwas Capillitium und Sporenmasse im sterilen Stiel-Becher. Gefunden am 19.6.2019 im LSG "Erpfenhausener Heide" bei Gerstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), leg, det., B. Fellmann, Kathairna & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Auf dem Bild u.a. auch zu sehen: Mausohr-Habichtskraut (Hieracium pilosella agg.) |
Hasen-Stäubling bzw. Hasen-Bovist (Lycoperdon utriforme alias Calvatia u., Bovistella u.), ältere Fruchtkörper mit warzig-felderiger Oberfläche. Gefunden am 30.9.2008 im jetzigen NSG (ehemaligen Truppenübungsplatz) "Himmelreich" bei Deggendorf (Niederbayern), in magerer saurer Wiese, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), alte Fruchtkörper mit felderiger Oberfläche. Gefunden am 18.9.2014 im NSG "Stöckelberg" bei Söhnstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg) in saurer Heide (Gentiano-Koelerietum agrostietosum), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Mit auf dem Bild z.B. Besenheide (Calluna vulgaris). |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), Alter, vorjähriger und ausgestäubter Fruchtkörper (steriler Stielteil). Gefunden im Nationalpark Eifel (Nordhrein-Westfalen) bei Morsbach auf saurer Magerwiese, am 24.3.2015, leg., det. Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Hasen-Stäubling (Lycoperdon utriforme), alter Fruchtkörper mit noch etwas Capillitium und Sporenmaße im sterilen Stiel-Behcer. Gefunden am 19.6.2019 im LSG "Erpfenhausener Heide" bei Gerstetten (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg), leg., det. Bernd Fellmann, Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Auf dem Bild u.a. auch zu sehen: Echtes Labkraut (Galium verum) |
Hasenboviste sind wie alle Weichboviste (früher O. Lycoperdales, F. Lycoperdaceae innerhalb der Bauchpilze, Unterklasse Gastromycetidae der Ständerpilze) jung essbar – eben so lange, wie sie innen rein weiß sind. Ein Bauchpilz muss ja, um die reifen Sporen (die in Masse in etwa olivbraun sind) stäuben zu lassen, fast alle anderen Zell-Reste im Inneren (so etwa die Ständer und die sie bildenden Hyphen) auflösen, damit (neben dem Capillitium) nur noch Sporenmasse übrig bleibt, die eben stäuben kann. Deswegen sind schon im Reifen begriffene Pilze (die dann innen gelb und schließlich grünlich werden) nicht mehr in gutem kulinarischem Zustand, denn die Farb-Änderung zeigt die Bildung reifer Sporen und den Beginn der Autolyse der Fruchtschicht an. Bei einem Champignon ist das etwas anderes. Womit wir bei der Verwandtschaft sind. Die Weichboviste gehören heute (wie übrigens auch die Teuerlinge, die als Sammelfruchtkörper winziger Weichboviste angesehen werden können) zur Familie Agaricaceae (O. Agaricales), also (wie übrigens auch einige Keulenpilze, einzelne Rindenpilze sowie alle cyphelloiden Pilze) zu der Ordnung, die wir bisher als Faserblätterpilze kannten. Noch einmal zur Essbarkeit: man hört sehr Verschiedenes über den Speisewert des Hasen-Stäublings (und ich muss zugeben: ich habe ihn noch nie probiert). Liest man bei 123pilze nach (und diese Seite ist für Speisewert-Beurteilungen, kaum aber für Fakten darüber hinaus, wirklich kompetent), dann findet man „mild, angenehm, im Alter unangenehm karbolartig“ sowie „guter Speisepilz, gut geeignet zum Panieren und Braten, dennoch nicht für jeden schmackhaft“. Nun ja ….
Wo finden wir Hasenboviste? Als ich noch jung war, hätte ich gesagt: häufig auf sauren oder mäßig sauren Wiesen und Tier-Weiden! Denn damals waren noch viele Wiesen extensiv genutzt oder nur von wenigen Schafen oder Rindern beweidet, ohne zusätzliche Düngung und Zufütterung. Und damals fanden wir den Hasen-Bovist noch vielerorts. Heute kann der Hasenstäubling als ein gefährdeter Magerwiesen-Pilz betrachtet werden. In der Roten Liste der Pilze Deutschlands wurde die Art bis vor Kurzem als „gefährdet“ (3) bewertet - in der neuesten Ausgabe wird die Art dagegen nicht mehr mit einer Gefährdungs-Kategorie versehen (!). Meines Erachtens eine klare Fehl-Einschätzung. Von meinem Wohnort aus muss ich doch recht weit fahren, um eine Wiese zu finden, wo die Art noch vorkommt. Wo Gülle oder Kunstdünger (vor allem, es genügt aber auch Stallmist) ausgebracht werden oder wo diese auch nur in der Umgebung so konzentriert ausgegeben werden, dass mehr als nur Spuren in einem Gebiet ankommen, wird man den Hasenstäubling nicht mehr finden. Deshalb ist er heute fast nur noch in Naturschutzgebieten (NSG) zu finden, die auf Bergkuppen und/oder Waldlichtungen liegen und in denen keine Landwirtschaft mit Düngung statt findet. Sie werden vermutlich denken, das sei doch in allen Naturschutzgebieten so? Leider irren Sie da, denn das deutsche Naturschutzgesetz beinhaltet den sogenannten Bestandsschutz der Nutzung, der es ermöglicht, dass sogar „konventionelle“ Landwirtschaft innerhalb von NSG statt finden darf, wenn es schon früher so war. Ein absoluter Anachronismus – unglaublich! Man würde sich wünschen, dass dies endlich einmal thematisiert wird und möglicherweise sogar Stimmen laut werden, die ein Ende dieses Lobby-Gesetzes fordern. Derzeit ist darauf allerdings nicht zu hoffen, denn noch nicht einmal die durchaus lobenswerten Volksbegehren zum Bienen-Schutz fordern etwas „so Weitgehendes“. Für die Zukunft des Hasenstäublings (und einer großen Zahl anderer Pilze, Blütenpflanzen und Insekten) sieht es also nicht gut aus.
Pilz des Monats Juni 2019 – Glimmertintling (Coprinellus micaceus)
Tintlinge (im weiten Sinn) sind durch ihr (±) schwarzes Sporenpulver und die radial faltigen, plissierten Hüte (nicht so beim Schopftintling und seinen nahen Verwandten, Gattung Coprinus s.str.) gut erkennbar – aber heute gibt es mehr als nur eine Gattung von Tintlingen. Die Gattung Coprinellus (auch Parasola – dort gibt es weder Haare noch Velum) ist durch eine hymeniforme Huthaut charakterisiert (mit aufrecht stehenden Zellen), die makroskopisch den glatten, fein „glimmerigen“ Eindruck vermittelt. Ein Hymeniderm haben z.B. auch Samtellerlinge, Samtritterlinge, Sammethäubchen und Ackerlinge. Dazu kommen bei den meisten Arten (nicht bei C. micaceus und seinen nahen Verwandten) Haare (Pileozystiden) auf der Huthaut, die bei den anderen Tintlingsgattungen fehlen. Die Gattung Coprinopsis („Flockentintlinge“) haben wie die Coprinellus micaceus-Gruppe ein (meist viel üppigeres) Velum, aber eine Huthaut vom Typ Cutis, die makroskopisch eher einen radial-faserigen Eindruck vermittelt.
Der Glimmertintling selbst ist ein häufiger Pilz, der schon früh im Jahr (etwa ab Ende März) bis in den Spätherbst an Laubholzresten gefunden werden kann – direkt an diesen oder scheinbar auf dem Erdboden an vergrabenem Holz. Er ist ein Saprobiont (Folgezersetzer) und Weißfäule-Erreger. Typisch sind neben dem fein gesprenkelten Velum (s.u.), das natürlich schnell vom Regen abgewaschen wird, durch (meist) büscheliges oder auch dicht-rasiges Wachstum (nur gelegentlich finden man Einzel-Fruchtkörper), weiße Stiele (das haben auch fast alle anderen Tintlinge) und die zunächst kegeligen, gelb- bis rotbraunen Hutfarben. Rötlichbraune Hüte weisen eher auf frische, saftige, gelbliche auf ausgetrocknete, ältere Fruchtkörper hin. Erst bei älteren Fruchtkörpern sieht man die plissierte Huthaut (so bei allen Arten von Coprinellus, Coprinopsis und Parasola) gut, dann werden die Fruchtkörper auch zunehmend schwärzlich überfärbt, durch die Abgabe von Sporenpulver. Glimmertintlinge zerfließen im Übrigen bei Reife kaum nennenswert (das tun aber auch längst nicht alle Tintlinge aus den anderen Gruppen).
Die Bestimmung des Glimmertintlings ist allerdings gar nicht so banal, denn es gibt ein paar sehr ähnlich aussehende Arten. Zum einen die Arten aus der Gruppe des Haus-Tintlings (C. domesticus – dazu C. xanthotrix, C. bipellis, C. radians und C. flocculosus), die im Zweifelsfall mikroskopisch durch andere Velum-Struktur und Sporen unterschieden werden können. Diese Arten (alle?) bilden meist ein braunes Luftmyzel, das auch Ozonium genannt wird, und das für den Glimmertintling meist nicht angegeben wird. Ein Irrtum – C. micaceus bildet durchaus (gelegentlich) ein Ozonium, von dem ich hier ein Foto zeige.
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Luftmyzel (Ozonium) - 6.10.2012, Hessen, Vogelsberg, "Taufstein", an Buchenholz, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Die genannten anderen Arten wachsen aber selten in so großen und dichten Büscheln, wie sie für den Glimmer-Tintling typisch und normal sind.
Glimmer-Tintlng (Coprinellus micaceus) an Laubholzstam - 20.9.2015, Baden-Württemberg, Biosphären-Reservat Schwäbische Alb unweit Münsingen, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Gschwend, "Seebachtal" am "Bergsee", an Laubholzresten im Boden in Buchen-Tannen-Mischwald, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - jüngere, frische Fruchtkörper mit dem fein gesprenkelten Velum |
Glimmer-Tintlinjg (Coprinellus micaceus) an Laubholzresten, Hessen, unweit Sulzbach am Taunus, am 19.5.2013, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner - jüngere, aber trockene Fruchtkörper mit dem typischen fein gesprenktelten Velum |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus) an Laubholz im Boden, Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Frickenhofer Höhe nw. Birkenlohe, Waldrand an vergrabenem Laubholz,, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner - angetrocknete, gelblich-blasse Fruchtkörper. Die Hutoberfläche erscheint matt-glimmerig-samtig. Dies entspricht der hymenidermalen Huthaut (keine faserige Cutis). |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus) an Laubholz im Boden, Baden-Württemberg, Stuttgart-Bad Cannstatt, Parkanlage, 1.11.2016, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - die gefaltet-plissierte Hut-Oberseite kommt bei älteren Fruchtkörpern besonders gut zum Ausdruck |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Adelmannsfelden, "Hinterwald", am Boden an vergrabenem Holz bei Buchen in Laubmischwald, leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner - jüngere und ältere, von Sporen dunkel gefärbte Fruchtkörper |
Glimmer-Tintlng (Coprinellus micaceus) an Laubholzstam - 20.9.2015, Baden-Württemberg, Biosphären-Reservat Schwäbische Alb unweit Münsingen, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner - Detail des Velums der Hut-Oberfläche junger Fruchtkörper |
Es gibt aber einen ganz einfachen Trick, um Glimmertintlinge auch von den sehr ähnlichen Arten makroskopisch zu unterscheiden. Ab Ende 40/Anfang 50 (ich bin also schon betroffen ☹) benötigt man dazu eine gute Lupe. Nun – C. micaceus hat am Stiel recht lange Kaulozystiden bzw. Haare, die als feiner Flaum gut erkennbar sind. Die Stiele von C. truncorum und C. saccharinus sind glatt.
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg ö. Stuttgart, Winnenden-Breuningsweiler, "Zipfelbachtal", Obstbaumwiese an vergrabenem Laubholz, am 20.5.2019, leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Die Detail-Aufnahme zeigt die langen Stiel-Zystiden (Kaulozystiden) - mit einer Lupe gut sichtbar |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Nordrhein-Westfalen, Nationalpark Eifel, am 8.11.2013, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Die Detail-Aufnahme zeigt die langen Stiel-Zystiden (Kaulozystiden) - mit einer Lupe gut sichtbar |
Frische Glimmertintlinge tragen also das typische fein-gesprenkelte Velum, das sehr ähnlich auch bei den eher seltenen Arten C. truncorum und C. saccharinus aussieht. Diese haben unter dem Mikroskop eher ovale bis ellipsoidische Sporen, während die des Glimmertintlings typischerweise zumindest zum Teil deutlich mitra-förmig aussehen.
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg ö. Stuttgart, n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald bei Gschwend, am 16.5.2019, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Katharina Krieglsteiner. Das Foto zeigt sehr schöne Sporen-Tetraden (Aufsicht auf 4-sporige Ständer). Ferner erkennt man gut den zentralen Keimporus. |
Glmmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Sachsen, Auwald Leipzig, am 12.10.2018, Pilzkurs mit Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner.. Das Foto zeigt die teils deutlich mitra-förmigen Sporen Auch hier ist der deutliche Keimporus erkennbar (diesmal in Seiten-Ansicht). |
Glimmer-Tintling (Coprinellus micaceus), Baden-Württemberg ö. Stuttgart, n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch-Fränkischer Wald bei Gschwend, am 16.5.2019, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Katharina Krieglsteiner. Das Foto zeigt die Huthaut vom Typ des Hymeniderms (bzw. Cystoderm) im Schnitt - die Aufnahme zeigt nach unten. Die runden Zellen in Aufsicht ergeben makroskopisch den glatten, "glimmerigen" Eindruck - nicht radial faserig! |
Die obigen Zeilen deuten ja darauf hin, dass Tintlinge keine ganz so einfache Gattung sind – dies trifft auch für die anderen Gruppen durchaus zu. Wie steht es nun aber mit dem Speisewert des Glimmertintlings. Wenn man „googelt“, findet man zum einen, dass die Art als Suppenpilz gut geeignet sei, zum anderen aber, die Art sei giftig in Verbindung mit Alkohol, enthielte also das vom Faltentintling (und Specht-Tintling, ganz geringfügig auch vom Schopf-Tintling) her bekannte Coprin, das den Abbau des Alkohols auf der Stufe des Azetaldehyds blockiert, also indirekt eine Azetaldehyd-Vergiftung verursacht. Glaubwürdige Seiten schreiben aber etwas anderes – nämlich die Tatsache, dass niemals Coprin in Glimmertintlingen nachgewiesen wurde, ferner auch, dass durchaus Glimmertintlings-Mahlzeiten zusammen mit Alkohol gut vertragen wurde. Es sieht hier also mal wieder nach einer Art unbegründeter Sippenhaft aus.
Ich muss zugeben, dass ich den Glimmertintling bisher nie probiert habe. Das werden wir bei Gelegenheit nachholen.
Pilz der Monats Mai 2019 - Schwarzweiße Scheibenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca)
Diese seltene Art konnten wir (Katharina und ich) am letzten Wochenende (genau am 28.4.2019) am Standort beobachten – dankenswerter Weise gezeigt von Dirk Arlinghaus von der Naturschutzgruppe Taubergrund (Pilzgruppe Bad Mergentheim). Wir hatten zuvor eine Tagesführung Frühlingspilze mit Morchelsuche bei Würzburg und hatten mit Dirk via facebook (das macht nur Katharina 😊 ) ausgemacht, ihn auf dem Heimweg Richtung Schwäbisch Gmünd zu treffen. Spontan wurde auch gleich ein Treffen mit Klaus Neeser und Monika Schmid möglich, alten Pilzfreunden, die ich lange nicht gesehen hatte. Wer möchte, kann hier noch Bilder dazu ansehen: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2330506970346065&set=pcb.820738811611317&type=3&theater&ifg=1
Die Schwarzweiße Scheibenlorchel ist in Deutschland sehr selten und neben dem Fundort bei Bad Mergentheim nur von wenigen weiteren Fundorten z.B. im Ost-Schwarzwald bekannt. Die Art wächst unter Nadelbäumen auf Kalkböden, in der Regel auf nackter Erde. Vermutlich ist jedoch auch hier stets Holz im Boden zu finden, von dem die Art lebt – zumindest ist dies bei der Verwandtschaft so, die teils direkt auf Holz, aber auch auf vergrabenen Holzresten anzutreffen ist. Die Verwandtschaft sind natürlich weitere Scheibenbecherlinge (früher Discina) sowie „echte“ Giftlorcheln (Gyromitra im engeren Sinne). Ich kannte den Schwarzweißen Scheibenbecherling bisher nur von einem Fund im Botanischen Garten Würzburg (dem meines Wissens bisher immer noch einzigen Fund in Bayern) – ein Studio-Foto von diesem Fund (Dia-Scan) kann ich hier ebenfalls zeigen.
Schwarzweißer Scheinbenbecherling, Schwarzweiße Scheinbenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca) am 23.4.1995, Bayern, Botanischer Garten Würzburg,unter Eiche und Waldkiefer auf Erdboden über Muschelkalk, leg., det. Lothar Krieglsteiner, Foto Angelika Huber (Dia-Scan von Studio-Foto) |
Schwarzweißer Scheinbenbecherling, Schwarzweiße Scheinbenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca) am 28.4.2019, Bad-Mergentheim-Neunkirchen, "Wolfsthal", an Waldweg-Böschung auf nackter Erde über Muschelkalk, zwischen Moosen und Kräutern unter Fichte, Weißtanne und Buche, wenige Fruchtkörper, leg., det. Dirk Arlinghaus, Klaus Neeser & Monika Schmid, Foto Lothar Krieglsteiner. Der gezeigte Fruchtkörper ist noch jung, aber voll entwickelt und feucht - deshalb relativ hell gefärbt (in etwa leberbraun). |
Schwarzweißer Scheinbenbecherling, Schwarzweiße Scheinbenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca) am 28.4.2019, Bad-Mergentheim-Neunkirchen, "Wolfsthal", an Waldweg-Böschung auf nackter Erde über Muschelkalk, zwischen Moosen und Kräutern unter Fichte, Weißtanne und Buche, wenige Fruchtkörper, leg., det. Dirk Arlinghaus, Klaus Neeser & Monika Schmid, Foto Lothar Krieglsteiner. Der Fruchtkörper von oben ist umgedreht, dazu ein ganz junger dunkel rotbrauner sowie ein ganz alter fast schwarzer Fruchtkörper. |
Schwarzweißer Scheinbenbecherling, Schwarzweiße Scheinbenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca) am 28.4.2019, Bad-Mergentheim-Neunkirchen, "Wolfsthal", an Waldweg-Böschung auf nackter Erde über Muschelkalk, zwischen Moosen und Kräutern unter Fichte, Weißtanne und Buche, wenige Fruchtkörper, leg., det. Dirk Arlinghaus, Klaus Neeser & Monika Schmid, Foto Lothar Krieglsteiner. Das Fot zeigt die Unterseite mit Blick auf den Rand - Endhyphen des Gehäuses (Excipulum ectale) mit braunen Inhalten. |
Vor allem makroskopisch ist die Art leicht kenntlich, hat sie doch deutlich dunklere Farben als die nahe Verwandtschaft. Bei Feuchtigkeit eher dunkel rot- bis leberbraun, sind ältere und abgetrocknete Exemplare nahezu schwarz in der Fruchtschicht und bilden somit einen deutlichen Kontrast von Oberseite und nahezu weißer Unterseite. Eine leichte schwarze „Körnelung“ durch pigmentierte Endhyphen ist jedoch auch auf dem Detailbild der Unterseite erkennbar.
Mikroskopisch gibt es in der ganzen Verwandtschaftsgruppe das Problem sehr später Reifung. Intakte Pilze enthalten oft nur unreife Schläuche, und selbst der schon etwas angegriffene alte Fruchtkörper auf dem Foto enthielt zwar reichliche Asci mit Sporen, aber fast alle zeigten kein Ornament, auch nicht nach Anfärbung mit Lactophenol-Baumwollblau. Nur wenige Sporen lagen außerhalb der Schläuche vor, und selbst diese zeigten noch nicht oder erst ansatzweise das für die Art typische warzige Sporenornament, ohne klare Sporen-Anhänge am Ende. Einen kleinen Teil des Fruchtkörpers haben wir noch aufgehoben und hoffen, dass noch Sporen nachreifen …
Schwarzweißer Scheinbenbecherling, Schwarzweiße Scheinbenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca) am 28.4.2019, Bad-Mergentheim-Neunkirchen, "Wolfsthal", an Waldweg-Böschung auf nackter Erde über Muschelkalk, zwischen Moosen und Kräutern unter Fichte, Weißtanne und Buche, wenige Fruchtkörper, leg., det. Dirk Arlinghaus, Klaus Neeser & Monika Schmid, Foto Lothar Krieglsteiner. Das Foto eines Quetschpräparates zeigt noch weitgehend unreife Sporen in den (abgeknickten) Schläuchen. Die Sporen enthalten zwei große sowie einige winzige Öltropfen und sind weitgehend glatt - auch nach Anfärbung mit Lactophenol-Baumwollblau. |
Schwarzweißer Scheinbenbecherling, Schwarzweiße Scheinbenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca) am 28.4.2019, Bad-Mergentheim-Neunkirchen, "Wolfsthal", an Waldweg-Böschung auf nackter Erde über Muschelkalk, zwischen Moosen und Kräutern unter Fichte, Weißtanne und Buche, wenige Fruchtkörper, leg., det. Dirk Arlinghaus, Klaus Neeser & Monika Schmid, Foto Lothar Krieglsteiner. Die Paraphysen zeigen braunes Pigment in einem Vakuolenkörper, woduirch die braune Färbung der Fruchtscheibe verursacht wird (Schläuche und Sporen sind hell). Wie die Paraphysen enthalten auch die Excipulum-Endzellen dunkles Vakuolen-Pigment (s.o. - Körnelung der Außenseite). Im Gegensatz zu den Asci und ascogenen Hyphen sind Paraphysen und Excipulum monokaryotisch - entstammen also dem Primärmyzel vor der Befruchtung. |
Schwarzweißer Scheinbenbecherling, Schwarzweiße Scheinbenlorchel (Gyromitra melaleuca alias Discina melaleuca) am 28.4.2019, Bad-Mergentheim-Neunkirchen, "Wolfsthal", an Waldweg-Böschung auf nackter Erde über Muschelkalk, zwischen Moosen und Kräutern unter Fichte, Weißtanne und Buche, wenige Fruchtkörper, leg., det. Dirk Arlinghaus, Klaus Neeser & Monika Schmid, Foto Lothar Krieglsteiner. Hier zwei Sporen außerhalb des Schlauchs, die schon ein schwaches Ornament zeigen. Dieses ist jedoch typisch und vollreif viel deutlicher - vor allem nach Anfärbung mit Lactophenol-Baumwollblau. Entsprechende Färbungen waren jedoch bei dem noch weitgehend vorreifen Material erfolglos. Wir bleiben dran ... |
Frage am Rande: wie giftig ist der Schwarzweiße Scheibenbecherling? Ich denke - niemand weiß es genau. Auf alle Fälle ist Vorsicht geboten, aufgrund der teils sehr giftigen Verwandtschaft, die teils große Mengen an Gyromitrin enthält (z.B. die Frühjahrslorchel G. esculenta, die Riesenlorchel G. gigas und vermutlich die Bischofsmütze G. infula - weniger wohl der Größte Scheibenbecherling G. ancilis).
Pilz des Monats April 2019: Rosa Nabeling (Contumyces rosellus)
Immer, wenn wir auf Reisen sind (so momentan wieder einmal in der Algarve, Portugal) gibt es nur einen kurzen, kleinen Pilz des Monats. Dieses Mal haben wir, was die Witterungsbedingungen im Vorfeld betrifft, großes Pech - es ist äußerst trocken und wir finden sehr wenig frische Pilze. Eine der schönen Ausnahmen möchten wir kurz zeigen - er gelang schon auf der Fahrt, während eines kurzen Haltes. Wir fanden nur einen einzigen Fruchtkörper, was als bezeichnend angesehen werden kann.
Der Rosa Nabeling (Contumyces rosellus, auch bekannt unter Marasmiellus rosellus und Omphalina rosella) ist zumindest "bei uns" in Mitteleuropa selten - ich habe ihn vorher nie zu Gesicht bekommen. Ich hätte mir natürlich gewünscht, mehr Material zu sehen, um die Art ausführlich zu studieren. Vorläufig bleibt es bei dem einen kleinen Fruchtkörper (Hutdurchmesser ca. 5 mm), den wir Ihnen gerne vorstellen :-)
Rosa Nabeling (Contumyces rosellus) am 16.03.2019 (2 Fotos) - Portugal, Alentejo (Region Beja), ö. Amareleja, am Boden in Kiefern-Wäldchen, zwischen Moosen (im Foto: cf. Ephemerum spec.), Hornmoosen (im Foto: Phaeoceros spec.) und Flechten, nur 1 Frk. - leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Was die Ökologie der Art betrifft, wollen wir derzeit nicht spekulieren - vermutlich ist die Lebensform noch unklar. Beim Fundort auffällig war das Vorkommen von Hornmoosen der Gattung Phaeoceros - diese sind allerdings in Süd-Portugal an vielen Stellen häufig - und sprechen für einigermaßen saure Boden-Verhältnisse.
Einen ausführlicheren Pilz des Monats bieten wir Ihnen dann wieder im Mai :-)
Pilz des Monats März 2019: Weiche Gewebehaut, Orangefarbener Fältling (Leucogyrophana mollusca)
Heute möchte ich einmal einen „Corti“ vorstellen – also einen Rindenpilz, wobei diese Einordnung schon wieder fraglich ist, denn zum Einen könnte man (deutscher Name) auch von einem Fältling sprechen (aber faltiges Hymenium gibt es ja bei „Cortis“), aber der schwerer wiegende Einwand ist der, dass die Art nicht nur rein resupinat, sondern auch mit durchaus beachtlichen Hutkanten anzutreffen ist. „Cortis“ (Rindenpilze) werden ja gemeinhin als resupinat (rein flächig) wachsende Pilze abgegrenzt. Wobei von einer sauberen Abgrenzung nicht die Rede sein kann. Kein Wunder auch, denn Cortis finden sich heute fast in allen bekannten Ordnungen der Ständerpilze und eine Familie „Corticiaceae“, wie noch vor wenigen Jahrzehnten für alle Rindenpilze in Anwendung, gibt es zwar noch (in O. Corticiales), umfasst aber nur noch einen kleinen Bruchteil der resupinaten Ständerpilze. Nun – zu F. Corticiaceae gehört die heute vorgestellte Art nicht mehr. Aber wohin? Am Besten schauen Sie unvoreingenommen auf eines der Fotos unten und überlegen, welche Ihnen gut bekannte Pilzart farblich sehr nahe kommt. Ja – genau! Der Falsche Pfifferling 😊 – so einfach ist Pilzkunde. Die Weiche Gewebehaut gehört in die Familie Hygrophoropsidaceae – das ist die Familie für die weiß-sporigen Boletales, also die Verwandschaft der Röhrlinge. Nun – die vermutlich gleich aufflackernde Empörung über die „unsägliche moderne Systematik“, bei der niemand mehr durchblickt, sollte sich in Grenzen halten. Wer genau hinschaut, erkennt in der Röhrlings-Verwandtschaft zahlreiche Übergänge von lamelligem über faltiges (anastomosierendes – Goldblatt und Muschelkrempling) bis hin zu Röhrlings-Hymenien, von denen auch manche (z.B. Kuh- und Hohlfuß-Röhrling) durchaus Ähnlichkeiten zu einem Fältlings-Hymenium zeigen. Im Gegensatz zu den meisten Boletales sind die Hygrophoropsidaceae (und auch die Tapinellaceae mit Samtfuß- und Muschelkrempling sowie Gold-Fältling sowie die Coniophoraceae) Saprobionten – und dies gilt auch für unseren Pilz des Monats.
Weiche Gewebehaut oder Orangefarbener Fältling (Leucogyrophana mollusca) - am 20.10.2015 (2 Fotos), Österreich, Kärnten, Turia-Wald, leg., det. Matthaeus Koncilja & Lothar Krieglsteiner, an Fichtenstumpf in montanem Nadelmischwald, Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) am 12,11.2016, Italien, Ligurien, Ortsrand von Varese Ligure, an Nadelholz-Stumpf und angrenzender Böschung, leg. Pilzkurs mit Peter Karasch, Katharina & Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) am 16.10.2018 in Thüringen, nördlicher Hainich, Stadtwald Mühlhausen w. Mühlhausen, in kürzlich forstlich teilweise abgeernteter Fichtenparzelle, an Fichtenstämmen und Fichtenreisig, von dort aus übergreifend auf so gut wie alles incl. verschiedene Laubholzstämme in Stammlager sowie auf Strecke von ca. 20 m fast überalll auf nackter Erde und kleineren Fichtenholz-Resten am und im Boden auf Weg und an der angrenzenden Böschung - überaus massenhaft, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) am 11.09.2018, Rheinland-Pfalz, Pfälzer Wald bei Eppenbrunn, Naturwaldreservat "Mummelsee", an Fichtenstumpf in saurem Fichtenforst, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) reichlich pileat - gefunden am 14.09.2010, Bayern, Unterfranken, Hassberge, Ebern, Truppenübungsplatz, an Kiefern-Holzschnitzeln am Boden in Nadelmischforst, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca), junges Stadium mit Myzelfilz, am 26.09.2015, Baden-Württemberg ö. Stuttgart, n. Schwäbisch Gmünd, Schwäbischer Wald bei Leinmühle, an Fichtenholz sowie angrenzend auf nackter Erde (Holz im Boden) an Böschung, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Zumindest meine Wege kreuzt dieser Pilz in den letzten Jahren viel häufiger als früher. Es kann zwar sein, dass ich ihn früher auch mal übersehen habe, aber eine Ausbreitungstendenz scheint mir zu bestehen – oder auch eine Förderung durch die heutige Form der Forstwirtschaft mit schweren Maschinen. Jedenfalls kann man die Weiche Gewebehaut in intensiv bewirtschafteten Fichten-Forsten (die Art scheint auf Nadelholz beschränkt zu sein) oft in großen Mengen antreffen – an den Holzresten selbst (meist auf Holz der Initial- und frühen Optimalphase, wo die Art eine Braunfäule auslöst), aber auch oft in großer Menge scheinbar auf nackter Erde an boden-verdichteten Waldwegen und Weg-Böschungen – dort, wo reichlich kleinere Holzreste (vom Schreddern der Bäume) ins Erdreich gepresst wurden.
Bereits oben habe ich erwähnt, dass auch der Hausschwamm (der Wilde – der Echte natürlich auch, namens Serpula lacrymans) zu den Boletales gehört, also ein (entfernter) Verwandter der Weichen Gewebehaut ist. Was nicht viele wissen, ist, dass auch die Gewebehäute in Gebäuden als Schadpilze auftreten können. Im Jahr 2010 wurde ich einmal beauftragt, in einem Keller auftretende Pilz-Beläge zu untersuchen. Diese erinnerten makroskopisch wenig an das Erscheinungsbild von L. mollusca im Freien (die weitgehend sterilen Beläge bildeten nur punktuell schon eine noch wenig reife Fruchtschicht aus), konnten aber trotzdem als diese Art identifiziert werden. Auch hiervon ein Foto anbei – es zeigt auch die bei L. mollusca auftretenden Myzelstränge (Rhizomorphen). L. mollusca bildet gerade an solchen ungünstigen Standorten (in Häusern geht die Art wasser-technisch sicher an ihr Existenz-Minimum) für die Art typische kugelförmige Sklerotien (harte Überdauerungs-“Körner”), die auf dem Foto nicht zu sehen sind.
Weiche Gewebehaut (Leucogyrophana mollusca) - weitgehend sterile Myzelmatten mit Rhizomorphen in Keller, nur spärlich beginnende Hymenium-Bildung, gefunden am 19.11.2010 in Schwäbisch Gmünd, Keller von Haus im Sandweg, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner (anlässlich Auftrag bezüglich "Hausschwamm-Gutachten" |
Verwechseln kann man die Weiche Gewebehaut mit dem Wilden Hausschwamm (Serpula himantioides) – dieser hat jedoch keine orangefarbene, sondern eine deutlich dunkler braune Fruchtschicht. Ähnlicher noch ist der Gold-Fältling (Pseudomerulius aureus), der eher an morscherem Kiefernholz anzutreffen ist. Bestes makroskopisches Merkmal ist für mich die bei L. mollusca weißen Zuwachskanten oder Hüte, die bei P. aureus wie der Rest des Pilzes goldgelb gefärbt ist, durchaus mit Orangeton, aber nicht so orange wie L. mollusca. Ich habe Ihnen zum Vergleich auch von P. aureus ein Foto angehängt.
Gold-Fältling (Pseudomerulius aureus) am 19.09.2008, Unterfranken, Steigerwald, Umgebung des NSG "Brunnstube" bei Ebrach, an Kiefernholz der Finalphase in Nadelmischwald, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Beachten Sie die gelbe und nicht weiße Hutkante - sowie das bereits sehr stark zersetzte Holz (Braunfäule wie auch L. mollusca). |
„Cortis“ schaue ich mir in letzter Zeit öfter mal an. Dies hat verschiedene Gründe – unter anderem die Tatsache, dass deren Bestimmung für wissenschaftliche Aufträge oft besonders wichtig ist. In früheren Jahren hatte ich das Glück, dass befreundete Pilzkenner mir immer viele Aufsammlungen bestimmten (in den 1980-er-Jahren die verstorbene Frau Hanna Maser vom Stuttgarter Pilzverein, später dann Harald Ostrow und Frank Dämmrich) – und ich muss zugeben, dass mich die Cortis nicht übermäßig interessierten. Dies hat sich geändert – und ich habe bemerkt, dass Rindenpilze auch Spaß machen können. Nachdem ich schon Kurse bei Christoph Hahn, Norbert Luschka, Frank Dämmrich und Harald Ostrow besucht habe und ich inzwischen auch über etwas mehr Bestimmungspraxis verfüge, traue ich mich sogar nun, einen ersten eigenen Rindenpilz-Kurs anzubieten (sehen Sie nach im Seminarprogramm 2019). Denn leider gilt: ohne Mikroskop (wie die Weiche Gewebehaut) sind nur einige Arten bestimmbar.
Pilz der Monats Februar 2019: Vogesen-Kohlenbeere (Hypoxylon vogesiacum)
Kohlenbeeren (die alte Gattung Hypoxylon, heute einige Gattungen um Hypoxylon im engen Sinne herum) sind Pyrenomyceten, also Kugelpilze oder „Kernpilze“ (Fruchtkörperform ist das Perithecium mit vorgebildeter apikaler Öffnung zum Austritt der Sporenmasse) mit Sammel-Fruchtkörpern (viele solche Perithezien sind in ein gemeinsames „Stroma“ eingesenkt und erscheinen bei Reife als oberflächliche „Punktierung“), die mehr oder weniger breit dem Substrat aufsitzen. Dies unterscheidet sie von ihrer nahen Verwandtschaft, den Holzkeulen (Xylaria), die sich für aufrechte Stromata „entschieden haben“ – gemeinsam sind beiden die Mehrzahl der Mikromerkmale wie z.B. dunkel gefärbte Sporen mit Keimspalt und ein mit Jod anfärbbarer Apikalapparat der Schäuche (s.u.); diese haben z.B. auch die ebenfalls nahe verwandten Kohlenkugelpilzen (Daldinia), die sich durch meist größere, im Schnitt geschichtete Stromata unterscheiden. Die Mikromerkmale muss man erwähnen, denn es gibt (weltweit sowieso, aber auch bei uns) noch weitere Gruppen von makroskopisch ähnlich aussehenden, aber mikroskopisch abweichenden stroma-bildenden Pyrenomyceten (z.B. in der Gattung Camarops – hier finde ich beim Googeln die deutsche Bezeichnung „Kugelschwämme“, die ich ganz unpassend finde).
Einige Arten von Kohlenbeeren sind sehr häufig, z.B. H. fragiforme („Rötliche Kohlenbeere“ an Buche, H. fuscum („Rotbraune Kohlenbeere“, meist an Hasel, Hainbuche oder Erle), Kretzschmaria deusta („Brandkrustenpilz“, an verschiedenen Laubbäumen) oder Nemania serpens („Geschlängelte Kohlenbeere“, an verschiedenem Laubholz), um nur wenige zu nennen, aber es gibt eine Vielzahl von Arten, die in vielen Fällen nur mikroskopisch sicher bestimmt werden können. Wer sich mit diesen Pilzen intensiver befassen will (Vorsicht: kein Vertreter ist ein guter Speisepilz ☹), dem kann ich die folgende Website nahelegen: http://pyrenomycetes.free.fr/.
Pilz des Monats Februar 2019 ist nun eine relativ selten gefundene Art. Vor diesem Jahr kannte ich sie nur von einem Uralt-Fund auf der Schwäbischen Alb (Bannwald „Tiefental“ unweit Schelklingen) – und nicht allzu weit von dort gelang auch der erste von 2 Funden 2018, unweit von Marbach im Biosphären-Reservat Schwäbische Alb im Rahmen von Kartierungsaufträgen.
Vogesen-Kohlenbeere (Hypoxylon vogesiacum) am 25.09.2018, Baden-Württemberg, Biosphären-Reservat Schwäbische Alb, "Jörgenbühl" bei Marbach, 711 m NN, an liegendem Stammstück von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Schluchtwald über Juralkalk (Fraxino-Aceretum pseudoplatani), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Vogesen-Kohlenbeere (Hypoxylon vogesiacum) am 25.10.2018, Bayern (knapp n. der Grenze zu Österreich), Allgäu, "Gerbertobel" s. Lindenberg/Allgäu, 813 m NN, an liegendem Stamm von Bergulme (Ulmus glabra) auf fast ganzer Länge in montanem Mischwald, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Diese Aufsammlung ist (durchaus frisch und voll-reif, aber) etwas älter und deshalb schon mehr schwarz gefärbt, während die 2. Aufsammlung (aus dem „Allgäu“ aus „Tobelwäldern“) noch ganz frisch und noch wunderbar violettlich gefärbt ist. Bei beiden Funden war Katharina dabei und sie ist der Meinung, dass sie die Art an dem violetten Farbton auch schon makroskopisch erkennen kann. Ich traue mir das in Anbetracht der vielen doch ähnlichen anderen Hypoxylon-Arten nicht zu, und so verbleibt nur das Mikroskop. H. vogesiaceum gehört hier allerdings durch die sehr großen Sporen (deutlich über 20 µm) zu den leicht bestimmbaren Arten – alle makroskopisch ähnlich aussehenden Arten (z.B. Artenkomplex um H. rubiginosum – mit Ausnahme von H. macrosporum) haben deutlich kleinere Sporen.
Die Mikroskop-Bilder zeigen nicht nur den hellen Keimspalt der düsteren Sporen, sondern auch sehr schön den Apikalapparat der Schläuche, der mit Jodreagentien (Lugol`sche oder Baral`sche Lösung, aber auch Melzers Reagens) wunderbar blau angefärbt wird (eu-amyloide Reaktion). Eine wichtige Unterscheidung ist die Form dieses Apikalapparates (Porus), der bei Hypoxylon im engen Sinne kurz ist und bei Nemania lang.
Vogesen-Kohlenbeere (Hypoxylon vogesiacum) am 25.10.2018, Bayern (knapp n. der Grenze zu Österreich), Allgäu, "Gerbertobel" s. Lindenberg/Allgäu, 813 m NN, an liegendem Stamm von Bergulme (Ulmus glabra) auf fast ganzer Länge in montanem Mischwald, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner - Beachten Sie die großen Sporen als Artmerkmal (oberes Foto) sowie die dunklen Sporen mit langem Keimspalt (unteres Foto) - dieser ist nicht auf jeder Aufnahme gut zu sehen, da die Fokussierung auf den Keimspalt in der Regel zu ansonsten unscharfen Sporen-Aufnahmen führt. Alle Kohlenbeeren (auch im weiten Sinne) und ihre Verwandten, die Holzkeulen, besitzen einen (unterschiedlich ausgeprägten) Keimspalt. |
Vogesen-Kohlenbeere (Hypoxylon vogesiacum) am 25.10.2018, Bayern (knapp n. der Grenze zu Österreich), Allgäu, "Gerbertobel" s. Lindenberg/Allgäu, 813 m NN, an liegendem Stamm von Bergulme (Ulmus glabra) auf fast ganzer Länge in montanem Mischwald, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner Dieses Präparat wurde mit Baral`scher Lösung gefertigt und zeigt die eu-amyloide, tief blaue Reaktion der bei Hypoxylon ss.str. (im engen Sinne) kurzen Apikalapparate (Ascus-Poren). Verwendung des letalen Melzers Reagens (mit Chloralhydrat) hätte hier nicht zu einem anderen Ergebnis geführt. |
Geschlängelte Kohlenbeere (Nemania serpens - früher Hypoxylon serpens) am 30.04.2018, Bayern, Mainfranken sw. Würzburg, "Loheholz" bei Hohestadt, ca. 220 m NN, in Eichen-Hainbuchen-Wald an totem Stammrest von Efeu (Hedera helix), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner Beachten Sie die bei Nemania deutlich verlängerten, "hutförmigen" Apikalapparate. N. serpens ist eine Ausnahme mit ihrer hemiamyloiden, roten Reaktion in Vital-Reagentien (Baral`sche oder Lugol`sche Lösung). Verwendung von Melzers Reagens hätte hier keine Reaktion erbracht! (bzw. nach Vorbehandlung mit KOH eine blaue). |
Das Foto von Nemania serpens zeigt eine weiter Eigentümlichkeit, nämlich eine hemiamyloide, rote Reaktion des Ascus-Porus. Diese funktioniert allerdings nur mit Vital-Reagentien (Lugol oder Baral) und nicht mit Melzers Reagens, da das in Melzer enthaltene Chloralhydrat die Zellen abtötet und die hemiamyloide Reaktion verhindert. Erstaunlicher Weise lässt sich aber bei den hemiamyloiden Arten nach KOH-Vorbehandlung auch eine Blaufärbung erzielen.
Doch noch einmal zurück zu H. vogesiacum. Alle meine Funde deuten darauf hin, dass die Art montan verbreitet ist und „Schluchtwälder“ (z.B. Pflanzengesellschaft des Fraxino-Aceretum pseudoplatani) ihr Haupt-Standort. Als Substratangaben findet man Ahorn (wohl meist Bergahorn) und Ulme – und dies sind auch bei unseren Funden die (wahrscheinlichen) Substrate.
Pilz des Monats Januar 2019: Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus)
Anm.: Der deutsche Name wurde eben hier von mir "erfunden" :-)
Die Gattung Cortinarius, die Schleierlinge, gelten seit jeher als besonders schwierige Pilzgattung – nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass die Gattung nahezu uferlos ist, extrem artenreich. Dazu kommt, dass die makroskopischen Farbmerkmale sehr wichtig sind, auf der anderen Seite aber auch extrem flüchtig – d.h. wenn man nicht auch junge Fruchtkörper zur Verfügung hat und man die Farben von Lamellen, Fleisch, Hut, Stiel und Velum in frischem Zustand bearbeiten kann, dann sind Bestimmungsversuche oft eher Zeitverschwendung. Dazu kommt, dass Mikromerkmale eher spärlich sind – natürlich die Sporengröße und ihr Ornament, dazu Inkrustationen auf Hyphenwänden, aber z.B. Zystiden fehlen den meisten Schleierlingen, wodurch schon einmal ein sonst bei Lamellenpilzen oft hilfreicher mikroskopischer Merkmalskomplex (weitgehend) ausfällt.
Schon immer gab es deshalb auch viel Verwirrung um die Deutung von Schleierlings-Namen und viele Änderungen und unterschiedliche Ansichten je nach Autor. Daran beginnt sich – wie auch sonst im Pilzreich – derzeit einiges zu ändern, denn die molekulare Untersuchung von immer mehr Schleierlingsproben deckt viele alte Irrtümer auf und ermöglicht neue Art- und Sektions-Abgrenzungen. Allerdings wird es noch einige Zeit brauchen, bis man wirklich mehr weiß und auch der „Normal-Sterbliche“ vielleicht der Möglichkeit zu korrekteren Schleierlings-Bestimmungen näher rückt. Und so hat sich jüngst eine Möglichkeit für mich ergeben, eigenen Schleierlings-Kollektionen solchen DNA-Sequenzierungen zuzuführen – allerdings wird es noch länger dauern, bis sich daraus (falls überhaupt) klare Ergebnisse ergeben werden. Im Zuge dieser Zusammenarbeit zeigte ich dem Freiburger Schleierlings-Fachmann Günter Saar auch Fotos einer Art, die mir schon länger Kopfzerbrechen bereitet – und von der bereits zwei DNA-Sequenzen vorliegen, durchgeführt von meiner Frau Katharina anlässlich ihres Fachberater-Seminares an der Universität Frankfurt im Februar 2017 (vgl. hierzu den Beitrag über Musumecia bettlachensis: http://www.pilzkunde.de/index.php/pilz-des-monats/pilz-des-monats-2017?start=9). Hierzu später gleich noch mehr.
Insofern traue ich mich heute (auch wenn es etwas mutig und vielleicht auch etwas voreilig ist), einen wenig bekannten Schleierling – aus der Untergattung der Hautköpfe (Dermocybe) – als Pilz des Monats vorzustellen – eine Art, die ich in den letzten Jahren im Schwäbisch-Fränkischen Wald und im Albvorland von Ost-Baden-Württemberg mehrfach in Nadelmischwäldern fand und die ich mit „normaler Literatur“ nicht wirklich bestimmen konnte.
Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 21.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden (zwischen dem Moos Rhytidiadelphus loreus und mit Wald-Sauerklee), leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), conf./rev. Günter Saar (anhand Foto), Foto Lothar Krieglsteiner |
Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 26.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden (zwischen dem Moos Rhytidiadelphus loreus), leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), Foto Lothar Krieglsteiner |
Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 28.9.2013, Anstieg zur Schwäbischen Alb (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Schwäbisch Gmünd, Weiler i.d. Bergen, "Költ", unter Fichte und Tanne in kleiner Parzelle inmitten von mesophilem Buchenmischwald, zwischen dem Moos Eurhynchium striatum, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), Foto Lothar Krieglsteiner |
Sporenfoto zu: Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 21.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), conf./rev. Günter Saar (anhand Foto), Foto Lothar Krieglsteiner - Die Sporenmaße ermittelte ich mit ca. 6-7,5/3,5-4,5 µm etwas kleiner als in der Literatur für C. pseudofervidus angegeben - dies würde ich aber "nicht zu hoch hängen". |
Sporenfoto zu: Gelbstieliger Blut-Hautkopf (Cortinarius cf. pseudofervidus) - 21.9.2013, Schwäbischer Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Alfdorf-Hintersteinenberg, "Hafental", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald über mäßig saurem, etwas basenhaltigem Boden, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Lothar Krieglsteiner (als C. cf. fervidus), conf./rev. G. Saar (anhand Foto), Foto Lothar Krieglsteiner - |
Wie ich dann doch bereits selbst zum (fast) richtigen Namen als „Arbeitstitel“ kam, nämlich zu Cortinarius fervidus, kann ich heute gar nicht mehr sagen, denn die Abbildungen in Internet und Literatur ähneln meinem Fund nur relativ begrenzt, so z.B. die bei Brandrud & al. in Cortinarius, Flora Photographica 1 – oder auch bei Bidaud & al. 2017 (Atlas des Cortinaires Teil 24, 2017 – bei den Abbildungen dort erscheint mir Cortinarius ominosus Bidaud am Ähnlichsten), allerdings gilt der Atlas des Cortinaires unter den Schleierlings-Forschern als unseriöse Publikation. Nun – wie ich schon sagte, liegen bereits 2 DNA-Sequenzen vor – allerdings habe ich „dummerweise“ nur von 2 der 3 Fundstellen Belege angefertigt – und ebenfalls nur von 2 der 3 Funde Standortsfotos (so ist es eben manchmal in der Saison, wenn die Funde während anstrengender Seminare statt finden). Nun – wie auch immer: der best-dokumentierte Fundort ist der vom „Hafental“ bei Alfdorf-Hintersteinenberg, denn von dort gibt es Exsikkat plus passable Standortsfotos. Und das DNA-Ergebnis? – landet ganz in der Nähe von C. idahoensis, einer (zumindest nach schnellem Googeln) gelb-lamelligen Art. Vielleicht ist die Sequenz nicht gut geglückt. Der zweite Beleg (bei Alfdorf-Burgholz, leider ohne Foto, aber in meiner Erinnerung genauso aussehend) landet DNA-technisch nahe beim Typus von Cortinarius rubrobrunneus (eine aus Kanada beschriebene, hauptsächlich durch geringe Unterschiede in der DNA abweichende Art). Und Günter Saar sagte zu meinem Foto (vom „Hafental“): „ist sehr wahrscheinlich fervidus (jetzt pseudofervidus), die Schwesterart zu rubrobrunneus“. Womit wir doch einige Klarheit in ein Feld voller Unklarheit gebracht hätten. Auf alle Fälle habe ich vor, diesen Pilz wieder zu finden und dann besser zu dokumentieren. Er ähnelt am Ehesten dem Blutroten Hautkopf (C. sanguineus) oder dem Blutblättrigen H. (C. semisanguineus), vom Ersten unterscheidet er sich schon durch die gelben Stiele und andere Rottöne – genauso wie vom Zweiten, der eher olivbraune Hutfarben aufweist. Gewisse Ähnlichkeiten kann man durch die weinrote Färbung des Hutes auch mit C. anthracinus sehen, aber die sind schon eher marginaler Natur. Auf alle Fälle: ein interessanter Hautkopf, der offensichtlich wenig bekannt ist. Vielleicht wird Katharina auch irgendwann klären können, wie gut er im Vergleich zu den genannten Arten zum Wolle-Färben geeignet ist 😊