Pilz des Monats Dezember 2017 - Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens)
Bevor ich über Funde im Schwäbischen Wald berichte, die zu dieser Art und zur nächsten Verwandten, der Echten Morcheltrüffel (Gautieria morchelliformis) gehören sollten, möchte ich ein paar Worte über die Verwandtschaft dieser hypogäisch bis subepigäisch wachsenden Pilzarten verlieren. Es ist noch nicht sehr lange her, da hat man alle einigermaßen ungestielt kugelig wachsenden Ständerpilze in der Ordnung Hymenogastrales der Unterklasse Gastromycetidae (Bauchpilze) zusammen gefasst. Vor der Zeit der Molekularbiologie (und der Pigmentchemie) gab es nur wenige Anhaltspunkte dafür, dass es sich hier um eine – wie wir heute wissen – hochgradig künstliche Klassifizierungsform handelte. Heute stehen solche „falsche Trüffeln“ in ganz unterschiedlichen Ordnungen und Familien (z.B. die namengebende Gattung Hymenogaster in der Familie Hymenogastraceae der Agaricales, zusammen mit den nahe verwandten Häublingen und Fälblingen). Und Gautieria? Betrachtet man den eigentümlichen Aufbau mit einem inneren, strunkartigen Stiel (Columella) und feiner, verbackener Verästelung genau, muss man sich nicht allzu sehr wundern, dass der heutige Platz in der Familie Gomphaceae (O. Gomphales, U.Kl. Phallomycetidae) zu finden ist, eben in der Verwandtschaft der klassischen Ziegenbärte (Ramaria). Wie die Ziegenbärte mit Strünken (und dem Familientypus Schweinsohr) handelt es sich ja auch bei Gautieria um Mykorrhizapilze. Noch in der Monographie von Montecchi & Sarasini (2000), auf die ich mich gleich wieder beziehen werde, stellten die Autoren die Gattung in die Boletales!
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) bei Gschwend-Rotenhar, am Weiterweg (n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart, Baden-Württemberg, Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald auf basenreichem Standort, leg. Trüffelkurs der Pilzschule Schwäbischer Wald in Person von Jule (Trüffelhund von Sabine Hörnicke) am 5.11.2017, Foto Lothar Krieglsteiner |
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) im Schwäbisch-Fränkischen Wald n. Schwäbisch Gmünd (ö. Stuttgart, Baden-Württemberg), Hang zum Kochertal bei Wimberg auf basenreichem Boden in Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald, leg. Trüffelkurs der Pilzschule Schwäbischer Wald in Person von Mia (Hund von Corinna Kiener) am 8.11.2015, Foto Lothar Krieglsteiner |
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) am Südhang zum "Weißensee" (Österreich, Kärnten, Alpen) in subalpinem Fichtenwald an der Erdoberfläche liegend, leg., det. H. Lotz-Winter & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner (Fund ohne Hund) |
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) im Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Tanau (n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart, Baden-Württemberg), an Hohlweg auf (saurem) Sandboden, reichlich fruchtend (ohne Hund gefunden), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner am 3.10.2009 |
Sporen von Gautieria graveolens (Starkriechende Morcheltrüffel) - 2 Fotos der Kollektion vom 8.11.2015 bei Wimberg (Schwäbischer Wald), Fotos Lothar Krieglsteiner. Die Sporen haben sind verglichen mit denen von G. morchelliformis (s.u.) eher kurz und gedrungen. |
Die Unterscheidung von G. graveolens und G. morchelliformis ist jedoch ziemlich eng und eigentlich nur auf eine etwas andere Sporenform (länger und schmäler, größeres Längen-Breitenverhältnis bei G. morchelliformis) der bei letzteren Art tendenziell etwas größeren Sporen zu begründen. Zumindest habe ich mich dazu nun nach etwas Recherche durchgerungen. Hanna Maser (Stuttgart, †) untersuchte mehrere Kollektionen aus dem Museum Stuttgart, die als G. graveolens und als G. morchelliformis bestimmt wurden, und fand sie konspezifisch; kleinere Unterschiede in der Sporengröße (die als Merkmal bei Montecchi & Sarasini hochgehalten wird) führt sie (spekulativ) auf die unterschiedlich starke Beimengung von 2sporigen Basidien zurück, die auch bei anderen Pilzen meist größere Sporen bilden.
Zeichnung von Hanna Maser (eine von drei vorliegenden) zu Gautieria graveolens nach einem im Museum von Stuttgart hinterlegten Fund aus der Schweiz. Die Verunsicherung bezüglich G. graveolens und G. morchelliformis aufgrund Vorbestimmungen und Literaturangaben ist Frau Maser anzumerken. |
In der Tat untersuchte H. Maser wohl nur G. graveolens – zumindest zeigen alle ihre Zeichnungen (mir liegen 3 vor, 2 davon waren als G. morchelliformis bestimmt) die eher kurz-gedrungene Sporenform, die für G. graveolens typisch ist. Ganz „sonnenklar“ ist die Unterscheidung trotzdem nicht sofort, denn die individuellen Sporen variieren durchaus auch bezüglich Sporenform bzw. Längen-Breitenverhältnis deutlich. Insgesamt scheint im Schwäbisch-Fränkischen Wald G. graveolens die häufigere Art zu sein. G. morchelliformis (mit den verlängerten Sporen) konnte ich erst einmal finden:
Echte Morcheltrüffel (Gautieria morchelliformis) - Fruchtkörper und Sporen: Schwäbischer Wald zwischen Mittelbronn und Wimberg (n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart), Hang zum Kochertal, in Fichten-Tannen-Buchenwald über mäßig basenreichem Boden, leg. Trüffelkurs der Pilzschule Schwäbischer Wald in Person von Mia (Hund von Corinna Kiener) am 12.6.2016, Fotos Lothar Krieglsteiner. Vergleichen Sie mit G. graveolens (oben)! |
Ein weiteres Merkmal wird zur Unterscheidung bei Montecchi & Sarasini (2000) angegeben: die Ausbildung der Sporen-Spitze (gegenüber des Apikulus): G. morchelliformis mit abgeflachter Spitze und G. graveolens mit eher abgerundeten Enden. In der Tat gibt dieses Merkmal wenig her – ich beobachte bei allen Proben Sporen, die an den Spitzen (sofern im Präparat gut liegend) eine durch die Verschmälerung der zusammenlaufenden Rippen (vgl. Zeichnung von H. Maser!) liegende Eindellung zeigen. Dann wirken die Sporen eher abgeflacht, während sie bei anderer Lage eher abgerundet wirken.
Über den Artwert von G. graveolens und G. morchelliformis müssen vielleicht molekularbiologische Untersuchungen unterscheiden – die Mikromerkmale sind subtil und makroskopisch scheint mir keine Unterscheidung möglich. Es würde mich nicht wundern, wenn es nicht 2, sondern mehrere kryptische Arten in dem Komplex gäbe, oder eben auch nur eine plastische, variable Art. Das Geruchsspektrum ist möglicherweise nicht deckungsgleich – für G. morchelliformis werden neben widerlichem Geruch ein solcher nach exotischen Früchten angegeben, für G. graveolens „anfangs angenehm, später widerlich“. Nun ja – ich konnte keinen signifikanten Unterschied zwischen meinen Funden „erriechen“; sie rochen stets eher unangenehm – allerdings lagen sie ja zeitlich auch auseinander und das menschliche Bewusstsein bewahrt Geruchseindrücke wohl nur ausnahmsweise (bei ganz starker Beeindruckung) über längere Zeit ganz exakt auf.
Geruchs-Eindrücke könnten Geschmacks-Eindrücken ähneln – oder nicht? Wie auch immer – über den Speisewert von Gautieria-Arten ist wenig bekannt; bei der nahen Verwandtschaft gibt es ja essbare und wohlschmeckende, aber auch magen-darm-giftige Arten. Und Gautieria ist wohl auch nicht für jeden verlockend oder gar appetitlich. Katharina, sonst nicht unbedingt etepetete, verglich die durchaus nicht kleinen Fruchtkörper mit Hundekot … - nun ja ?