Die gefährlichsten Giftpilze
Zunächst möchte ich klarstellen, dass die hier gegebene Zusammenstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat - es gibt zahllose weitere giftige Pilzarten. Außerdem möchte ich zur Klarstellung gleich voraus schicken, dass es jederzeit möglich ist, sich auch mit ganz normalen Speisepilzen zu vergiften - auf verschiedene Weise. Zum einen gibt es sogenannte "individuelle Unverträglichkeits-Reaktionen" - wie bei jedem anderen Lebensmittel auch. Jeder kennt Leute, die keine Äpfel, keine Erdbeeren, keinen Rosenkohl oder auch kein Gluten vertragen, obwohl diese Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile sicherlich nicht als giftig für jedermann bezeichnet werden können. Sonst wären sie auch kaum in jedem Supermarkt zu bekommen :-) - Bei Pilzen ist man da um Vieles kritischer - sicher ein wenig ungerecht. Ist ein Pilz, der für sagen wir 5 Prozent der Leute unverträglich ist (Beispiele wären z.B. die Nebelkappe oder der Gartenschirmling), ein Giftpilz oder nicht? Spannende Frage ... - wir werden sehen, dass es noch eine ganze Menge von Grenzfällen zwischen essbar und giftig gibt. So sind z.B. manche Magen-Darm-Giftpilze (ganz gegen Ende dieser Site) für einzelne Personen verträglich, ich spreche von "Rossnaturen" mit "Saumagen", sicher ein wenig flapsig :-) - dazu später mehr. Pilze, die nur für einen Teil der Menschen giftig sind, für die Mehrzahl aber nicht, werden auf dieser Site aber nicht behandelt.
Ein zweiter Punkt, den ich bei den Speisepilzen schon ansprach, sind rohe Pilze. Auch viele Speisepilze sind roh giftig und müssen für schadlosen Konsum einige Minuten und wirklich bis ins Innere hinein erhitzt werden, sonst drohen Vergiftungen durch rohe Pilze (Beispiele: Maronenröhrling, Rotkappe, Perlpilz oder besonders Flockenstieliger Hexenröhrling). Was ist nun mit den Pilzen, die ein thermolabiles (durch Kochen zerstörbares) Gift enthalten, roh oder ungenügend gegart aber so giftig sind, dass man an ihnen sterben kann? Ich rede vom Gyromitrin-Synrom, über das wir später ausführlich sprechen (Frühjahrslorchel u.a.). Dass man an diesen Pilzen sterben kann, auch wenn man sie gar nicht isst, macht die Sache noch pikanter. "Wie das?", fragen Sie? Da hilft nur Weiterlesen, um die Neugier zu befriedigen ...
Als dritten Punkt, wie man sich mit Speisepilzen vergiften kann, möchte ich alte und verdorbene Pilze erwähnen - "Gammelpilz" also. Wenn man sieht, was Leute so aus dem Wald schleppen und noch essen wollen, fragt man sich schon, ob die Gammelfleisch-Diskussion nicht ein wenig überzogen ist. Wie gesagt: gleiche Maßstäbe werden da nicht immer angelegt. Auf alle Fälle: verdorbene Pilze können eine Lebensmittelvergiftung auslösen - erst recht dann, wenn schon in größerem Umfang Bakterien oder Schimmelpilze im Spiel sind. Ich möchte hier die Popgruppe "Die Prinzen" aus ihrem überaus hörenswerten Lied "Vergammelte Speisen" zitieren: ".... verschimmelte Pilze - ich frag mich, wer will 'se ...." - auch der weitere Text ist dem Thema angemessen :-)
Und ferner: bisher als harmlos geltende Arten werden genauer untersucht und stellen sich als schädlich oder gar regelrecht giftig heraus. Ich sage immer, ein Speisepilz sei ein Giftpilz, dessen Wirkung noch nicht bekannt geworden sei. Sicher ist das übertrieben, aber in vielen Fällen trifft es eben zu. Noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts galten z.B. alle Schleierlinge als essbar - und seit 1952 weiß man, dass der Orangefuchsige Raukopf tödlich giftig ist (und heute gelten viele Schleierlinge als giftig). Einige Jahre später stellte sich der bis dahin (und heute noch in Osteuropa) als leckerer Speisepilz geltende Kahle Krempling als heimtückischer Giftpilz heraus (dazu später mehr) - und erst etwa ein Jahrzehnt ist es etwa her, seit der Speisepilz Grünling von vielen als ein Giftpilz angesehen wird. Wie ich schon bei der Darstellung einiger Speisepilze und oben ansatzweise schrieb, gibt es verschiedene Grauzonen zwischen Speise- und Giftpilzen, über die ich auch bei meinen Pilzseminaren informiere. Hier stelle ich in erster Linie die wirklich gefährlichen Giftpilze vor, vor denen sich der Pilzsammler in Acht nehmen sollte.
Aber auch hier gilt schon wieder: wo ist die Grenze? Nur sehr selten Todesfälle, aber bei hoher Dosierung durchaus schwere Vergiftungen gibt es beim Fliegenpilz (Amanita muscaria) - und ich beginne mit diesem, weil es einfach der "Giftpilz" schlechthin ist, den jeder kennt - und gleichzeitig ist es ein Glückspilz, ein Märchenpilz, ein mythisch-mystisch aufgeladenes Symbol.
Der Fliegenpilz ist ein Vertreter der Gattung der Knollenblätterpilze oder Wulstlinge (Amanita), von der wir hier gleich mehrere Arten am Stück abhandeln werden. Wer zuerst den Beitrag über Speisepilze gelesen hat (und das war vielleicht nicht falsch), weiß schon, wie man diese Gattung abgrenzen kann. Um ein Wulstling zu sein, muss ein Hutpilz folgende Merkmale vereinen: freie Lamellen (sie erreichen den Stiel nicht oder zumindest fast nicht), weißes Sporenpulver (im Abwurf - indirekt oft an den bis ins Alter weiß bleibenden Lamellen zu erkennen), Vorhandensein einer Teilhülle (die nach dem Aufschirmen einen Ring bildet) und Anwesenheit einer Gesamthülle. Dazu kommt die meist keulenförmig angeschwollene Stielbasis ("Knolle") sowie eine bei allen Arten leicht und meist ganz abziehbare Huthaut. Die Anwesenheit der Gesamthülle beim Fliegenpilz ist dafür verantwortlich, dass bei den "erwachsenen" Pilzen die bekannte weiße Sprenkelung des Hutes entsteht.
Fliegenpilz (Amanita muscaria - Foto K. Bornstedt aus dem Harz) - junge Fruchtkörper sind komplett von einer weißlichen Hüllschicht (Velum universale) umschlossen, die bald in kleine Fetzen (Pünktchen) aufreißt und die darunter liegende rote Huthaut freigibt - das Folgebild (Foto H. Magdanz in der Eifel) zeigt einen ausgewachsenen Fruchtkörper. Man beachte den glatten Ring und den fein gerieften Hutrand ...
Die "tortenstück-artig" abziehbare Huthaut der ganzen Gattung Amanita wurde bereits erwähnt - eine Besonderheit des Fliegenpilzes ist das (orange)-gelbe obere Hutfleisch, das darunter zum Vorschein kommt (Foto L. Krieglsteiner aus Kärnten, Österreich) ...
Jedes Kind weiß, dass der Fliegenpilz giftig ist. Aber stimmt das überhaupt? Schließlich gibt es Naturvölker, bei denen es sehr beliebt ist, Fliegenpilze zu essen - und auch in unserer modernen Gesellschaft finden sich immer wieder Menschen, die aus freien Stücken Fliegenpilze zu sich nehmen. Das liegt daran, dass die Haupt-Wirktstoffe des Fliegenpilzes psychoaktive Substanzen sind, "Rauschgift" also. Muscimol und Ibotensäure heißen die beiden Stoffe, die Halluzinazionen hervorrufen und die dafür sorgen, dass Fliegenpilz auch als Bestandteil von Hexensalben verwendet wird - der Pilz "zum Fliegen" also, auf dem (imaginären, mentalen) Besen in der Walpurgisnacht. Man sagt aber, dass man sich nach der Intoxikation nicht erinnert und dass so mancher im Rausch peinliche Dinge aufgeführt haben soll :-( ... - Anders ist das beim Psilocybin, ebenfalls einer pilzlichen Substanz, die das Bewusstsein verändert - dazu lesen Sie bitte hier weiter. Doch zurück zum Fliegenpilz: bei russischen Naturvölkern ist es sogar üblich, dass die Fürsten die Pilze zu essen bekommen, die Untertanen aber den Urin trinken, den diese ausscheiden - die psychotropen Substanzen werden unverdaut wieder ausgeschieden. Um sich Fliegenpilze zu gönnen, sollte man aber schon sehr genau wissen, wie man sie dosieren soll - denn Überdosierungen können gefährlich und unangenehm sein. Das liegt auch daran, dass neben Muscimol und Ibotensäure auch - wenn auch nur wenig - Muscarin im Fliegenpilz vorliegt, eine Substanz, die wir weiter unten bei den Risspilzen wieder aufgreifen. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg - wir machen weiter mit Knollenblätterpilzen, und zwar mit dem Pantherpilz (Amanita pantherina). Dieser enthält genau die gleichen Substanzen wie der Fliegenpilz, nur etwas mehr ...
Pantherpilz (Amanita pantherina - im Nationalpark Eifel) - achten Sie auf die Reste der Gesamthülle auf dem Hut, die als rein weiße, recht kleine Sprengsel ("Pünktchen") erhalten bleiben. Dazu kommt der fein bis deutlich geriefte Hutrand sowie die Stielmerkmale: ...
Pantherpilz: Ring glatt (Aufnahme L. Krieglsteiner aus Mainfranken bei Kitzingen, Bayern) | Pantherpilz: unter dem Ring (Teilhülle) finden sich die Reste der Gesamthülle als (doppelter!) Ringwulst (Bergsteiger-Söckchen - Aufnahme L. Krieglsteiner bei Schwäbisch Gmünd, Vorland der Schwäbischen Alb) |
Wenn man auf die genannten Merkmale achtet, ist der Pantherpilz leicht zu erkennen und vom essbaren Perlpilz (vgl. Speisepilze!) und auch vom Grauen Wulstling (über den ich hier nicht berichte) zu unterscheiden. Beide haben einen gerieften Ring:
Perlpilz oder Rötender Wulstling (Amanita rubescens - Foto K. Morschek aus Nordrhein-Westfalen) - Ring deutlich gerieft (gestreift), siehe unter Rubrik Speisepilze ...
Ab jetzt wird es wirklich giftig - dies gilt vor allem für die folgenden 5 Pilzarten, die zu zwei verschiedenen "Syndromen" gehören - das erste behandelte Syndrom ("Pantherina-Syndrom" mit Fliegen-und Pantherpilz und Wirkstoffen Ibotensäure und Muscimol) führt ja nur selten und bei Überdosierung zu gefährlichen Vergiftungen. Dies ist beim Phalloides-Syndrom (die nächsten 3 Pilzarten) und beim Orellanus-Syndrom (weitere 2) anders. Die nächste Pilzart, der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) ist für ca. 90 Prozent der tödlichen Pilz-Vergiftungen in Europa zuständig. Dies gilt immer noch, obwohl die Medizin in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht hat und immer mehr Menschen die Vergiftung überleben. Voraussetzung: schnelle Diagnose und Einleitung von Gegenmaßnahmen. Aber leider ...
Grüner Knollenblätterpilz (Amanita phalloides - "death cap" auf Englisch, Foto aus der Rhön bei Gefäll, Bayern) - beachten Sie die Reste der Gesamthülle. Sie löst sich hier nicht wie bei Fliegen- und Pantherpilz in Fetzen auf, sondern bildet eine durchgehende Haut - und nach Streckung des Stiels verbleibt an der Stielbasis eine Scheide oder Volva, eine Art Sack, in dem der ganze Pilz steckt. Die Teilhülle ist auf dem Foto noch gespannt, sie hinterlässt einen fein gestreiften Ring. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist der eingewachsen faserige Hut (grünlich-marmoriert), der genatterte (grün-weiß gesprenkelte) Stiel sowie der honigartige Geruch. Der Grüne Knollenblätterpilz sieht auch appetitlich aus und soll gut schmecken, soweit das die Überlebenden berichtet haben ... - Der Grüne Knollenblätterpilz ist wärmeliebend und deshalb bei uns vor allem in Laubwäldern über Kalkböden häufig. Er fehlt weitgehend im winterkalten, kontinentalen Russland - darum wird er vor allem von Russen und Russland-Deutschen meist nicht gekannt ...
... wir sprachen noch davon, dass leider trotz der Fortschritte in der Medizin immer noch Menschen an Knollenblätterpilz-Vergiftung sterben. Das liegt am eigenartigen Verlauf der Vergiftung. Die Amatoxine und Phallotoxine (ein Gemisch vieler ähnlicher von den Pilzen gebildeter eiweißartiger Substanzen, vor allem α-Amanitin) führen zunächst zu einer heftigen Magen-Darm-Reizung, also zu einer typischen Pilzvergiftung, wie sie auch von anderen Pilzen (vgl. u.a. weiter unten unter Tiger-Ritterling) bekannt ist. Stutzig sollte man vor allem werden, wenn eine solche Vergiftung erst mehrere Stunden bis zu einem Tag nach der Pilzmahlzeit auftritt (lange Latenzzeit). Nun - wer jetzt (in der "gastrointestinalen Phase") Alarm schlägt und auf fähige Ärzte trifft, hat heute gute Überlebenschancen. Das Problem ist aber, dass es einem nach etwa ein bis zwei Tagen wieder besser geht und dann immer wieder Betroffene denken, sie hätten das Schlimmste überstanden, sie hätten eben "eine Rossnatur". Doch dann geht es weiter, und wenn dann die nächsten Symptome auftreten, ist es in der Regel für Hilfe zu spät. Die Gifte haben dann damit begonnen, die Leber irreversibel zu zersetzen und auch die Niere und andere innere Organe zu schädigen ("hepatorenale Phase").
Der Grüne Knollenblätterpilz muss nicht notwendigerweise grün auf dem Hut sein - es gibt auch mehr braune und vor allem auch rein weiß gefärbte Formen, die auch als Weißer Knollenblätterpilz (in Südeuropa auch als möglicherweise eigene Art Frühlings-Knollenblätterpilz Amanita verna) bezeichnet werden.
Weiß ist jedoch auch der Kegelhütige Knollenblätterpilz (Amanita virosa), der bei uns in Wäldern auf sauren Böden vorkommt, oft an feuchten Standorten. Gerade dieser kann durchaus mit Champignons verwechselt werden, wenn man nicht auf die oft tief im Boden steckende Volva (Gesamthülle-Reste) achtet und ignoriert, dass die vermeintlichen Champignons rein weiße Lamellen haben ... Der Kegelhütige Knollenblätterpilz hat die gleiche Giftwirkung wie der Grüne :-(
Kegelhütiger Knollenblätterpilz (Amanita virosa - englisch "destroying angel" - Foto E. Kajan aus dem Schwäbischen Wald) - beachten Sie bitte den nie ganz aufschirmenden, immer kegelig bleibenden Hut, den stark genatterten Stiel sowie wie beim Grünen Knollenblätterpilz die an der Stielbasis verbleibende sackartige Volva. Auf dem Foto sieht man die Pilze inmitten eines Torfmoos-Rasens (Sphagnum spec.) - dieser weist auf saure und feuchte Standorte hin :-)
Kegelhütiger Knollenblätterpilz (Amanita virosa) - Jugendstadium (Foto L. Krieglsteiner aus dem Schwäbischen Wald). Die Gesamthülle spannt sich noch um den ganzen Pilz, der wie ein Ei aussieht ... | Amanita virosa - Einzelfruchtkörper (Foto L. Krieglsteiner aus dem Nationalpark Risnjak, Kroatien) - auch hier gut sichtbar der kegelige Hut, die sackartige Volva und der genatterte Stiel - im Hintergrund der Säurezeiger Sprossender Bärlapp (Lycopodium annotinum) |
Es gibt eine ganze Reihe weiterer Pilzarten mit Knollenblätterpilz-Gift. Auf die zahlreichen Arten der Gattung der Kleinschirmlinge (Lepiota im engen Sinne) gehe ich hier nicht ein, das würde den Rahmen dieser Site sprengen (kaufen Sie sich ein gutes Pilzbuch oder noch besser: belegen Sie ein Pilzseminar von Pilzschule Schwäbischer Wald).
Einen Pilz mit Knollenblätterpilz-Gift gebe ich aber noch zum Besten: den Gifthäubling (Galerina marginata) - als Doppelgänger des begehrten Speisepilzes Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis) ...
Gifthäubling (Galerina marginata - Foto L. Krieglsteiner aus Kärnten, Österreich) - man beachte bei diesem reichlichen und auch typischen Vorkommen die bei feuchtem Wetter einfarbig (durchgefärbten) Hüte, das zwar rasige, aber nicht büschelige Wachstum sowie die beringten, vor Berührung silbrigweiß überfaserten Stiele. Und nun frage ich Sie: besteht große Ähnlichkeit zu folgendem Pilz?
Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis - auch Pholiota mutabilis, Aufsasmmlung aus dem Schwäbischen Wald, Foto L. Krieglsteiner)
... Nun ja - schon. Immerhin sind beide Pilze von ähnlicher Statur, mehr oder weniger rotbraun, wachsen beide auf Holz, haben beide einen Ring am Stiel und die gleiche Sporenpulverfarbe (sie sehen es teilweise auf dem Ring als rostbraune Spuren abgelagert!). Aber das Stockschwämmchen wächst in Büscheln und - vor allem - es ist seltsam zweifarbig. Die Hüte haben eine Zonierung mit einer trockenen Innenseite und einem durchfeuchteten Randbereich. Diese Zonengrenze rutscht bei Trockenheit weiter nach außen, bei Feuchte weiter nach innen. Hüte des Stockschwämmchen sind aber so gut wie nie ganz durchfeuchtet, und es dauert lange, bis sie komplett austrocknen. Die Tatsache, dass Pilze (hier beide Arten) Hüte haben, die trocken und feucht verschiedene Färbungen annehmen, nennt man Hygrophaneität (das Adjektiv "hygrophan").
Gifthäubling (Galerina marginata - Foto L. Krieglsteiner aus dem Schwäbischen Wald bei Adelmannsfelden) - ... die meisten Fruchtkörper sind ausgetrocknet. Beachten Sie aber den Fruchtkörper links. Er sieht aus wie ein Stockschwämmchen, mit der ringartig begrenzten Zonengrenze zwischen feucht und trocken. Der Gifthäubling sieht aber nur eine relativ kurze Zeit so aus wie der Fruchtkörper links. Bei feuchtem Wetter sieht er aus wie auf dem Bild aus Kärnten (über dem Stockschwämmchen), bei trockenem Wetter dauert es nur Stunden, und alle Fruchtkörper sind komplett entfärbt. Verwechslungsgefahr besteht vor allem in der Zwischenzeit - vor allem, wenn man die Tatsache bedenkt, dass der Gifthäubling selten auch büschelig vorkommt, und vor allem die Tatsache, dass beide Arten auch gemeinsam auf einem Stumpf oder Stamm wachsen können. Dann ist höchste Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten. Wie kann man beide denn nun sicher unterscheiden? Nun: das geht zum einen am Geruch: das Stockschwämmchen riecht lecker würzig-pilzig, der Gifthäubling ganz anders - je nach Nase eher nach Kakao, Mehl oder auch Rettich. Aber was ist, wenn man Schnupfen hat - und man kann ja auch nicht jeden Fruchtkörper beriechen. Es gibt ein wirklich sicheres Merkmal - bei frischen und jungen Pilzen, und nur die will man ja sammeln: es ist die Stiel-Oberfläche. Wir sahen ja schon oben: beim Gifthäubling gibt es die silbrig-weißliche Überfaserung.
Gifthäubling (Galerina marginata - Foto L. Krieglsteiner aus der Asse, Niedersachsen) - silbrig-faserige, anliegende Stielbekleidung | Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis - Foto L. Krieglsteiner aus dem Solling, Niedersachsen) - abstehende, braune Schüppchen am Stiel |
Die Bilder und ihre Unterschrift verraten das wichtigste Merkmal - sind die Schüppchen am Stiel vorhanden, ist es nicht der gefährliche Giftpilz. Allerdings: es gibt noch viel mehr Verwechslungsmöglichkeiten für das Stockschwämmchen. Eher kein Anfänger-Speisepilz - deshalb habe ich es auch nicht in die Site über Speisepilze aufgenommen. Abgesehen davon: kaufen Sie niemals "Stockschwämmchen" im Glas. Dies ist ein Etikettenschwindel, denn diese Gläser enthalten eine chinesische Schüpplingsart (Pholiota nameko). Abgesehen davon, wie diese möglicherweise frisch schmecken: die Einmachpilze im Glas sind ekelhafte Schleimbatzen, aus meiner Sicht vollkommen ungenießbar :-(
Wir lassen nun das Phalloides-Syndrom (mit Knollenblätterpilzen, Schirmlingen und Gifthäubling - es gibt ferner Glockenschüpplinge, die die gleichen Gifte enthalten) hinter uns und wenden uns dem zweiten Syndrom mit lebensgefährlichen Giftpilzen zu, dem Orellanin-Syndrom. In den letzten Jahren sind hier große Fortschritte in der Therapie geglückt - und so ist es heute eher selten, dass man an Rauköpfen (s.u.) stirbt. Trotzdem: große Vorsicht vor diesen Nieren-Giftpilzen ist geboten. Besonders heimtückisch ist nämlich deren sehr lange Latenzzeit von mehreren Tagen bis zu 3 Wochen, die sicher für die späte Entdeckung des Orellanins, wie die Substanz genannt wurde, verantwortlich ist. Bei der Entdeckung 1952 gab es in Polen eine rätselhafte Epidemie von schweren Nierenerkrankungen, teils mit Todesfolge, und so hat man nachgeforscht und herausgefunden, dass alle Patienten auf der gleichen Hochzeit von der gleichen Pilzmahlzeit gegessen hatten. Vertrauen muss man haben ...
Die erste von beiden Arten ist der Orangefuchsige Raukopf (Cortinarius orellanus), der in Laubwäldern (Buche, Eiche, selten auch bei Tanne) auf eher trockenen, sauren Böden zu finden ist. Im Schwäbischen Wald ist die Art relativ selten - in großen Mengen fand ich sie z.B. in sauren Eichenwäldern in Nationalpark Eifel. Häufig oder selten? Das kommt immer auf die Gegend an. Lesen Sie zum Orangefuchsigen Raukopf Art hier weiter und schauen Sie sich die Bilder an - dann einfach zurück und zum ...
Spitzkegeliger Raukopf (Cortinarius rubellus alias C. speciosissimus) - .. Auch diese Art wächst auf sauren Böden - aber im Gegensatz zu C. orellanus mehr an feuchten, gerne sogar nassen Standorten. Beide Arten ähneln sich durchaus und haben auch die gleichen Inhaltsstoffe. Unterschiede sind die Hutform (mehr oder weniger abgerundet bis abgeflacht beim Orangefuchsigen, meist spitz gebuckelt beim Spitzkegeligen Raukopf) und die Stieloberfläche. Während diese beim Orangefuchsigen Raukopf einfarbig und nur faserig ist, trägt sie beim Spitzkegeligen Raukopf deutliche Velumbänder - zumindest in jungem Zustand und solange die Pilze nicht durch zu viele Hände gegangen sind ...
Spitzgebuckelter Raukopf (Cortinarius rubellus - Foto K. Müller aus dem Schwäbischen Wald) - man beachte den Hutbuckel und die gelblichen Velum-Gürtel am Stiel. Diese sind leider auch ganz schnell abgegriffen ...
Was zeichnet aber einen Raukopf aus. Nun - kurz gesagt - es ist ein Schleierling mit bunter Färbung und trockenen, nicht glatten Hüten. So weit so gut - aber was ist ein Schleierling? Man könnte meinen, ein Pilz, der ganz schleierhaft ist und dies trifft tatsächlich für einen Großteil der Gattung zu, die die größte der Lamellenpilze ist - mit ungefähr 500 Arten in Mitteleuropa, die teils nur sehr schwer zu kennen sind. Gut kenntlich sind aber die beiden tödlich giftigen :-)
Nun - schleierhaft hin und schleierhaft her: ein Schleierling (Cortinarius) ist ein rostbraun-sporiger Faserblätterpilz mit einer Teilhülle, die keine durchgehende Haut ist (also auch keinen Ring ergibt) sondern aus spinnweben-artigen Fasern besteht, dem Schleier oder Cortina. Man kann sich leicht vorstellen, dass diese sehr vergänglich ist und bei älteren Fruchtkörpern oft nicht mehr feststellbar ist:
Schleier (Cortina) des Spitzkegeligen Raukopfes (Cortinarius rubellus - Foto L. Krieglsteiner, aus dem Schwarzwald bei Hornberg, angefertigt mit DNT-Digital-Mikroskop) | manchmal fehlt der Hutbuckel - Spitzkegeliger Raukopf aus Kärnten (Österreich - Foto L. Krieglsteiner) |
Orellanin ist nur in den beiden Raukopf-Arten nachgewiesen, sonst nirgends. Wir machen also weiter und nehmen uns das nächste Syndrom vor - und repräsentativ besprechen wir die Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta), einen tödlichen Giftpilz. Aber gleichzeitig auch einen wohlschmeckenden Speisepilz. Wie kann das sein? Nun - ganz einfach, roh ist der Pilz tödlich giftig. Der Wirkstoff Gyromitrin bzw. sein Abbauprodukt MMH (Monomethylhydrazin) sind hitzelabil, gehen also beim Kochen kaputt. Ich wies schon im Speisepilz-Kapitel darauf hin, dass sehr viele Speisepilze roh giftig sind, aber eben nicht tödlich, sondern nur "magen-darm-giftig" - nach genügend langem Erhitzen sind sie alle unproblematisch. Bei der Frühjahrslorchel war das lange anders. Sie wurde viel und mit Genuss gegessen (Marktpilz noch heute in Ost- und teils Nordeuropa), aber immer wieder gab es trotz Einhalten aller Vorschriften (langes Abkochen und Wegschütten des Kochwassers) rätselhafte Todesfälle. Heute weiß man, dass diese (meist?) durch das Einatmen von Kochdämpfen verursacht wurden! Trotzdem ist man vorsichtig: bei uns gilt die Frühjahrslorchel als Giftpilz und wird von Pilzberatern und Sachveständigen nicht zum Verzehr freigegeben. Wer sie probieren will, muss das auf eigene Gefahr tun ... - wir sehen aber: die Grenze vom Gift- zum Speisepilz ist eine fließende Angelegenheit - eine Aussage, für die wir noch mehr Belege finden werden.
Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta - Foto L. Krieglsteiner aus dem Bayerischen Wald) - die Art besiedelt saure, nährstoffarme Böden und baut (u.a.) Holz von Laub- und Nadelbäumen ab. Neben der Frühjahrslorchel enthält auch die Riesenlorchel (Gyromitra gigas) größere Mengen an Gyromitrin - in (kaum relevanten) Spuren ist das Gift in einer größeren Zahl von Schlauchpilzen (Becherlingen u.a.) vorhanden. Was ein Schlauchpilz ist, erkläre ich ein anderes Mal ... (im noch nicht fertigen Kapitel Systematik der Pilze).
Frühjahrslorchel (weiteres Foto L. Krieglsteiner aus dem Bayerischen Wald) - gut zu sehen die hirnartige Struktur |
Kronenbecherling (Sarcosphaera coronaria - Foto K.-H. Morschek) - in Laubwäldern auf Kalkböden, recht selten. Nach neuen Untersuchungen (Wälti 2015) enthält der Pilz vermutlich doch kein Gyromitrin (MMH) - doch "nur" magen-darm-giftig? |
Nachdem wir nun schon einen Grenzfall vom Speisepilz zum tödlichen Giftpilz kennen gelernt haben, wenden wir zwei weiteren solchen zu - bzw. zunächst einem von ihnen und dem sogenannten Paxillus-Syndrom. Wer unsere Großeltern (sofern sie sich mit Pilzen auskannten) nach dem Speisewert von Pilzen fragte, wird von ihnen wahrscheinlich mit einem Leuchten in deren Augen erfahren haben, dass der Kahle Krempling oder Empfindliche Krempling (Paxilus involutus) ein (erhitzt - roh is er wirklich giftig) hervorragender Speisepilz sei. Und wenn man heute nach Russland oder manche Teile Skandinaviens fährt, wird man immer noch dasselbe zu hören bekommen. Und in der Tat: die Mehrzahl der Menschen dort (bei uns ist ihn wohl niemand mehr) wird diesen Pilz sein Leben lang essen und dann irgendwann einmal an Alters-Krankheiten versterben. Ein gewisser (sehr kleiner?) Anteil von Menschen wird allerdings "zwischendurch" an dem Pilz sterben, denn für die Inhaltsstoffe des Pilzes werden im Blut Antikörper gebildet, die bei erneuter Pilzmahlzeit zu einem tödlichen Immunschock führen können. Ein bisschen russisch Roulette also gefällig? Eher nicht ... - so gut kann der Krempling gar nicht schmecken.
Empfindlicher Krempling (Kahler Krempling, Paxillus involutus - Foto L. Krieglsteiner aus der Nähe von Hornberg im Schwarzwald) - man beachte den eingerollten Hutrand ("Krempling" - wie eine Hutkrempe), den filzigen, nicht kahlen Hut sowie die herablaufenden Lamellen. Warum besser "Empindlicher" als "Kahler" Krempling. Nun - zum Einen ist der Kahle Krempling alles andere als kahl bzw. glatt, zum anderen .... - sehen Sie sich das nächste Foto an :-)
Kahler Krempling (Paxillus involutus - Foto N. Kannenwischer aus dem Schwäbischen Wald) - bei Berührung fleckt die Art nach kurzer Zeit braun; alte Pilze sind deshalb auch oft dunkler als junge. Der Pilz verhält sich also gegenüber Berührungen sehr "empfindlich". Das "unappetitliche" Aussehen schreckt in der Tat manchen Pilzesucher ab.
Speisepilz oder Giftpilz - das ist auch beim nächsten Syndrom eine Frage der Sichtweise. Personen, die ein anderes Gift nicht schätzen, haben z.B. gar kein Problem mit Pilzarten, die Coprin enthalten - und der häufigste und klassische Vertreter ist der Faltentintling (Coprinopsis atramentaria, früher Coprinus atramentarius). Giftig wird eine Faltentintlings-Mahlzeit (die in Anbetracht des eher wenig appetitlich aussehenden Pilzen recht wohlschmeckend sein muss) erst in Kombination mit Alkoholkonsum. Wie das? Nun - das im Pilz enthaltene Coprin blockiert ein Enzym, das im Körper beim Alkoholabbau einen Zwischenschritt ermöglicht, nämlich den Abbau vom giftigen (im Körper nur sehr kurzfristig anfallenden) Acetaldehyd zur unschädlichen Essigsäure - der Acetaldehyd-Dehydrogenase (ADH). Die Erfahrung ist gottseidank kurz und dauert nur etwa 2-5 Stunden - allerdings kann diese Zeit sich sehr lange anfühlen. Symptome wie Kopfschmerzen, Atemnot, Angstzustände, Schwindel, Schweißausbrüche, Herzrasen bis hin zu Herzrhythmus-Störungen, Atemnot und Kollaps, gepaart mit einem metallischen Geschmack im Mund und starkem Jucken weiter Hautpartien klingen nicht nach einem "netten Abenteuer". Also: wer Tintlinge mit Genuss essen will, muss mindestens 5 Tage auf Alkohol verzichten können, denn 2-3 Tage im Vor- und Nachgang besteht die Gefahr dieser unschönen Koinzidenz ...
Faltentintling (Coprinopsis atramentaria, früher Coprinus atramentarius - Foto L. Krieglsteiner aus der Algarve, Portugal) - man beachte die faltigen Hüte, die grauen Farben, das flockige Velum auf dem Hut und - im Bild nicht zu sehen - die grauen, bald schwarz werdenden Lamellen ...
Bevor wir mit dem Muscarin-Syndrom und den "Magen-Darm-Giftpilzen" (dem gastrointestinalen Syndrom) den Endspurt dieser (unvollständigen) Abhandlung einläuten, folgt hier noch ein Pilz (bzw. ein ganzes Syndrom mit verschiedenen Pilzen), die nicht so eindeutig den Speise- bzw. Giftpilzen zugeordnet werden können. Der Protagonist, der Grünling (Tricholoma equestre i.w.S.), ist in älteren Pilzbüchern vom Schlage "Die 20 besten Speisepilze" meist enthalten, war er doch früher ein häufiger Pilz. Heute ist er (wie viele Mykorrhizapilze - was das ist, erkläre ich in einem anderen Beitrag ...) selten bis sehr selten geworden, denn er reagiert sehr empindlich gegenüber Stickstoffeinträgen - oder auf deutsch gesagt: gegen Düngung. Deshalb war er als Speisepilz ohnehin in der Bedeutung zurückgetreten, bevor er vor Kurzem zum Giftpilz erklärt wurde. Giftpilz - so plötzlich? Nun: am Anfang des Jahrtausends passierte fast zeitgleich fast das Gleiche in Polen und in Frankreich. Eine Gruppe von jungen Menschen fand in abgelegenen Regionen viele Grünlinge und entschied sich dafür, über den Zeitraum von ca. 2 Wochen nahezu täglich wirklich große Mengen (meist zwischen 400 und 800 g Frischpilze) täglich zu verspeisen. Man kann auch sagen, sie haben sich schlicht an den Pilzen "überfressen". Nun - dann passierte etwas, was sonst noch nie aufgefallen war: ein Teil der Personen entwickelte eine "Rhabdomyelyse" und es kam zu Todesfällen. Rhabdomyelyse? Das ist eine Auflösung der quergestreiften Muskulatur, die auch im Herz vertreten ist - im Übrigen eine schmerzvolle und sicher nicht angenehme Art, diesen Planeten zu verlassen. Seither ist der Grünling zum Giftpilz deklariert worden - ganz uneingedenk der Tatsache, dass ihn maßvolle Personen nach wie vor mit Genuss verspeisen und der anderen Tatsache, dass (im Mäuseversuch ...) bei weiteren Pilzen diese Eigenschaft gefunden wurde (welche das z.B. sind, verrate ich Ihnen hier ganz bewusst nicht). Der Grünling jedoch darf sowieso nicht mehr gesammelt werden, denn er steht auf der Liste der geschützten Pilzarten - zu diesem Thema werde ich auch demnächst einmal ein Statement verfassen ...
Grünling (Tricholoma equestre - Foto L. Krieglsteiner aus Kärnten, Österreich) - der ganze Pilz ist gelblich gefärbt, mit Brauntönen auf dem Hut. Das Fleisch ist aber weiß. Der Grünling gehört zu den Ritterlingen - das sind weißsporige Faserblätterpilze mit "Burggraben", d.h. mit Lamellen, die den Stiel zwar erreichen, davor aber deutlich schmäler werden.
Doch nun - endlich - wieder zu Giftpilzen, die Giftpilze sind, ohne Wenn und Aber. Wer Pilze mit dem Wirkstoff Muscarin zu sich nimmt, muss damit rechnen, dass er diese schon nach einigen Minuten, spätestens etwa 2 Stunden, wieder hergibt - neben Erbrechen und Durchfall sind vermehrter Speichel- und Tränenfluss, Pupillenverengung, Schweißausbrüche und Kreislaufkollaps typische Symptome. Die Muscarin-Vergiftung ist ernst, kann jedoch gut therapiert werden - durch das Antidot Atropin (Gift der Tollkirsche Atropa belladonna). Aber bitte: nicht selbst in den Wald rennen und Tollkirschen essen (das kann man eher ohnehin nicht mehr ...), sondern dem Arzt vertrauen, der die Dosierung genau abzustimmen sich zumindest sehr bemühen wird. Muscarin ist in einer großen Zahl von Pilzen enthalten - die meisten von ihnen gehören in die Gattungen der Risspilze (Inocybe) und der Trichterlinge (Clitocybe). Wir stellen drei von ihnen kurz vor - der Hinweis ist aber nötig, dass es viel mehr Arten gibt, die z.T. ganz anders aussehen.
Feldtrichterling (Clitocybe rivulosa - Foto L. Krieglsteiner aus Hessen) - eine von mehreren Arten der "scheinbereiften" oder "gefirnissten" Trichterlinge. Typisch sind jung porzellanartig weiße und glatte, fast glänzende Hüte, die im Alter, auf Druck und bei Nässe den Blick frei machen auf tieferliegende Schichten mit braunem Pigment. Alle scheinbereiften (und noch weitere Arten der Gattung der) Trichterlinge sind giftig - auf Wiesen muss vor allem beim Sammeln des Nelkenschwindlinges (Marasmius oreades), der ein leckerer Würzpilz ist, auf diese Pilze geachtet werden.
Ziegelroter Risspilz (Inocybe erubescens, früher I. patouillardii - Foto E. Kajan) - man beachte die ziegelrote Verfärbung im Alter und bei Berührung/Verletzung. Junge Pilze sind aber nahezu weiß gefärbt. Da der Pilz vor allem im Frühjahr (Mai-Juli) wächst, kann er in jungem Zustand mit dem essbaren Maipilz (Calocybe gambosa) verwechselt werden. Dieser hat aber einen glatten, abgerundeten Hut (nicht faserig und kegelig), weißes Sporenpulver sowie einen starken Mehlgeruch.
Kegeliger Risspilz (Inocybe rimosa, früher I. fastigiata - Foto L. Krieglsteiner im Nationalpark Eifel, Nordrhein-Westfalen) - ... ein typischer Vertreter der artenreichen Gattung. Wie erkennet man einen Risspilz? Nun - zunächst einmal handelt es sich um Pilze mit recht dunkel braunem (tabakbraun, milchkaffebraun) Sporenpulver - die zunächst oft hellen Lamellen färben sich mit der Zeit "straßendreck-graubraun". Ein weiteres Merkmal ist die meist radial faserige (manchmal aber auch schuppige) Huthaut, die an den Fasern auch zum Einreißen neigt. Dazu kommt der meist deutlich gebuckelte Hut und - bei vielen, aber nicht allen Arten - ein spermatischer Geruch. Wer sich an diesen Geruch nicht mehr vom Original erinnert, kann ihn gut an Risspilzen wieder ins Gedächtnis rufen *g*. Der Kegelige Risspilz riecht jedenfalls wie viele Arten der Gattung so. Die Bestimmung von Risspilzen zur Art ist meist schwierig und oft nur mit dem Mikroskop sicher möglich, was den meisten Speisepilzsammlern aber egal sein dürfte ...
Nun aber zu den Magen-Darm-Giftpilzen (gastrointestinales Syndrom), dem restlichen Sammelbecken von Pilzen, die durch die Gesamtheit ihrer Pilz-Eiweiße Unverträglichkeiten im Magen-Darm-Sektor hervorrufen, in der Regel ist nicht eine einzelne Substanz (etwa Terpene etc.) verantwortlich zu machen. Die Latenzzeit ist wie beim Muscarin oft sehr kurz (direkt im Anschluss an das Essen bis zu 4 Stunden), die Vergiftung heftig, aber in der Regel ohne langfristige Folgen. Der Verlauf ist bei manchen Arten schwerer, bei anderen meist leichter und es gibt oft Einzelpersonen, die auch Magen-Darm-Giftpilze vertragen (z.B. Giftchampignon und Satanspilz, jeweils s.u.). Die Grenze zu Arten, die für viele Personen essbar sind, aber doch häufiger Unverträglichkeits-Reaktionen hervorrufen (z.B. Nebelkappe, Gartenschirmling - hier nicht behandelt) ist dabei fließend. Es würde den Rahmen dieser Site bei Weitem sprengen, alle wesentlichen Arten hier aufzuführen. Ich beschränke mich deshalb auf 3 Pilze, von denen vor allem der Erste auch ernsthaftere Vergiftungsfälle auslösen kann. Die Rede ist vom Tigerritterling (Tricholoma pardinum), der in zwei Formen auftritt, einer typischen, von Anfang an schuppigen (var. pardinum) und einer anfangs eher faserig-filzigen Form (var. filamentosum), die erst im Alter schuppig aufreißt. Tigerritterlinge sind in vielen Regionen sehr selten und wachsen an basenreichen Standorten, so vor allem in Laubwäldern über Kalkböden, aber auch z.B. bei Tannen. Im Schwäbischen Wald sind Tigerritterlinge erstaunlich häufig und treten dort meist in der Variante filamentosum (die auch als eigene Art angesehen wird) auf.
Tigerritterling (Tricholoma pardinum alias T. tigrinum, T. pardalotum, typische Form, "var. pardinum" - Foto L. Krieglsteiner aus dem Schwäbischen Wald bei Rotenhar) - man beachte die von Jugend an deutlich schuppigen Hüte.
Tigerritterling sind kräftige Pilze mit dicken, oft über 2 cm dicken Stielen und oft 10 cm oder mehr breiten Hüten, nur selten gibt es schmächtige Einzelfruchtkörper mit deutlich geringeren Maßen. Sehr auffällig ist der deutliche Mehlgeruch, der mit einer gewissen unanagenehmen Komponente angereichert ist. Verwechslungsgefahr droht vor allem mit den meist etwas schmächtigeren Erdritterlingen (Tricholoma terreum-Grupppe, mehrere Arten), die meist Regel schmächtiger ausfallen, von Anfang an feinschuppig-filzige Hüte haben und in vielen Fällen dunklere Farben; auch fehlt den meisten Formen der Mehlgeruch. Es gibt noch ein weiteres Merkmal, das oft sehr hilfreich ist, Tigerritterlinge zu identifizieren - die Guttation (s.u.). Erdritterlinge galten immer als Speisepilze - neuerdings werden sie jedoch verdächtigt, das Rhabdomyelyse-Syndrom zu verursachen (vermutlich zu Unrecht) - dennoch werden sie als Speisepilze nicht mehr empfohlen.
Tigerritterling, faserige Form (Tricholoma pardinum var. filamentosum) - man beachte die jung nahezu glatten, aber grobschollig-schuppig aufreißenden (junge Pilze, Foto oben), erst im Alter (2. Bild) deutlich schuppigen Hüte (beide Fotos L. Krieglsteiner aus dem Schwäbischen Wald) - ... unten: Foto aus Kärnten (Österreich) mit den typischen "Guttationstropfen") |
Das letzte Bild zeigt ein Merkmal, das zumindest bei jungen Fruchtkörpern des Tigerritterlings sehr zuverlässig ist und das bei Erdritterlingen nicht vorkommt: die Guttation. Dies bedeutet, dass der Pilz aktiv Wasser abscheidet, in Form von durchsichtigen Tröpfchen vor allem an der Stielspitze. Stehen die Pilze lange in der Trockenheit, verlieren sich die Tropfen natürlich ...
Wir kommen zur nächsten Pilzart des gastrointestinalen Syndroms, dem Giftchampignon oder Karbolegerling (Agaricus xanthoderma). Er ist kein besonders gefährlicher Giftpilz (es gibt sogar immer wieder "Ross-Naturen", die ihn vertragen), sorgt aber immer wieder für unangenehme Vergiftungsfälle. Dies liegt vor allem daran, dass vielen Menschen gar nicht bekannt ist, dass es auch giftige Champignons gibt. Champignons sind eine recht artenreiche Gattung, deren Arten gar nicht alle leicht zu unterscheiden sind; mit etwas Erfahrung ist aber gerade der Karbolegerling gut kenntlich. Nun - "Karbol" ist ein veralteter Name für Phenol, das früher als Desinfektionsmittel auch in der Medizin verwendet wurde - heute gottseidank nicht mehr, denn es ist krebserregend. Interessanterweise riecht der Pilz nicht nur "nach Phenol", sondern eher wegen seines Gehaltes an Phenol. Auch für "Rossnaturen" ist es also besser, den Karbolegerling nicht zu essen. Der unangenehme Geruch ist aber jungen, frischen, unverletzten Pilzen in der Regel noch überhaupt nicht anzumerken; sie riechen neutral und unauffällig - dafür wird der Gestank beim Kochen durchaus auffällig (was einige Vergiftungen vernunfthalber verhindert :-). Und sie riechen eben auch nicht nach Anis, wie dies die meisten anderen gilbenden Champignons tun ...
Giftchampignon alias Karbolegerling (Agaricus xanthoderma - Foto L. Krieglsteiner aus Mainfranken, Bayern)
... Wobei wir bei seinem nächsten wichtigen Merkmal wären: der Giftchampignon gilbt beim oberflächlichen Verletzen ("Kratzen") besonders stark - am Hut und Stiel, besonders deutlich jedoch an der Stielbasis (Foto!). Ansonsten ist der Giftchampignon ein recht normaler Champignon: weiße Hüte, die aber auch gerne einmal grau überlaufen sein können (bei anderen Formen, die auch als eigene Arten gelten, sind die Hüte komplett grau bis schwarz schuppig: "Perlhuhn-Egerling Agaricus praeclaresquamosus bwz. A. moelleri) und die Tendenz haben, oft etwas eckig abgeplattet zu sein - und bei jungen Pilzen schön appetitlich rosa Lamellen. Sie haben ja schon gelernt (falls Sie das Kapitel über Speisepilze und dort über den Wiesenchampignon gelesen haben), dass Champignons dunkel schokoladenbraunes Sporenpulver haben und sich die schöne rosa Lamellenfarbe bald verliert ...
Auch der dritte und hier letzte vorgestellte gastrointestinale Giftpilze wird durchaus von "Saumägen" verdaut, was ein wenig im Gegensatz steht zur großen Angst, die in der Bevölkerung vor diesem Pilz herrscht und die sich in seinem deutschen Volksnamen spiegelt. Die Rede ist vom Satanspilz (Boletus satanas, jetzt Suillellus satanas). Dies geht so weit, dass selbst gestandene Pilzkenner den wohlschmeckenden und leckeren Flockenstieligen Hexenröhrling (mehr über diesen hier) meiden, nur weil dieser zwei Merkmale mit dem Satanspilz gemeinsam hat: rote Poren (so nennt man die Röhren-Mündungen) sowie eine kräftige Blau-Verfärbung des Fleisches im Schnitt und bei Verletzung. Vergleicht man aber die Hutfarben beider Pilze, so erscheint eine Verwechslung unwahrscheinlich: der Satanspilz hat helle, weißlich-silbergraue, allenfalls schmutzig hell graubräunliche Hüte, kalksteinfarben bis schädelknochenfarben. Der Satanspilz wächst auch an ganz anderen Standorten - zudem ist er ziemlich selten. Man findet ihn an wärmebegünstigten Standorten, in Laubwäldern an Südhängen über Kalkböden. Kaum dort, wo der Flockenstielige Hexenröhrling wächst (saure Böden). Nun - es gibt natürlich noch mehr zum Verwechseln, das muss ich zugeben ...
Satanspilz (Suillellus satanas alias Boletus satanas - Foto L. Krieglsteiner aus Mainfranken unweit Würzburg, Bayern)
Weitere Merkmale des Satanspilzes sind sein "zwiebeliges" Erscheinungsbild, d.h. im Verhältnis zum Hutdurchmesser meist sehr dicke Stiele, das feine Netz am Stiel (im Bild nicht zu erkennen) und die rote Farbe, die einen kleinen oder größeren Teil des Stieles überzieht. Dazu kommt ein sich im Alter enwickelnder (jung meist noch nicht deutlich wahrnehmbarer) Aasgeruch.
Magen-darm-giftig sind noch eine ganze Menge weiterer Pilzarten - wer darüber mehr wissen will, muss in einem guten Buch nachlesen oder Pilzkurse von Pilzschule Schwäbischer Wald besuchen. Die Darstellung hier neigt sich nun dem Ende entgegen - allerdings möchte ich noch auf zwei etwas "exotischere" Syndrome eingehen. Ich bitte auch darum, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, dass man sich auch mit Speisepilzen vergiften kann (vgl. ganz oben auf der Site).
Nun ein Syndrom, das in Mitteleuropa bisher noch nicht aufgetreten ist, mit dem aber künftig zu rechnen sein könnte - das Acromelalga-Syndrom. Klassischer Vertreter ist der Japanische Bambustrichterling (Clitocybe acromelalaga), der in Europa (bisher ...) noch nicht gefunden wurde - dafür aber der Parfümiete Trichterling (Clitocybe amoenolens) mit den gleichen Inhaltsstoffen. Diese in Nordafrika und Südeuropa heimische Art dringt infolge des Klimawandels nach Norden vor - inzwischen ist sie schon bei Genf und bei Wien gefunden worden. Gefahr droht hier am Meisten, wenn unerfahrene Sammler den essbaren Fuchsigen Rötelritterling (Lepista flaccida) essen möchten - es besteht durchaus große Ähnlichkeit. Obwohl die Acromelsäure nicht zum Tode führt, sind schon Leute an diesen Pilzen gestorben - indirekt. Man hat so starke und schmerzhafte Haut-Irritationen und -schmerzen, und das über Wochen und gar Monate, so dass es (in Japan) schon Personen gab, die sich infolge der Acromelsäure-Vergiftung das Leben nahmen. Wie ich kürzlich auf einer Pilztoxikologie-Tagun in München hörte, gibt es aber inzwischen doch Medikamente, die den Leidensdruck verringern. Zur Vorsicht würde ich aber trotzdem raten ....
Parfümierter Trichterling (Clitocybe amoenolens - Foto Ruth Bänziger, aus der Nähe von Genf in der Schweiz)
Und noch ein tödlicher Giftpilz zum Schluss - allerdings einer, mit dem Vergiftungen sehr unwahrscheinlich sind. Es handelt sich um einen "Baumpilz", der vor allem an Laub-, seltener aber auch Nadelholz vorkommt und meist keine sehr großen Fruchtkörper bildet. Wer isst so etwas? Nun - vielleicht Anfänger, die ihre Kenntnis überschätzen und den Schwefelporling (vgl. Speisepilze!) oder den Leberreischling essen wollen. Weit hergolt? Vielleicht nicht einmal, ich erinnere an die Verwechslungsmöglichkeit mit dem Laternenmasten :-)
Zimtfarbener Weichporling (Hapalopilus rutilans - Foto L. Krieglsteiner aus der Rhön, Bayern)
Und der Giftstoff des Weichporlings? Dies sind sogenannte Polyporsäuren - Stoffe, die hochgradig immunaktiv sind, also mit dem Immunsystem des menschlichen Körpers auf verschiedenste Weise interagieren. Polyporsäuren sind in sehr vielen Porlingen und anderen holzbewohnenden Pilzen enthalten und für deren heilsame Wirkung (vgl. chinesische Medizin, z.B. Rei-shi, Schmetterlingstramete u.a) verantwortlich. Nur - die Dosis macht das Gift. Im Zimtfarbenen Weichporling steckt "zu viel des Guten". Selbst Wasser ist ein tödliches Gift, wenn man an einem Tag 30 Liter trinkt ...
Die Heilwirkung von Pilzen ist ein interessantes Thema - und mittelfristig ist geplant, auch hierüber eine Site hier einzustellen. Das Gleiche gilt für ein anderes Thema, für das der Zimtfarbene Weichporling ebenfalls repräsentativ ist: das Färben mit Pilzen. Im alkalischen Milieu (mit "Laugen") kann man mithilfe von Hapalopilus rutilans wunderbare Violetttöne auf Kleidungsstücke "zaubern". Kennt man den Weichporling noch nicht sicher, hilft auch etwas Kalilauge (KOH) oder einer anderen Base (Ammoniak, Natronlauge). Sehen Sie hier ....
Zimtfarbener Weichporling (Hapalopilus rutilans - Foto L. Krieglsteiner aus dem Schwäbischen Wald) - mit mehreren Tropfen Kalilauge (KOH). So könnte bald Ihr Pullover aussehen :-)