Pilz des Monats Dezember 2018: Bruchblattmoos-Moosbecherling (Lamprospora esterlechnerae) – und eine weitere Art der Gattung aus Norwegen
Wenn ich auf das Jahr 2018 zurück blicke, so werde ich – wie die meisten Pilzleute in Mitteleuropa – vorrangig an die lange und nicht aufhörende Trockenheit denken, an die vielen Tiefdruckgebiete, die immer wieder Regen angekündigten, aber dann doch kaum einmal hielten, was sie versprachen – und damit auch an einige Kurse, bei denen man sich – ich sage es zurückhaltend – mehr Pilze gewünscht hätte. Aber wie es so ist: auch oder gerade in solchen Jahren hat man am Ende einiges an Besonderheiten gesehen. Dies gilt auch für 2018 – und nicht nur für solche kleinen Pilzchen, wie ich sie heute zeigen möchte: Pilze aus der Gruppe der Moosbecherlinge (F. Pyronemataceae, O. Pezizales = operculate Becherlinge, K Pezizomycetes, UA. Pezizomycotina, Abt. Ascomycota = Schlauchpilze).
Als "Moosbecherlinge" werden klassisch die Gattungen bezeichnet, die in einem parasitischen Verhältnis zu Moosen (in der Regel Laubmoosen – es gibt aber auch Arten an Lebermoosen) stehen, so die Gattungen Octospora (mit glatten oder warzig ornamentierten, niemals runden Sporen), Lamprospora (mit runden, stets auf sehr vielfältige Weise ornamentierten Sporen) sowie Neottiella (mit ornamentierten Sporen und Randhaaren) – dazu kommen Gattungen wie Octosporella (winzig, auf Lebermoosen) und Octosporopsis, auf die ich hier und heute nicht weiter eingehe. Es ist auch wahrscheinlich, dass die momentane Gattungs-Abgrenzung so keinen Bestand hat und die „wahre Verwandtschaft“ neben Moos-Parasiten auch andere Arten enthält – darauf weisen schon erste molekulare Befunde hin. Inoperculate Becherlinge, die (wohl meist saprobiontisch) auf Moosen wachsen (solche gibt es durchaus …) werden im Normalfall nicht mit dem Begriff „Moosbecherlinge“ belegt.
Nun – der Fund von Lamprospora esterlechnerae, „Roswitha Estherlechners Moosbecherchen“ oder wie von mir oben bevorzugt der „Bruchblattmoos-Moosbecherling“ (beide Wort-Ungetüme beweisen eigentlich nur, dass man bei solch kleinen und wenig bekannten Pilzen lieber auf den lateinischen Namen zurückgreifen sollte) war nicht ohne eine gewisse Situationskomik abgelaufen.
Bruchblattmoos-Moosbecherling (Lamprospora esterlechnerae) am 23.10.2018 im Tobel bei Eglofstal, an Dicranodontium denudatum, leg., det. L. Krieglsteiner & A. Gminder, conf. J. Eckstein, Foto L. Krieglsteiner |
Bruchblattmoos-Moosbecherling (Lamprospora esterlechnerae), Apothezium von unten, am 23.10.2018 im Tobel bei Eglofstal, an Dicranodontium denudatum, leg., det. L. Krieglsteiner & A. Gminder, conf. J. Eckstein, Foto L. Krieglsteiner |
Bei einem wissenschaftlichen Auftrag in „Tobelwäldern“ (das bedeutet in etwa so viel wie Schluchtwälder) im bayerischen Allgäu arbeitete ich am 23.10.2018 mit meinem Kollegen Andreas Gminder (www.pilzkurse.de und www.mykoshop.de) zusammen – und bei der Bearbeitung eines Plots (eigentlich ging es mehr um Boden- und Holzpilze) zeigte ich ihm das Bruchblattmoos (ich nenne es immer Bruchäste-Gabelzahnmoos - Dicranodontium denudatum; ich bin ja ein Fan der Moose und immer gerne dabei, anderen die Schönheit dieser Organismen zu vermitteln) und erwähnte dabei, dass auf diesem Moos ein Moosbecherling beschrieben ist, der bisher nur aus dem Nationalpark Bayerischer Wald bekannt ist (und der vom Autor Dieter Benkert zu Ehren der Erstfinderin Roswitha Esterlechner (s.o.) benannt wurde).
Bruchblattmoos bzw. Bruchäste-Gabelzahnmoos (Dicranodontium denudatum) auf morschem Nadelholzstamm im Urwaldrest Zofin (Tschechien), am 10.9.2015, Foto L. Krieglsteiner. D. denudatum ist in Mittelgebirgslagen an morschem (Laub- und) Nadelholz verbreitet, vor allem an luftfeuchten Standorten. |
Bruchäste von Dicranodontium denudatum, fotographiert am 29.8.2016 unweit von Wächtersbach (südlicher Vogelsberg), Foto L. Krieglsteiner. Das Moos ist am Habitus und den Bruchästen, die beim Darüber-Streichen in großer Zahl hängen bleiben, gut zu erkennen. Da muss man nur noch den Moosbecherling finden .... |
Kaum hatte ich dies gesagt, kam die Replik von Andreas: „hier ist ein Moosbecherling“ 😊.
Es ist durchaus so, dass ich nach dieser Art schon etwas länger suche …. – aber gefunden hatte ich die Art vorher nie. Sie ist die bisher einzig bekannte Art auf Dicranodontium denudatum - und durch noppig-warziges Sporenornament (in etwa ähnlich wie bei L. tuberculata) charakterisiert.
Lamprospora esterlechnerae, Fund vom 23.10.2018: Schlauch mit noppig ornamentierten Sporen sowie Paraphysen-Spitzen. Auch diese haben artspezifische Inhalte - ein Muster an Vakuolen-Guttulen. |
Lamprospora esterlechnerae, Fund vom 23.10.2018: Sporen im optischen Schnitt, auf die Mitte scharf gestellt. Das Ornament ist als Noppen erkennbar, in der Mitte sieht man frei durch auf den großen Öltropfen. Oben im Bild ein Schlauch mit völlig unreifen (noch nicht ornamentierten) Sporen. Foto L. Krieglsteiner |
Lamprospora esterlechnerae, Fund vom 23.10.2018: die gleichen Sporen wie im vorigen Bild im optischen Schnitt, auf die Oberfläche scharf gestellt. Das Ornament ist vor allem in der Mitte als Noppen erkennbar, der Rand ist unscharf geworden und der Sporen-Inhalt nicht erkennbar. Foto L. Krieglsteiner |
Lamprospora esterlechnerae, Fund vom 23.10.2018: ein weiteres Foto mit verschiedenen Ansichten des Sporen-Ornaments. Foto L. Krieglsteiner |
Lamprospora esterlechnerae, Fund vom 23.10.2018: leichte Anfärbung des Sporen-Ornamentes mit Lactophenol-Baumwollblau. Die Sporenornamente sind durch den Kontrast besser zu sehen als bei den Aufnahmen in Wasser (oben). Foto L. Krieglsteiner |
Lamprospora esterlechnerae, Fund vom 23.10.2018: Sporen mit Lactophenol-Baumwollblau angefärbt. Die deutliche Anfärbung bringt das Ornament viel deutlicher hervor. Es erscheint jedoch gegenüber den Vor-Fotos leicht verändert - durch das Abtöten? Foto A. Gminder |
Andreas Gminder danke ich für das Foto der mit Baumwollblau angefärbten Sporen. Ich denke immer, dass diese Färbung (die ja auch mit einem Abtöten der Sporen verbunden ist) zwar das Ornament deutlicher hervortreten lässt, dieses jedoch möglicherweise auch gegenüber dem Lebend-Zustand etwas verändert.
Ein anderer Moosbecherling, den ich dieses Jahr erstmals fand, ist Lamprospora lutziana – man könnte ihn „Lutzscher Moosbecherling“ nennen – oder auch „Quellmoos-Moosbecherling“, da er (wie die obige Art ausschließlich) an Gemeinem Quellmoos (Philonotis fontana) zu finden ist. Dieses Moos kommt auch im Flach- und Hügelland vor (auch wenn es dort in den meisten Regionen vor allem durch Nährstoffeinträge ausgerottet wurde) – der Becherling wurde jedoch bisher nur in arktisch-alpinen Regionen gefunden. So auch von mir (zusammen mit Katharina), im Nationalpark Jotunheimen (Norwegen), von wo die Fotos alle stammen. Funde aus Deutschland sind bisher meines Wissens nicht bekannt, aber z.B. aus alpinen Lagen in den Schweizer Alpen.
Lamprospora lutziana bzw. Quellmoos-Moosbechelring an Gemeinem Quellmoos (Philonotis fontana) am 16.7.2018, Norwegen, Nationalpark Jotunheimen, an arktisch-alpinem Standort an Bachlauf in Fjell-Vegetation, unter Strauchweiden, an mehreren Stellen, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Gemeines Quellmoos (Philonotis fontana) - der Wirt von Lamprospora lutziana. Oben "Splash-Cup-Mechanismus" (vergrößerte Blättchen um die Geschlechtsorgane, 9.6.2008 im NSG "Lindenfeld" bei Schwäbisch Gmünd-Weiler i.d.B.), unten Sporogone (23.6.2015, Norwegen, NP Jotunheimen). Fotos Lothar Krieglsteiner |
L. lutziana hat im Vergleich zu L. esterlechnerae ein viel feineres, warziges Sporen-Ornament - vergleichen Sie :-)
Sporenfotos von Lamprospora lutziana - ganz oben in Wasser, dann in Lactophenol-Baumwollblau. Die unteren beiden Fotos zeigen den gleichen Ausschnitt in unterschiedlichen Schärfe-Ebenen. Auch der Sporen-Öltropfen ist dadurch deutlicher bzw. undeutlicher sichtbar. Fund vom 16.7.2018, Norwegen, Nationalpark Jotunheimen, an Philonotis fontana in arktisch-alpiner Vegetation, Fotos Lothar Krieglsteiner |