Pilz des Monats Juni 2013:
Raupen-Kernkeule (Ophiocordyceps gracilis)
Die Raupen-Kernkeule ist durch ihre orangebraunen Köpfchen und die relativ blassen, holzfarbenen Stiele sofort erkennbar. Die Art gilt allgemein als sehr selten – nur relativ wenige Pilzkenner haben sie schon gefunden. Meine Erfahrung ist allerdings die, dass die Art vor allem an Standorten wächst, die wenig von Mykologen abgesucht werden. Dies sind wärmebegünstigte Grasländer, Säume und Gebüsche, wo die Art meist tief unter Gras fruktifiziert und somit von oben beim Spazierengehen kaum gesehen werden kann (ein Schicksal, das die Art mit sehr vielen Pilzen gemeinsam hat). Nach meiner Erfahrung (ich fand die Art mehrfach in Mainfranken sowie im Bereich des Remstales und der nördlichen Schwäbischen Alb unweit Schwäbisch Gmünd) ist die Raupen-Kernkeule wärmeliebend und vor allem in Kalkgebieten verbreitet. Andreas Gminder (mündliche Mitteilungen und Beitrag im DGfM-Forum) findet die Art bei Jena häufiger und bezeichnet sie als häufigste Kernkeule, sofern man nicht in sauren Nadelwaldgegenden zuhause ist. In meiner Ecke (Raum Schwäbisch Gmünd) sind allerdings Kernkeulen an Hirschtrüffeln (s.u.) weitaus häufiger. Dazu vielleicht einmal ein späterer Pilz des Monats.
Raupen-Kernkeule (Ophiocordyceps gracilis) im Remstal ö. Stuttgart - die Pilze wachsen auf alten Schmetterlings-Raupen (Eulenfalter), die im Boden vergraben sind - alle Fotos L. Krieglsteiner |
Der aktuellen Darstellung liegt ein Fund vom 10. Mai zugrunde – unweit Waldhausen und Plüderhausen im Remstal zwischen Schwäbisch Gmünd und Schorndorf. Innerhalb etwa einer halben Stunde fand ich auf einigen Quadratmetern 6 Fruchtkörper, und das, obwohl ich durchaus auch andere Pilze suchte und fand. Man kann also davon ausgehen, dass in dem weitläufigen Gebiet mit immer wieder recht vergleichbarer Vegetation (und Schmetterlingspopulation) Hunderte von Keulchen herumstanden. An einer Stelle fand ich sogar zwei Kernkeulen, von denen sich dann herausstellte, dass sie auf einer befallenen Raupe entsprangen.
Raupen-Kernkeule (Ophiocordyceps gracilis) - unterirdische Teile auf Raupen von Eulen-Faltern (Nacht-Schmetterlinge) Foto Lothar Krieglsteiner |
Ich machte also Fotos und grub auch einige der Pilze aus, um Fotos der befallenen Raupen zu machen. Ich schrieb einen kleinen Beitrag für www.nafoku.de/forum (Beitrag 124 vom Mai 2013), um Meinungen über die Zugehörigkeit der Raupen zu bekommen. Nach Klaus Rennwald handelt es sich um Raupen von Eulenfaltern (Nachtschmetterlingen) – natürlich ist eine Artbestimmung nicht möglich. Es wäre interessant, das Wirtsspektrum dieser Kernkeulen zu erforschen – meines Wissens nach ist dies bisher nicht geschehen.
Kernkeulen auf Raupen – da klingelt es bei manchem. In Tibet gibt es einen gigantischen Boom wegen der (angeblichen) Heil- und Potenzwirkung der dortigen Raupen-Kernkeulen (Ophiocordyceps sinensis – vgl. http://mushroaming.com/oldsite/tibetischer_raupenpilz_cordyceps_sinensis.htm).
Man kann nur hoffen, dass der Europäer nicht auf ähnliche Gedanken kommt. Denn dann würde es sich finanziell lohnen, wenn Tausende durch südexponierte Gebüsche, Wiesen, Säume und Obstgärten wühlen würden. Apropos: lukrative Angebote bezüglich meiner 6 Fruchtkörper nehme ich gerne entgegen J *fg“ - meine älteren Aufsammlungen sind leider schon in öffentlichen Herbarien (Stuttgart und Karlsruhe) deponiert und somit nicht mehr marktfähig *g*.
In Mitteleuropa gibt es nur relativ wenige Kernkeulen-Arten, in den Tropen oder auch in Japan ist die Vielfalt viel größer. Aber auch bei uns wachsen neben O. gracilis z.B. Arten auf Schmetterlingspuppen (Puppen-Kernkeule Cordyceps militaris), Laufkäfer-Raupen (Laufkäfer-Kernkeule Ophiocordyceps entomorrhiza) sowie Imagines von Wespen (Wespen-Kernkeule Ophiocordyceps sphecocephala), Ameisen (Ameisen-Kernkeule Ophiocordyceps myrmecophila) oder Fliegen (Fliegen-Kernkeule Ophiocordyceps forquignoni) – abgesehen von den mehreren auf Hirschtrüffeln vorkommenden Kernkeulen der Gattung Elaphocordyceps (am häufigsten die Zungen-Kernkeule Elaphocoryceps ophioglossoides – dann die verschiedenen Kopfigen Kernkeulen, die nur mikroskopisch getrennt werden können, so E. canadensis und E. capitata, und Roux Kernkeule E. rouxii).
Biologisch gesehen sind Kernkeulen Sammelfruchtkörper. An den Bildern ist ja eine oberflächliche Punktierung des Köpfchens der Pilze erkennbar. Dies kommt durch die eingesenkten Kugelpilz-Fruchtkörper (Perithezien) zustande. Ganz ähnlich ist der Aufbau z.B. auch bei Holzkeulen oder (ohne Stiel) bei Kohlenbeeren, die ebenfalls zu den Schlauchpilzen gehören.