Pilz des Monats April 2017: Schildförmiger Scheibling (Gyromitra parma)
Bevor ich mehr zu dieser Pilzart sage, möchte ich mich kurz mit dem deutschen Namen befassen. Dieser war nämlich – neben „Größter Scheibling“ – lange Zeit auch durchaus ein gängiger Name für die viel häufigere, meist aber an Nadelholz und um die gleiche Jahreszeit wachsende Gyromitra ancilis (= Discina perlata). Trotzdem übernehme ich diese Um-Benennung auf G. parma, die man neuerdings häufiger auch im Internet findet und nenne G. parma „Schildförmiger Scheibling“. Warum? Nun – einfach deshalb, weil „parma“ auf Lateinisch so viel bedeutet wie „kleiner Rundschild“ – sozusagen eine frühe militärische Verteidigungswaffe. Warum aber dann „Schildförmiger Scheibling“ auch für G. ancilis? Nun – „ancilis“ heißt eben auf Lateinisch etwas ganz Vergleichbares, nämlich „kleiner rundlicher Schild“. Sozusagen sind die Nomina parma und ancilis im Lateinischen Synonyme. Nicht aber bei den Pilzen ?. Kurz noch: perlatus (a, um) heißt (wahrscheinlich, denn es könnte auch ein Partizip des Verbs perferre (überbringen) sein) so etwas wie weit ausgedehnt bzw. sehr breit; also eine Bezeichnung, die im Deutschen gut mit „Größter“ übersetzt werden kann.
Nun – hier sind also tatsächlich die wissenschaftlichen Namen (nicht deren Bedeutung ..) eindeutiger, und wenn wir hier von Gyromitra parma sprechen, dann handelt es sich um eine Art, die – wie G. ancilis im Frühjahr vor und bis in die Morchelzeit – an morschen, dicken Laubholzstämmen fruchtet, und zwar vorzugsweise an auwaldartigen Standorten. Abgesehen von einem Fund vor ca. 30 Jahren im Harz (Studenten-Exkursion, an Buche) fand ich G. parma in Deutschland bisher nur in den Donau-Auen bei Donauwörth, genauer bei Marxheim, in zwei verschiedenen Jahren und an zwei verschiedenen Stellen (die ca. 3-4 km voneinander entfernt liegen) – jeweils an liegenden, morschen Birken-Stämmen.
Schildförmiger Scheibenbecherling (Gyromitra parma alias Discina parma) im Auwald in den Lech-Mündungsauen zur Donau ö. Marxheim (Bayern ö. Donauwörth) am 9.5.2013, an liegendem Birkenstamm, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner |
Schildförmiger Scheibenbecherling (Gyromitra alias Discina parma) an liegendem Birkenstamm in den Lech-Mündungsauen zur Donau s. Marxheim am 23.4.2016, leg., det. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Makroskopisch ist G. parma nicht wirklich von G. ancilis (die in der Regel an Nadelholz, aber ausnahmsweise auch an Laubholz, gerade auch an Birke, wachsen kann) zu unterscheiden, allenfalls sind die Fruchtörper tendenziell etwas heller braun. Und als Schwierigkeit kommt ferner hinzu, dass allgemein alle Arten in der Gattung Gyromitra (im weiten Sinn einschließlich Discina, also Lorcheln und Becherlinge) erst sehr spät reifende Sporen besitzen. Untersucht man also schön knackig-frische Pilze, so findet man meist nur unreife Sporen, die das arttypische Ornament – das beste Merkmal in der Gattung – noch nicht ausgebildet haben. Für eine sichere Artbestimmung sind also in der Regel ganz alte, oft schon faulige Fruchtkörper notwendig.
Das Sporenornamen des Schildförmigen Scheiblings (Gyromitra parma) ist bei Reife unverkennbar – das die ganze Spore überziehende Netz (das auch G. ancilis) hat, tritt bei G. parma nicht in eine, massive (wie bei G. ancilis), sondern in mehrere kleine Spitzen aus.
unreife Sporen in Schläuchen von Gyromitra parma am 9. Mai 2013 - in diesem Stadium ist die Art nicht sicher bestimmbar, da das charakteristische Sporen-Ornament noch nicht gebildet wurde (Foto Lothar Krieglsteiner) |
Jetzt ist die Art bestimmbar - das Sporen-Ornament zeigt an den Enden das typisch mehrspitzige Erscheinungsbild von Gyromitra parma (im Gegensatz zur ein-spitzigen G. ancilis = Discina perlata). Fotos vom 9. Mai 2013, Fund as den Lech-Mündungsauen zur Donau ö. Marxheim, an Birkenstamm, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Färbt man das Präparat mit Baumwollblau (meist in Lactophenol) an, so wird auch das Ornament auf der ganzen Sporen-Oberfläche besser sichtbar - es ist netzig ausgebildet (Foto vom Fund vom 9. Mai 2013, Donau-Auen ö. Marxheim, an Birkenstamm, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner) - Schildförmiger Scheibenbecherling (Gyromitra parma) |
Warum sieht der Schildförmige Scheibenbecherling (Gyromitra parma) wie auch die verwandten Arten braun aus? Ganz einfach: das Pigment ist in feinen Vakuolen in den Paraphysen lokalisiert. Was sind Paraphysen? Das sind sterile Zellen in der Fruchtschicht. Wie auch das Gehäuse ist es bei allen Schlauchpilzen von haploiden Hyphen (die direkt aus Sporen gekeimt sind) aufgebaut, während die Schläuche mit den Sporen aus dikaryotischen Hyphen (nach Zell-Verschmelzung) entstehen. Kompliziert? Ja - vielleicht. Leichter verständlich zu erklären ist dies nicht in Textform, sondern im persönlichen Gespräch - zum Beispiel bei einem Mikroskopierkurs (Foto vom 9.5.2013, Donau-Auen ö. Marxheim, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner) |
Gyromitra parma enthält wie auch G. ancilis geringe Mengen an Gyromitrin. Berichte über höhere Dosierungen, wie sie z.B. für die Frühjahrslorchel (G. esculenta) und die Riesenlorchel (G. gigas) bekannt sind, liegen mir nicht vor. Dennoch muss vor allem vor Rohgenuss gewarnt werden (roh sollten sowieso nur sehr wenige Pilze verspeist werden). Gyromitrin ist ja thermolabil und auch die potenziell tödlich giftigen Frühjahrslorcheln wurden in der Geschichte – vor allem in Nord- und Osteuropa, aber auch bei uns – in großen Mengen und mit großem Genuss verspeist. Heute weiß man, dass zumindest die meisten trotzdem vorkommenden Todesfälle auf ein Einatmen der Kochdämpfe zurückzuführen waren! Nun – ich denke, man ist auf der sicheren Seite, wenn man keine Gyromitra-Arten isst. Schließlich verzichte ich ja auch auf den Kugelfisch ?
Für die Interessierten: der Fundort von Gyromitra parma ist demnächst wieder Ort einer Tagesführung – am 29. April. Anmeldungen sind noch erwünscht ? – noch ist die Führung nicht ausgebucht. Mit Morcheln ist im Übrigen durchaus auch zu rechnen ?