Pilz des Monats Dezember 2016: Orangeroter Poren-Helmling (Favolaschia calocera)
Heute möchte ich - auch aus Zeitgründen (die Arbeit läuft gerade über ...) den Pilz des Monats etwas unkonventionell vorstellen - in Form einer Forums-Präsentation und -diskussion auf dem tollen Forum www.nafoku.de (kompletter Link unten) Ein eigener Text diesmal also nicht - dafür noch ein paar zusätzliche Fotos :-) (... bitte gerade heute scrollen nicht vergessen - die Fotos kommen unten!)
http://nafoku.de/forum/201611_0187_0001.htm - und Folgebeiträge
Nur kurz so viel schon hier: Favolaschia calocera, der "Orangerote Porenhelmling" (deutscher Name von mir), wurde von Katharina und mir bei unserem Ligurien-Aufenthalt in großen Mengen auf der Halbinsel Portofino (bei Santa Margherita Ligure) gefunden. Es handelt sich nicht um einen Neufund, sondern die ursprünglich rein tropische Art ist dort bekannt als "invasiver Neomyzet". Was davon zu halten ist? Nun ja, dann lesen Sie auf nafoku weiter ...
Orangeroter Poren-Helmling (Favolaschia calocera) - am 22. und 23.11.2016 auf der Halbinsel Portofino bei Santa Margherita Ligure an der Kante zum Mittelmeer - massenhaft auf morschem Holz von Robinie (Robinia pseudacacia) in sturmgeschädigtem Forst (gilt auch für die folgenden Fotos - leg., det., fot. Katharina & Lothar Krieglsteiner) |
Favolaschia calocera - der Neomyzet zeigt sich zunächst als kleine, feine orangefarbene Pusteln (Primordien), aus denen dann die ausgewachsenen Fruchtkörper auswachsen. Obwohl der Pilz Poren hat, ist er ein Verwandter der Helmlinge! Dies zeigt sich auch durch die ganz feine Bereifung (Zystiden auf Hut, Stiel und Porenkanten) (leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner) |
Pilz des Monats November 2016 - Sibirischer Röhrling, Gelber Arven-Röhrling (Suillus sibiricus ssp. helveticus)
Anm. August 2021: die Art heißt heute Suillus americanus
Nicht allzu häufig passiert es auch einem professionellen Mykologen, dass er auf Reisen bei Gastgebern ankommt und als eine der ersten Aktivitäten einen Pilz in „freier Wildbahn“ gezeigt bekommt, den man vorher noch nie gesehen hat. So geschehen neulich anlässlich des Seminares „Trichterlinge und Ritterlinge“ in St. Gallen. Gerade bei Heidi Ulrich und ihrem Partner Willi Egloff im eine halbe Stunde entfernten Kradolf angekommen, waren wir schon fast wieder unterwegs zu einem Garten im nahe gelegenen Erlen. Dort – so hatte Heidi erfahren – war ein seltener Pilz, der dort seit gut 2 Jahrzehnten wächst, gerade wieder einmal am Fruktifizieren. Grund dafür ist eine aus höheren Lagen der Schweizer Alpen eingebrachte Zirbelkiefer, die den Pilz offensichtlich mitbrachte. Thomas Ledergerber, der in der Nachbarschaft wohnende Schweizer Pilzkenner und Lehrer von Heidi Ulrich, fand die Art dort erstmals 1994 und dokumentierte den Fund mit einem wunderschönen Aquarell. Seither tritt der Gelbe Arven-Röhrling dort auf – und trat neuerdings auf eine weitere, gepflanzte Arve über, denn der alte Baum wurde vor wenigen Jahren gefällt.
Suillus sibiricus (ob ssp. helveticus etwas Eigenes ist, weiß man meines Wissens noch nicht) ist die wohl seltenste der drei Schmierröhrlings-Arten, die bei 5-nadeligen Kiefern in Europa vorkommen. Weitestgehend auf die Hochlagen, wo die Arve (Zirbelkiefer, Pinus cembra) ursprünglich vorkommt, beschränkt ist neben dieser Art auch der Dunkle Arvenröhrling (Suillus plorans). Ferner tritt auch der mehr vom amerikanischen Pendent her, der Strobe (Weymuths-Kiefer, Pinus strobus) bekannte Elfenbein-Röhrling (Suillus placidus) auch in den Alpen unter Pinus cembra auf. Wie verbreitet und/oder häufig alle Arten aktuell im Alpenraum sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Auf alle Fälle bemerkenswert ist das jahrelange Vorkommen außerhalb des natürlichen Areals, auch wenn solche Vorkommen schon früher für Suillus sibiricus bekannt wurden.
Sibirischer Röhrling (Suillus sibiricus) in Gartenrasen unter Pinus cembra im Nord-Schweizer Ort Erlen, unter Arve (Pinus cembra), Fundstelle von Thomas Ledergerber, gezeigt von Heidi Ulrich |
Gelber Arven-Röhrling (Suillus sibiricus) in Garten in der Nordschweiz, Gruppe - Foto L. Krieglsteiner, 20.10.2016 |
Verwechslungsgefahr droht allenfalls mit dem Goldröhrling (Suillus grevillei), der bei Lärchen vorkommt, aber einen völlig glatten, glänzenden Hut und einen schleimigen Ring aufweist, oder mit dem Körnchen-Röhrling (Suillus granulatus), bei Kiefer und wie andere ähnliche Arten ohne jede Ringzone.
Genießen Sie noch Bilder von unten J
Sibirischer Röhrling (Suillus sibiricus var. helveticus), Ansichten von unten, fotographiert am 20.10.2016 in Garten in der Nordschweiz unter Arve (Pinus cembra), Foto L. Krieglsteiner. Zu sehen sind neben den Röhren in Aufsicht das Velum sowie am Stiel eingetrocknete Guttationstropfen |
Pilz des Monats Oktober 2016 - Flechtenartiger Pustelpilz oder Trollhand (Hypocreopsis lichenoides)
Die Trollhand ist ein sehr spektakulärer, aber trotzdem ganz unauffälliger Pilz. Leicht kann er für eine Flechte gehalten werden, zumal er auch im Luftraum an hängenden Ästen wächst, meist von Strauchweiden, aber auch an Hasel und anderen Substraten. Grund hierfür ist, dass es sich in Wirklichkeit um einen Schmarotzer auf Fruchtkörpern und Myzel handelt, und zwar um einen ganz spezifischen Besiedler der Tabakbraunen Borstenscheibe (Hymenochaete tabacina). Alle „Stromakissen“, wie die weitere Verwandtschaft mit der größeren Gattung Hypocrea (ich nenne sie immer noch so, obwohl sie inzwischen eigentlich nach ihrer früher beschriebenen Nebenfruchtform Trichoderma heißen muss) nennen, sind mutmaßlich Pilzparasiten, ähnlich den nahe verwandten Schmarotzerpustelpilzen (Hypomyces), über die ich vielleicht ein anderes Mal berichten werde.
Stromakissen sind dabei Sammelfruchtkörper eingesenkter „Kugelpilze mit Loch“ (Perithezien), wie man mit gutem Auge, aber erst recht mit einer Lupe oder auf einer Detail-Aufnahme sehen kann – die Punkte stellen dabei die Mündungen der Einzelfruchtkörper dar.
Trollhand (Hypocreopsis lichenoides) - Detail-Aufnahme eines Stromas mit eingesenkten Perithezien (die Punkte sind die Mündungen) - Nationalpark Eifel, 14.6.2012, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner |
Die Trollhand wächst also auf der Tabakbraunen Borstenscheibe, auf der man sie in Feuchtgebüschen antreffen kann. Überall? Kaum – denn ich habe fast mein ganzes Leben lang umsonst nach diesem hübschen Pilz gesucht. Mehrfach fündig wurde ich in den letzten Jahren im Nationalpark Eifel, auch im nahen Luxemburg, wo die Art häufig sein soll, habe ich sie einmal am Standort gezeigt bekommen. Sie ist jedoch auch in verschiedenen anderen Regionen Deutschlands gefunden worden, gilt aber dort überall als sehr selten. Genießen Sie die Bilder aus dem Nationalpark Eifel.
Trollhand (Hypocreopsis lichenoides) im Nationalpark Eifel - junge Stromata am 19.9.2016, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner |
Flechten-Pustelpilz (Hypocreopsis lichenoides) im Nationalpark Eifel - jüngere Stromata am 14.6.2012, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner |
Trollhand (Hypocreopsis lichenoides) - verschiedene Aufsammlungen aus dem Nationalpark Eifel |
alle leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner |
Ganz interessanter Weise gibt es weitere Stromakissen, die an der Tabakbraunen Borstenscheibe schmarotzen. Walter Jaklitsch hat in zwei Bänden die Stromakissen bearbeitet, und er unterscheidet zwei rötlich gefärbte Arten. Die eine davon soll in Mitteleuropa wachsen, und ich fand sie einmal (det. W. Jaklitsch nach Foto) bei Schwäbisch Hall in einem Feuchtgebüsch („Kupfermoor“) – sie heißt Hypocrea parestonica bzw. jetzt korrekt Trichoderma parestonicum.
Braunrotes Stromakissen (Hypocrea parestonica, jetzt Trichoderma parestonicum) - 7.8.2009, auf Hymenochaete tabacina an Ast im Luftraum von Grauweide (Salix cinerea) im NSG "Kupfermoor" bei Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg), leg., fot. Lothar Krieglsteiner, det. Walter Jaklitsch |
Sie soll etwas mehr braunrot gefärbt sein, während die ähnliche, aus Nordeuropa bekannte Hypocrea estonica (Trichoderma estonicum) eher himbeerrot gefärbt sein soll. Weitere Merkmale sind sehr subtil bis fehlend bzw. auf Kulturen beschränkt. Kürzlich in der Eifel fand ich erneut ein solches Stromakissen, und ich finde es sehr himbeerrot.
Estnisches Stromakissen (Hypocrea estonica, jetzt Trichoderma estonicum - mit der Trichoderma-Anamorphe: das ist der "Grünschimmel") - 21.9.2016, an Ast im Luftraum von Salix cinerea in der Nähe von Tabakbrauner Borstenscheibe (Hymenochaete tabacina), junge Stromata, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner, conf. ("kann sein") Walter Jaklitsch |
Entscheiden Sie selbst, ob es dann eher estonica ist. Der Autor Jaklitsch auf meine Anfrage, ob es eher estonica als parestonica sei: „kann sein“.
Noch einmal zur Frage Hypocrea oder Trichoderma: Trichoderma ist die Anamorphe (Nebenfruchtform), die zuerst beschrieben war. Bisher war es so, dass die Hauptfruchtform alleine entscheidend für die Namengebung war. Dies hat sich inzwischen geändert. Und wie sieht so eine Trichoderma aus? Sehen Sie auf dem Bild von H. estonica den grünen Fleck: dies ist die Nebenfruchtform, ein sogenannter „Grünschimmel“ (Trichoderma).
Pilz des Monats September 2016: Rundsporiger Flämmling (Gymnopilus josserandii)
Der Herbst ist für den freiberuflichen Pilzkundler eine sehr anstrengende, arbeitsintensive Zeit - und deshalb gibt es heute nur einen sehr kurzen "Pilz des Monats" und auch nur ein Foto.
Die vorgestellte Art ist montan verbreitet und wächst an meist braunfaulem Nadelholz - und nur in höheren Mittelgebirgslagen. Auch dort ist die Art selten und meist nur in naturnahen Waldstandorten zu erwarten. Ich fand die Art insgesamt 3mal, immer im gleichen Fundgebiet im Nationalpark Bayerischen Wald.
Flämmlinge sind ungenießbar, weil die Mehrzahl der Arten bitter schmeckt. Die vorliegende Art ist relativ klein und für die Gattung sehr dunkel gefärbt. Mikroskopisch prägnant ist die Form der Zystiden sowie die kleinen, rundlichen Sporen. Wie bei allen Flämmlingen sind die Sporen warzig ornamentiert und braun. So weit so gut :-)
Rundsporiger Flämmling (Gymnopilus josserandii (= G. subsphaerosporus)) - Aufsammlung vom 14.8.2016 im Nationalpark Bayerischer Wald, "Höllbachschlucht" unterhalb "Höllbachgespreng" am Großen Falkenstein, an braunfaulem, morschem Stumpf der Finalphase von Fichte (Picea abies), leg., det. Lothar & Katharina Krieglsteiner, fot. Lothar Krieglsteiner |
Pilz des Monats August 2016 Nackter Zwerg-Nestling (Mycocalia denudata)
Abgesehen von noch selteneren Arten der selben Gattung (die ich noch nie gefunden habe) ist diese Art mit Fruchtkörpern bis maximal 2 mm der kleinste in Mitteleuropa vorkommende Bauchpilz. Wie selten er ist, ist schwer zu sagen – in Literatur und Internet gibt es nur ziemlich wenige Nachweise. Ich selbst fand die Art dreimal – und zwei dieser Funde (aus Baden-Württemberg) kann ich hier mit einem Foto belegen (der dritte stammt aus der Bayerischen Rhön).
bitte etwas scrollen ...
Zwerg-Nestling (Mycocalia denudata) im NSG "Weiherwiesen" bei Aalen-Tauchenweiler (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Hochfläche des Albuch (Schwäbische Alb), in saurem Niedermoor an Resten von Juncus effusus, leg., det. L. Krieglsteiner, fot. F. Kasparek (nach Zusendung), gefunden am 8.10.2003 |
Zwerg-Nestling (Mycocalia denudata) bei Gründelhardt (Hohenloher Ebene sw. Schwäbisch Hall, Baden-Württemberg), Waldweiher auf saurem Boden, an moorigem, bewaldetem, wenig beeinflusstem Ufer, an Seggenresten etc., leg. Michael Hausser & L. Krieglsteiner, det., fot. Lothar Krieglsteiner am 19.7.2011 |
Was haben alle Fundorte gemeinsam? Nun – immer handelte es sich um saure, nährstoffarme Moore, an Resten von Einkeimblättlern (Seggen oder Binsen). Es ist insofern anzunehmen, dass es sich um eine gefährdete Art handelt (obwohl die Art laut Literatur auch auf Kaninchen- und Schafmist vorkommen soll ….). Die Rote Liste der Pilze Deutschlands führt die Art als „Rarität. Potenziell gefährdet“, für Baden-Württemberg wurde sie bisher nicht klassifiziert. Kein Wunder: Die PIlzflora Baden-Württembergs (Band 2, A. Gminder & G.J. Krieglsteiner 2000) führt die Art als „nicht nachgewiesen“ – erwähnt ist sie nur, weil ein Fund im Kartierungsatlas (G.J. Krieglsteiner 1991) aufgeführt ist, der sich als Fehlbestimmung erwies (es handelte sich um den Vollgestopften Nestling Nidularia deformis).
Sporen von Mycocalia denudata - Aufsammlung bei Gründelhardt (Hohenloher Ebene bei Schwäbisch Hall), 19.7.2011, Lothar Krieglsteiner |
Vollgestopfter Nestling (Nidularia deformis (=N. farcta)), Nationalpark Eifel (Nordrhein-Westfalen), Dreiborner Hochfläche, Bachtälchen, Ufer in saurem Niedermoor, an Nadelholzrest, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner am 15.6.2012 |
Dieser hat jedoch eine bleibende, dauerhaftere Peridie aus stacheligen Hyphen, während die von Mycocalia früh schwindet und aus glatten Hyphen besteht – im Schnitt ist der Vollgestopfte Nestling auch größer (bis 2 cm hoch und 1,5 cm breit, oft aber auch deutlich kleiner). Außerdem wächst die Art meist (aber nicht immer) an Holz, ihre Peridie ist eher bräunlich gefärbt und die jungen Peridiolen weißlich.
„Bauchpilz“ – nun ja … - früher waren die „Gastromycetidae“ als eine Verwandtschaftsgruppe gedacht worden, zu der verschiedene Ordnungen, u.a. die Nestpilze (Nidulariales), zu denen auch die größeren Teuerlinge gestellt wurden, gezählt wurden. Heute gibt es diese Ordnung nicht mehr, und auch nicht die anderen Ordnungen der Bauchpilze, denn es stellte sich heraus, dass die Wuchsform der Pilze mit ihrer Vewandtschaft nicht viel zu tun hat. Bei den Pflanzen stehen auch nicht alle Bäume in einer Familie allen Kräutern gegenüber; in den Rosengewächsen z.B. gibt es Bäume (Elsbeere, Apfel- und Birnbaum u.a.), Sträucher (Weißdorn, Rose u.a.), Stauden (Mädesüß u.a.), etliche Kräuter und auch Polsterpflanzen im Gebirge. Und so gehören die Nestlinge (im Übrigen auch die Weichboviste!) heute in die Familie Agaricaceae. Ja, in die Champignon-Familie, zusammen mit Champignons und den mannigfaltigen Gattungen der Schirmlinge. Daran müssen sich viele sicherlich erst einmal gewöhnen ….
Pilz des Monats Juli 2016 - Graugestreifter Nabeling (Chrysomphalina strombodes)
.... Nachtrag am 24.7.2016: Wie aus molekularbiologischen Untersuchungen klar wurde, muss der Pilz in einer anderen Gattung stehen, denn er ist näher mit Wasserfüßen (Hydropus, Marasmiaceae - hier steht übrigens auch Clitocybula und Megacollybia, s.u.) als mit der Gattung Chrysomphalina (Hygrophoraceae) verwandt. Der korrekte Name ist deshalb (jetzt wieder) Gerronema strombodes
Dieser eher unauffällige Pilz erinnert durch seinen gestreiften, grauen Hut ein wenig an den natürlich viel größeren Breitblättrigen Holzrübling (Megacollybia platyphylla alias Clitocybula platyphylla) sowie auch an den ähnlich großen Fransigen Faserrübling (auch Holztrichterling: Clitocybula lacerata), weicht aber von beiden schon durch die deutlich herablaufenden Lamellen ab, weswegen die Art ja auch klassisch als Nabeling (Omphalina im weiten Sinne, auch Gerronema) klassifiziert wurde. Dass Nabelinge heute in sehr verschiedenen Gattungen stehen, die nicht unbedingt alle nahe miteinander verwandt sind (z.B. die Heftelnabelinge Rickenella nicht einmal mit anderen Blätterpilzen), ist ein anderes Kapitel, das ich hier nur ganz am Rande aufschlage.
Graugestreifter Nabeling (Chrysomphalina strombodes) - reichliche Kollektion bei Gschwend-Rotenhar (Schwäbischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg), leg., det., fot. K. & L. Krieglsteiner am 26.6.2016 |
Graugestreifter Nabeling (Chrysomphalina strombodes) bei Gschwend-Rotenhar am 26.6.2016, leg., det., fot. K. & L. Krieglsteiner - ältere, typisch grau gestreifte Fruchtkörper an Nadelholzstumpf |
Graugestreifter Nabeling (Chrysomphalina strombodes) - bei Mittelbronn im Schwäbisch-Fränkischen Wald anlässlich von Pilzkurs von Pilzschule Schwäbischer Wald, fot. L. Krieglsteiner am 24.8.2015 - Fruchtkörper einzeln und büschelig |
Die Goldnabelinge (Chrysomphalina) umfassen bei uns drei Arten, die alle an morschen Nadelholzstümpfen zu finden sind, alle vorzugsweise in Gebirgslagen. Die häufigsten von ihnen ist der Olivgelbe Holznabeling (C. grossula), der im Schwäbischen Wald verbreitet ist, die seltenste der Goldblatt-Nabeling (C. chrysophylla). Der Graugestreifte Nabeling ist ebenfalls ziemlich selten, im Schwäbisch-Fränkischen Wald allerdings schon an einigen Stellen gefunden worden. Die Fundorte waren dabei stets luftfeuchte, eher kalte Schattlagen in meist eng eingeschnittenen Bachschluchten. Der typisch gestreifte Hut ist erst bei etwas älteren Fruchtkörpern nach Streckung der Huthaut augenfällig - junge Pilze wirken ziemlich glatt.
Graugestreifter Nabeling (Chrysomphalina strombodes) - bei Althütte im Schwäbisch-Fränkischen Wald nö. Stuttgart, leg., det.. fot. L. Krieglsteiner am 6.9.2012 - junge Fruchtkörper |
Chrysomphalina strombodes in Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Gschwend-Rotenhar - leg., det., fot. K. & L. Krieglsteiner am 26.6.2016 - junge Fruchtkörper mit nahezu glatten Hüten |
Die wenig bekannte Art verrät zunächst nicht unbedingt ihre Zugehörigkeit zu den Goldnabelingen – junge und oft auch ältere Fruchtkörper zeichnen sich durch graue bis graubraune Hüte sowie relativ rein weiße Lamellen aus. Gelbtöne werden erst bei reifen Pilzen und nicht zuverlässig entwickelt – vor allem angetrocknete, ältere Fruchtkörper zeigen allerdings häufiger gelbe Lamellenfarben, wodurch der alternative deutsche und lateinische Name Gelbblättriger Holznabeling (Gerronema xanhophyllum) zustande gekommen ist.
Graugestreifter bzw. Gelbblättriger Nabeling (Chrysomphalina strombodes, Syn. C. xanthophyllum) im Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Gschwend (Seebachtal am Bergsee), Kollektion während Pilzkurs von Pilzschule Schwäbischer Wald, fot. L. Krieglsteiner (Studio) |
Auffällig sind auch die recht deutlich anastomosierenden (mit Querverbindungen versehenen) Lamellen.
anastomosierende Lamellen bei Graugestreiftem Nabeling (Chrysomphalina strombodes) - Kollektion bei Gschwend-Rotenhar im Schwäbisch-Fränkischen Wald, leg., det., fot. K. & L. Krieglsteiner am 26.6.2016 |
Die Art wächst einzeln, aber auch in kleinen Büscheln an Nadelholz der Finalphase, das auch im Boden vergraben sein kann und dann ein Wachstum auf Erde vortäuscht.
Pilz des Monats Juni 2016 - Sumpf-Ackerling (Agrocybe elatella, vormals Agrocybe paludosa)
Heute gibt es nur einen kurzen Text und nur zwei Bilder einer Aufsammlung, die wir am Sonntag, den 15. Mai 2016 beim Kurs „Essbare Wildkräuter“ gemacht haben. Ort der Aufsammlung: das Leintal beim „Tennhöfle“ unweit Alfdorf (Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald n. Schwäbisch Gmünd).
Zunächst brachte ein Teilnehmer einen Pilz an, den er von der Wiese auflies – offenbar hatte ihn jemand umgetreten. Beim genaueren Nachsehen waren etliche (vielleicht 25) Fruchtkörper zu finden und wir machten alle unsere Fotos. Der Standort ist eine bachnahe, feuchte Fettwiese mit mäßigem Nährstoffeintrag (mäßig eutrophiert). Vermutlich würden manche jüngere Leute sogar von einer Magerwiese sprechen, aber ich bin alt genug, um wirkliche Magerwiesen noch zu kennen – hier hat sich in den letzten Jahrzehnten ein gewaltiger Begriffswandel vollzogen.
Sumpf-Ackerling (Agrocybe elatella versus A. paludosa) - Aufsammlung vom 14.5.2016 im NSG "Leinwiesen" bei Tennhöfle (Alfdorf, Baden-Württemberg nö. Stuttgart) - etliche Fruchtkörper in feuchter, mäßig gedüngter Fettwiese - leg. Andreas Schmalholz (Wildkräuterkurs), det., fot. Lothar Krieglsteiner |
Sie (die Wiese) ist Naturschutzgebiet (wo anders kann man nicht mehr hingehen, um Leuten mehr als 10 Blumen auf kleinem Raum zu zeigen ….) und wird (welch ein Anachronismus) immer noch mit Stallmist (immerhin nicht mit Gülle) gedüngt. Offenbar kein Todesurteil zumindest für den Ackerling. Was anspruchsvollere Pflanzen und Pilze betrifft – nun ja ….
Der Sumpf-Ackerling wird nicht so häufig gefunden und steht auch auf der Roten Liste (Deutschland wie Baden-Württemberg). Er ist der „kleinere Bruder“ des Voreilenden Ackerlings (Agrocybe praecox), der in Laubstreu und auf Holzresten (oft auch auf Rindenmulch) fruktifiziert. Letzterer kann nicht unbedingt als gefährdet bezeichnet werden. Beide Arten haben etliche Merkmale gemeinsam – der Sumpf-Ackerling ist vor allem viel kleiner und schmächtiger. Typisch für den ganzen Komplex sind die tabakbraunen Sporen, der flüchtige Ring und die hymeniforme Huthaut. Chinesisch? Nun ja: darunter versteht man Zellen, die wie bei einer Fruchtschicht aufrecht stehen und somit die Rundungen im Schnitt oben zeigen. Makroskopisch führt das meist zu einem nicht faserigen, sondern glimmerig-matten Erscheinungsbild (so z.B. auch bei Samtritterlingen und Sammethäubchen J). Den Voreilenden Ackerling kann man essen – vermutlich dürfte also auch der Sumpfackerling essbar sein. Wir haben allerdings auf eine Zubereitung verzichtet.
Pilz des Monats Mai 2016 - März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus)
Der März-Schneckling (früher fälschlich oft auch März-Ellerling genannt) ist in vielerlei Hinsicht ein sehr interessanter Pilz – und so weiß ich gar nicht recht, wie ich anfangen soll, ihn vorzustellen. Vielleicht so: es handelt sich um eine zumindest in den meisten Regionen sehr seltene oder zumindest ziemlich selten gefundene Pilzart. Das Problem ist: so genau kann man das gar nicht sagen, denn der Märzschneckling ist ein Künstler des Versteckens. Zum einen werden die Fruchtkörper oft schon unter Schnee gebildet und erst bei der Schmelze kommen sie zum Vorschein – sofern der Schnee denn rechtzeitig schmilzt. Genauso oft sind Gruppen und Nester von Fruchtkörpern unter dicken Laubschichten versteckt und man braucht Glück, dass der eine oder andere Fruchtkörper-Teil herausschaut. Dann muss man ihn aber auch erst sehen – wenn Sie die Bilder in dieser Darstellung ansehen, dann glauben Sie gerne, dass er leicht übersehen werden kann. Die aktuellen Funde waren allerdings allesamt weder unter Schnee (lange weg) noch unter Laub versteckt und insofern relativ leicht zu finden. Ich bin auch kein besonders guter Märzschnecklings-Finder – lange habe ich keine eigenen Funde mehr gemacht und in den letzten 10 Jahren (in etwa so lange fotographiere ich mit einer Digicam) habe ich keine brauchbaren Fotos der Art machen können – einfach, weil ich sie nicht fand. In den letzten 3-4 Jahren habe ich mir aber vorgenommen, die Art gezielt im Schwäbisch-Fränkischen Wald (wo sie durch etliche Alt-Funde nachgewiesen ist – zuletzt fand sie 2013 Beate Siegel bei Murrhardt und zeigte mir auch den Fundort; leider gab es noch 1 Frk. zu sehen ) zu suchen – bis Ende März 2016 vergebens. Nun hat es allerdings geklappt :-)
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) bei Tanne unweit Rotenhar (Schwäbischer Wald bei Gschwend, n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg) am 27.3.2016, leg., det., fot. Katharina & Lothar Krieglsteiner |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) unweit Rotenhar (Schwäbischer Wald bei Gschwend, ö. Stuttgart, Baden-Württemberg), ca. 100 m entfernt vom Ort des ersten Fotos, an Böschung unter Tanne (Fichte, Buche) am 27.3.2016, leg., det., fot. Katharina & Lothar Krieglsteiner |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) am "Bergsee" bei Gschwend-Wildgarten (Schwäbischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg), Bachkante über Bunte Mergel zu Stubensandstein, leg., det. fot. Katharina & Lothar Krieglsteiner am 28.3.2016 |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) am "Bergsee" bei Gschwend-Wildgarten (Schwäbischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg), Bachkante über Bunte Mergel zu Stubensandstein, leg., det. fot. Katharina & Lothar Krieglsteiner am 28.3.2016 |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) im "Edenbachtal" (Bach zur Wieslauf) w. Welzheim (Schwäbischer Wald ö. Stuttgart), in Bachtal mit Tannen, leg., det., fot. Katharina & Lothar Krieglsteiner am 4.4.2016 - die Moose Peitschenmoos (Bazzania trilobata) und Widertonmoos (Polytrichum formosum) kennzeichnen den zumindest oberflächlich etwas saureren Standort |
Ich wusste zunächst auch nicht so recht, wo genau ich suchen soll, denn die ökologischen Angaben in der Literatur sind äußerst widersprüchlich. Zum einen der Mykorrhizapartner – ja, es handelt sich wie alle Schnecklinge um einen Mykorrhizapilz, auch wenn die Erscheinungszeit für einen solchen sehr untypisch ist. In der Literatur wird vor allem Weißtanne (Abies alba) angegeben, aber auch Funde nur unter Fichte, Kiefer und Buche sind bekannt. Allerdings entspricht das Verbreitungsbild des März-Schnecklings vor allem in Süd-Deutschland (vgl. z.B. Kartierungsatlas von G.J. Krieglsteiner) mit wenigen Ausreißern ziemlich genau der Verbreitung der Weißtanne. Auch der Schwäbisch-Fränkische Wald ist ja natürliches Tannengebiet – und ich kann nur sagen, dass alle aktuellen Funde (es waren einige Klein-Stellen in insgesamt 4 Waldgebieten) bei Weißtanne gelangen (natürlich standen meist auch Fichten und Buchen mit dabei Reinbestände der Weißtanne kommen hier nicht vor). Dann der Boden – in der Literatur findet man so gut wie alles von sauren bis zu Kalkböden. Bei meinen Funden 2016 stelle ich fest, dass alle in Waldbereichen gelangen, wo ein Übergang (Gradient) von sauren zu kalkhaltigen Schichten zu verzeichnen war – wenn ich es richtig deute (Geologie ist auch nicht mein Spezialgebiet), dann war es stets das Übergangsfeld zwischen darüber liegendem Stubensandstein (Km4 – sauer) zur Schicht Bunte Mergel (Km3 – basenreich). In der Tat wies die Begleitvegetation (abgesehen von einem Fund, s.u.) auf einen gewissen Basengehalt hin. Außerdem kann festgestellt werden, dass die Mehrzahl der Funde (bis auf einen) in direkter Nähe von Bachufern lag.
Zur Frühjahrszeit gibt es keine Pilzart, mit der der Märzschneckling verwechselt werden könnte – sehr selten (von mir noch nie so gesehen) kommt die Art auch im Spätherbst zur Fruchtkörperbildung. Dann droht Verwechslungsgefahr mit anderen Schnecklingen, so vor allem mit dem Rußbraunen Schneckling (Hygrophorus camarophyllus), der vor allem durch stärker herablaufende, entferntere Lamellen und mehr Brauntöne im Hut zu unterscheiden ist. Auch der Rußbraune Schneckling ist im Schwäbisch-Fränkischen Wald bekannt, aber lange Jahre nicht mehr gefunden worden.
März-Schnecklinge haben dunkel graue bis oft nahezu schwarze Hüte, die jung einen weiß-mehlige Bereifung aufweisen. Die Lamellen sind jung rein weiß, im Alter verfärben sie aber auch ins Graue, was mit dem Sporenpulver nichts zu tun hat - wie alle Schnecklinge ist auch Hygrophorus marzuolus ein Weißsporer.
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) bei Rotenhar (Funddaten s.o.): Sporenpulver weiß! - Foto L. Krieglsteiner |
März-Schneckling bei Rotenhar (Funddaten s.o.): Sporenpulver weiß! (Detail) - Foto L. Krieglsteiner |
März-Schneckling bei Welzheim (Baden-Württemberg ö. Stuttgart - Funddaten s.o.): Fleisch (nahezu) weiß - Studio-Foto L. Krieglsteiner |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) bei Rotenhar (Funddaten s.o.): Hutoberfläche weiß mehlig bereift - Foto L. Krieglsteiner |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) bei Rotenhar (Funddaten s.o.): Stiel vor allem an der Spitze weiß mehlig bereift - Foto L. Krieglsteiner |
Wie der Hut ist auch der weißlich-grauschwarze Stiel jung vor allem an der Spitze dicht mehlig-bereift. Das Fleisch des Märzschnecklings ist rein weiß oder ganz leicht grau angefärbt. Dass es sich um einen Schneckling handelt, verrät nicht nur die Dicke derselben, sondern auch deren wachsartige Konsistenz und die Tendenz zur „Tropfung“ – es sieht aus wie das Wachs, das an Kerzen herunterläuft. Diese (nicht bei jedem Fruchtkörper und erst recht nicht bei jeder Lamelle erkennbare) Tropfung geht oft nahtlos in Anastomosen über, wenn dieselben Strukturen nicht an, sondern zwischen den Lamellen ausgebildet sind.
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) im Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Rotenhar (Baden-Württemberg - Funddaten s.o.): Lamellen dick und wachsartig - Foto L. Krieglsteiner |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) im Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Rotenhar (Baden-Württemberg - Funddaten s.o.): Lamellen getropft (wie Kerzenwachs "zerfließend") - Foto L. Krieglsteiner |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) im Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Rotenhar (Baden-Württemberg - Funddaten s.o.): Lamellen dick und wachsartig, dazu deutlich getropft (wie Kerzenwachs herablaufend) - Foto L. Krieglsteiner |
März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) im Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Rotenhar (Baden-Württemberg - Funddaten s.o.): Lamellen dick und wachsartig, dazu getropft und deutlich anastomosierend (in den Zwischenräumen durch Adern verbunden) - Foto L. Krieglsteiner |
Der März-Schneckling ist wie manch anderen Art der Gattung entgegen manchem Vorurteil nicht nur ein essbarer, sondern ein schmackhafter und durchaus empfehlenswerter Speisepilz. Katharina und ich haben es uns nicht nehmen lassen, eine kleine Probe gemeinsam zuzubereiten und zu verkosten (wie immer in solchen Versuchs-Fällen nur mit etwas Salz gewürzt und in Olivenöl angebraten). Wir entnahmen wie gesagt nur eine kleine Probe, obwohl es zahlreiche Fruchtkörper zu ernten gegeben hätte. Warum? Nun – der Märzschneckling gehört zu den gesetztlich geschützten Pilzarten und darf nicht gesammelt werden. Ob das sinnvoll ist oder eher nicht (wie ich finde), möchte ich hier nur kurz andiskutieren, da ich mich hieruber schon häufiger (auch auf dieser Site) geäußert habe. Gefährdet sind Pilze in aller Regel nicht durch die Entnahme von Fruchtkörpern, sondern durch Zerstörung und Veränderung ihrer Lebensräume (in sehr vielen Fällen durch Immissionen vor allem von Nährelementen, vor allem Stickstoff). Inwieweit dies beim Märzschneckling der Fall ist, kann ich noch nicht ganz abschließend beurteilen – die eher nährstoffarme Begleitflora bei meinen aktuellen Funden spricht aber genau dafür.
10 Jahre oder länger kein eigener Fund und dann gleich in 4 Wäldern an ca. doppelt so vielen „Kleinstellen“ innerhalb einer Woche – wie kann das sein? Nun – zum einen hatte der Märzschneckling 2016 im Schwäbischen Wald (und anderswo) offensichtlich ein gutes Jahr. Zum anderen erleichtert sicherlich der Klimawandel das Auffinden der Fruchtkörper, die heute viel seltener als früher unter Schnee anzutreffen sind. Bei den aktuellen Funden war an Schnee überhaupt nicht zu denken. Wenn dann kein Laub über den Pilzen liegt, können sie auch ganz gut entdeckt werden. Trotzdem: auch schon die Jahre zuvor war wenig Schnee im Frühling vorhanden und dennoch gelangen mir keine Funde. Erfolgsgarant war sicher auch die Tatsache, dass ich nach dem Erstfund weitere ökologisch vergleichbare Standorte aufsuchte (s.o.). Jedenfalls bin ich gespannt, ob auch in den kommenden Jahren im Schwäbisch-Fränkischen Wald Märzschnecklinge gefunden werden können. Für dieses Jahr dürfte es vorbei sein. Insofern könnte man sagen: ein ganz schlechter Pilz des Monats Mai! Aber historisch gesehen ist dies keineswegs so: Funde bis weit in den Mai hinein waren in der Vergangenheit (und sind dies noch in höheren Gebirgslagen) Normalität, vor allem nach schneereichen, langen Wintern. Ob es wohl bald mal wieder einen solchen geben wird?
Pilz des Monats April 2016 - Blauer Rindenpilz (Terana coerulea)
Der Blaue Rindenpilz ist für mich ein alter Bekannter. Schon im Jahr 1983 schrieb mein Vater, G.J. Krieglsteiner, einen ausführlichen Aufsatz in der Zeitschrift für Mykologie über die Verbreitung der Art in Mitteleuropa. Ich weiß es noch - wir hatten die Art (die damals noch Pulcherricium coeruleum hieß - pulcher heißt übrigens auf Lateinisch schön :-) damals live in Oberösterreich gesehen, von eigenen Funden im Bereich Süddeutschland träumten wir damals nur (obwohl Literaturnachweise existieren, nördlich bis nach Niedersachsen). In den letzten Jahren hat sich das geändert - und ich stelle hier zunächst zwei relativ aktuelle Funde "aus der Gegend" vor.
bitte etwas scrollen ...
Blauer Rindenpilz (Terana coerulea) - Fund am "Rosenstein" bei Heubach (Nordrand der Schwäbischen Alb - am 11.4.2014, leg., det., fot. L. Krieglsteiner (anlässlich von Frühlingspilzkurs) - an Ast von Esche (Fraxinus excelsior) |
Blauer Rindenpilz (Terana coerulea) - Kleingartenanlage in Stuttgart-Bad Cannstatt am 28.1.2016, Laubholzast (? Esche), leg., det., fot. L. Krieglsteiner |
Der Blaue Rindenpilz ist ein Laubholzbewohner - in Mitteleuropa ist Esche sein Lieblings-Substrat, er wächst aber auch z.B. an Buche und an allerhand anderen Laub-, sehr selten auch Nadelbäumen. Er ist ein Saprobiont - im Gegensatz zum gerne als Doppelgänger angeführten Bläulichen Filzrindenpilz (Byssocorticium atrovirens) - einem Mykorrhizapilz, der deshalb auch meist in der Bodenschicht, unter Holz, an Moosen und besonders gern auf nackter Erde angetroffen wird. Die Verwechslungsgefahr hält sich auch in Grenzen, wie ich finde ...
Liest man in der Literatur nach, dann findet man gerne die Angabe, der Blaue Rindenpilz sei in Europa weit verbreitet, aber nirgends häufig - eben gerade so gelesen im Pilzporträt 26 von Der Tintling. Allerdings gibt es durchaus Ecken in Europa, wo der Pilz äußerst häufig ist. Ich rede noch nicht von den Kanarischen Inseln, wo ich die Art schon in den 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts sehen konnte, an jedem zweiten Ast. Hier kann man darüber streiten, ob man das (wie politisch korrekt) zu Europa zählen will. Aber auch in Südeuropa ist der Blaue Rindenpilz regional ein ganz häufiger Pilz. Ich zeige hier noch zwei Aufnahmen von unserer letzten Fahrt. In der Algarve wurde ich wiederholt fündig - und im spanischen Nationalpark Monfrague konnte man kaum einmal 10 m weit gehen, ohne im dortigen Buschwald die tiefblauen Beläge zu finden.
Blauer Rindenpilz (Terana coerulea) - Portugal, Algarve, Schutzgebiet "Fonte Benemola", an Laubholzast in mediterranem Gebüsch, leg., det., fot. L. Krieglsteiner am 18.2.2016 |
Blauer Rindenpilz (Terana coerulea) - Spanien, Nationalpark Monfrague - in Massen an jedem zweiten Laubholzast - leg., det., fot. L. Krieglsteiner am 10.2.2016 |
Im Gegensatz zu Mitteleuropa, wo ich den Pilz in der Regel an Ästen in der Bodenschicht antraf, scheint es für Südeuropa charakteristisch zu sein, dass die Art an hängenden Ästen, im Luftraum anzutreffen ist - oftmals weithin sichtbar. Als ich bei einem Fund ein wenig Zeit benötigte, um den Pilz zu fotographieren (Portugal, Fonte Benemola), interessierten sich Wanderer für mein Tun. Auf den Pilz hingewiesen, bezeichneten sie sein Aussehen als "looks really artificial". Nun - das stimmt schon :-)
Pilz des Monats März 2016: Walters Haarzunge (Trichoglossum walteri)
Der Namen dieses Pilzes ist schon seit einiger Zeit in Deutschland eng mit meinem Namen verbunden – noch nicht so sehr, als ich die Art die ersten Male fand, was um die Jahrtausendwende in Nordrhein-Westfalen und Hessen der Fall war, als ich nach meiner Promotion eine Weile als „Leiter“ des Pilzmuseums in Bad Laasphe (Nordhein-Westfalen) tätig war. Damals fand ich die Art beim „Graben“ in nährstoffarmen, sauren Wiesen – kurze Zeit, nachdem auf einer Tagung bei Bad Laasphe Trichoglossum walteri gefunden wurde. Einige Jahre später entdeckte ich die Art dann bei einer Auftragskartierung in einer städtischen Grünlandparzelle in Deggendorf (Bayern), die bebaut werden sollte. Es sollte aber vorher nach gefährdeten Wiesenpilzen geschaut werden, in Bezug auf deren Vorkommen in potenziellen Baugebieten die Stadt Deggendorf schon ein „gebranntes Kind“ gewesen ist. Schließlich führten überregional bedeutsame Vorkommen von Saftlingsgesellschaften im ehemaligen Übungsplatz „Himmelreich“ zur Ausweisung eines (verkleinerten) NSG, ein Novum in der Geschichte (Näheres hierzu vgl. …. Andrias …).
Walters Haarzunge Trichoglossum walteri - Fotos aus dem Baugebiet "Kreut" in Deggendorf (Foto L. Krieglsteiner) - Pilze als Politikum bei Bauvorhaben |
Als ich bei dieser Untersuchung Trichoglossum walteri fand, war dies der Erstnachweis für Bayern. Diese Tatsache brachte eine gewisse Lawine ins Laufen, die eine Reihe von Folgeaufträgen für mich in Deggendorf nach sich zog, anhand derer sich herausstellte, dass Walters Haarzunge in Bayern viel weiter verbreitet ist. Insgesamt mehr als 20 Nachweise gelangen in sauren, zumindest mäßig nährstoffarmen Grasflächen im Bayerischen Wald nahe und weiter weg von Deggendorf, dazu im Biosphärenreservat Rhön. Am 25. September 2014 konnte ich dann bei einer „privaten“ Exkursion im Steigerwald erstmals Walters Haarzunge nachweisen. Das Besondere an diesem Nachweis, den ich heute vorstelle, ist die Tatsache, dass es der erste Waldstandort ist, der zumindest in Europa bisher publiziert zu sein scheint (?). Zumindest sind „an meine Ohren“ noch keine anderen solchen Funde gedrungen. Nun – sensationell ist das Vorkommen von Walters Haarzunge im Wald nicht. Die meisten Vertreter der sogenannten Saftlings-Gesellschaften kommen in Wäldern (und Gebüschen) vor. Dies sind vor allem Arten einiger Gattungen von Lamellenpilzen (Saftlinge, Ellerlinge, Samtritterlinge, Samtellerlinge u.a.), mit diesen verwandter Keulen und Korallen der Gattungen Clavaria, Clavariopsis und Ramariopsis (Wiesenkeulen und Wiesenkorallen) sowie innerhalb der Schlauchpilze die überwiegend schwarz gefärbten Erdzungen –Keulen optisch ähnlich, aber mit diesen nicht verwandt. Was sind Saftlings-Gesellschaften, wovon leben sie? Man ahnt schon lange, dass sie weder Saprobionten noch Mykorrhizapilze sind. Nun, das ist noch nicht bis ins Letzte geklärt. Derzeit nimmt man an, dass viele Zugehörigen als Endobionten („Untermieter“) in grünen Pflanzen leben. Viel ist da allerdings noch zu erforschen und unklar ist auch, welche Begleiter diese Lebensweise teilen oder nicht auch Parasiten auf den Endobionten sein könnten (z.B. Arten der „Zärtlinge“: Entoloma Subg. Leptonia).
Interessant ist auch der Fundort. Es handelt sich um ein Bachufer im nahen Umfeld des NSG „Brunnstube“ im Möchtegern-Nationalpark Steigerwald. Warum wähle ich dieses wenig schmeichelhafte Wort? Nun: sicher nicht, um die Förderer eines solchen Nationalparks zu beleidigen. Kaum, denn mit Ulla Reck, die an diesem Projekt an vorderer Stelle arbeitet, bin ich gut befreundet. Nein: es ist schon bizarr, welche Formen der „Widerstand“ gegen einen Nationalpark im Steigerwald annimmt, der leider vorerst als gescheitert aufzufassen ist. Auf der anderen Seite ist das Wuchsgebiet von Trichoglossum walteri zumindest derzeit nicht gefährdet. Außerdem ist die Frage, was ein Nationalpark Steigerwald in Bezug auf die Erhaltung von gefährdeten „Wiesenpilzen“ (die auch und gerade dort im Wald vorkommen) bringen würde. Immerhin hatte ich bei zweitägiger gezielter Suche im Steigerwald zu besten Bedinungen (kurz vorher Nachweise von T. walteri in der Rhön) keine Standorte von T. walteri (und auch sonst kaum von gefährdeten Wiesenpilzen) finden können, wie überhaupt im Steigerwald nur an einem Ort (bei … Burgebrach… dort T. hirsutum und T. cf. variabile). Der Grund ist naheliegend: nährstoffarm erhaltene Wiesenpartien sind im Steigerwald (wie leider vielerorts) sehr selten geworden – die Wiesen den Steigerwaldes sind großflächig überdüngt. Glücksfall ist dort aber immerhin, dass große, dichte Waldflächen im Inneren teils wenig Einträge abbekommen, vor allem, wenn sie im Geländeprofil höher liegen als die (gedüngten) Lichtungen. Ich plädiere hier ausdrücklich auf ein Umdenken – Natur- und Umweltschutz sowie Landwirtschaft sollten endlich eine vom Staat getriggerte Allianz eingehen. … Ich weiß, ich bin ein hoffnungsloser Fall, so etwas für möglich zu halten. Es ist zum Auswachsen.
Walters Haarzunge Trichoglossum walteri: der erste bekannte Waldfund in Deutschland - Steigerwald, NSG "Brunnstube", 25.9.2014 (leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner) |
Die Vegetation am Fundort in der „Brunnstube“ besteht, was die Bäume betrifft, in der Umgebung aus Eschen und Buchen, dazu etwas weiter weg Fichten und kann in etwa dem Bach-Eschenwald (Carici remotae-Fraxinetum) zugeordnet werden – auch andernorts ein bekannter Wuchsort von Saftlings-Gesellschaften. Für die Lokalmatadoren: bei Schwäbisch Gmünd kommen ebenfalls Saftlings-Pilze in einem Bach-Eschenwald vor, in der „Költ“ bei Weiler i.d.B. (sö. Schwäbisch Gmünd, Albvorland auf Dogger). Dort wachsen z.B. Saftlinge (Hygrocybe glutinipes, H. insipida), der Wiesenellerling (Cuphophyllus pratensis), die seltene Gallertkoralle (Tremellodendropsis tuberosum) sowie zwei Erdzungen (Geoglossum fallax, Glutinoglossum glutinosum). Zurück zum Fundort im Steigerwald: die Pilze waren am direkten Bachufer zu finden, zusammen mit (wenige Meter entfernt) dem Mennigroten Saftling (Hygrocybe miniata), ebenfalls ein Zeigerpilz für saure, nährstoffarme Bachufer. Am engen Fundplatz von T. walteri mag es aber gar nicht so nährstoffarm zugehen, was das Vorkommen des Mooses Eurhynchium praelongum anzeigen mag, das eher für den mittleren Flügel an Nährstoffarmut steht sowie für einen gewissen Störungseffekt im Ökosystem. Auch die Vorkommen in Deggendorf stehen nicht alle für kompletten Nährstoffarmut. Gerade der Schauplatz des bayerischen Erstfundes, das inzwischen (bis auf ein kleines geschontes Relikt – außerdem fanden ja Sodenverpflanzungen ins nahegelegene Mietzing statt) in der Bebauung befindliche Gebiet Kreut war seinerzeit eine durchaus nur örtlich nährstoffarme Wiese, die durchaus intensiv von Hunden zur Erleichterung in flüssiger und fester Form genutzt wird. T. walteri wuchs dort vor allem, aber nicht nur in den nährstoffärmeren Partien – eine Tendenz, die auch für andere, aber auch nicht für alle Fundorte im Bereich Bayerischer Wald gilt – es gibt Funde in Borstgrasrasen, aber auch in durchaus mesophilem Grasland. T. walteri ist also nicht die empfindlichste Erdzunge und wohl viel häufiger, als es allgemein als gegeben angenommen wurde.
In Baden-Württemberg ist Walters Haarzunge bis heute nicht nachgewiesen worden – obwohl dies im Schwäbischen Wald, Schwarzwald oder Alpenvorland möglich sein sollte. Ich habe in Baden-Württemberg bisher noch nicht intensiv genug nach Erdzungen in sauren Wiesen gesucht – und offenbar auch noch nicht andere Pilzkenner. Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ich die Art in BW nachweisen werde – es kann nur eben auch gut sein, dass mir jemand anderes zuvorkommen wird. Wer versucht es?
Trichoglossum walteri ist mit einiger Übung ganz gut makroskopisch erkennbar – natürlich muss trotzdem jeder Fund mikroskopisch geprüft werden. Dann ist eine Verwechslung kaum möglich: T. walteri ist die einzige Haarzunge mit (konstant) 8-sporigen Schläuchen, sie gleicht hierin Geoglossum-Erdzungen. Diese weisen aber ja keine Setae (dickwandige Paraphysen) im Hymenium auf.
Walters Haarzunge mikroskopisch: 8-zellige Sporen und Setae im Hymenium |
Makroskopisch prägnant sind die kurzgestielt-keuligen Fruchtkörper, die in der Ausbildung der Keule sehr variieren können. Junge Pilze oder unter Gras wachsende sind oft insgesamt rundlich, dabei aber auch oft unregelmäßig geformt, ältere dagegen meist (und auch teils jüngere schon) seitlich abgeplattet; sie ähneln damit der Trockenen Erdzunge (Geoglossum cookeanum).
Pilz des Monats Februar 2016 - Schwarzweißer Stielporling (Boletopsis leucomelaena)
Dieser große, festfleischige Hutpilz hat auf der Unterseite Röhren und man wäre geneigt, ihn für einen Röhrling (z.B. für eine Art schwarzen Steinpilz) zu halten, da er auch wie ein solcher auf dem Erdboden wächst - im Gegensatz zu Röhrlingen ist jedoch die Fruchtschicht fest mit dem Hutfleisch verwachsen und nicht sauber von der Hutunterseite abzulösen. Kurz zur Terminologie: ansonsten haben Porlinge und Röhrlinge einen ganz ähnlichen Aufbau des Hymeniums - und man nennt bei beiden die Mündungen Poren und die Gesamtheit Röhren. Ein Hexenröhrling hat z.B. rote Poren und gelbe Röhren. Nun - der Schwarzweiße Stielporling ist einer von nur relativ wenigen Porlingen, die mit mehr oder weniger zentralem Stiel auf dem Erdboden wachsen; die meisten anderen gehören in die Gattung der Schafporlings-Verwandten (Albatrellus incl. Scutiger) und sind somit mit Täublingen verwandt (heute Ordnung Russulales!). Der Schwarzweiße Stielporling hat eine andere Verwandtschaft - und man kann sie sich leichter vorstellen, wenn man auf der Hutunterseite die Röhren durch Stacheln ersetzt. Er gehört wie Habichtspilz und andere Fleischstachelinge, Korkstachelinge, Filzgewebe und Lederkorallen zur Ordnung der Erdwarzenpilz-Verwandten (Thelephorales - die Stachelinge und Boletopsis in Familie Bankeraceae).
Schwarzweißer Rußporling (Boletopsis leucomelaena) Fotos Lothar Krieglsteiner |
Diese (die Thelephorales) sind mikroskopisch in den allermeisten Fällen (so auch hier) durch Pilzfäden (Hyphen) mit auffälligen, großen Schnallen sowie durch meist (auch hier) bräunliche, deutlich höckerig (bis noppig) skulpturierte Sporen ausgezeichnet. Heutzutage hat man sich längst daran gewöhnt, dass auch Pilzfamilien ganz unterschiedliche Wuchsformen beinhalten. Wie die ähnlichen Schafporlings-Verwandten (s.o.) ist auch der Schwarzweiße Rußporling (Boletopsis leucomelaena) ein Mykorrhizapilz; er wächst nur bei Fichten auf basenreichen, meist kalkhaltigen Böden in Mittelgebirgslagen (die einzige weitere Art der Gattung in Europa, der Hellgraue Stielporling Boletopsis grisea, wächst bei Kiefern). Im Schwäbischen Wald sind das meist Mergelböden (Knollenmergel, Bunte Mergel), und die Standorte liegen meist in der Nähe von Bachläufen. Der Schwarzweiße Rußporling benötigt Waldstandorte, die nicht oder allenfalls wenig durch Nährstoffeinträge gestört wurden und ist deshalb selten geworden. Dennoch muss ich sagen: heute kenne ich wieder mehrere (auf die Schnelle fallen mir 3 ein) Stellen im Schwäbischen Wald - und an zwei von ihnen tritt die Art regelmäßig auf. An beiden Fundorten tritt Boletopsis leucomelaena mit anderen Besonderheiten auf, von denen Habichtspilze noch die Gewöhnlichsten sind. In Zeiten des "sauren Regens" waren diese Arten alle im Schwäbischen Wald verschollen gewesen. Man muss ja auch mal was Positives sagen ... - Der Schwarzweiße Stielporling schmeckt mild und ist im Prinzip essbar - allerdings sollte man seine Fruchtkörper wegen Seltenheit schonen. Zwar schädigt die Entnahme den Pilz vor Ort nicht oder wenig (im Gegensatz zu sauren Niederschlägen oder Stickstoff-Düngung), die Pietät gebietet es aber, solche seltenen Pilze nicht für Speisezwecke zu entnehmen. Die Rote Liste der Gefährdeten Pilze Deutschlands führt die Art im Übrigen als "stark gefährdet" (2) an. In die Liste der "geschützten Pilze" (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Anlage_1_zur_Bundesartenschutzverordnung#Pilze) ist die Art aber im Gegensatz zu den schon genannten Albatrellus-Arten nicht aufgenommen worden. Die Bezeichnung "geschützt" setze ich in Anführungszeichen, da die Entnahme von Fruchtkörpern eine vergleichsweise sehr geringe Bedrohung darstellt (s.o.) und die eigentlichen Gefährdungen durch den "Schutz" nicht berührt werden.
Die Tafel oben zeigt Fruchtkörper von verschiedenen Standorten im Schwäbischen Wald (Edenbachtal bei Welzheim sowie Hinterwald bei Adelmannsfelden) - oben links zeigt eine Detailaufnahme die fein-runzelig-unebene Struktur der Hutoberfläche.
Pilz des Monats Januar 2016 - Dunkelbrauner Muscheling (Hohenbuehelia unguicularis)
Anm. vom 6.1.2017: Aufgrund einer Nachuntersuchung und neuer Literatur-Konsultation komme ich nun zu dem Schluss, dass die unten (als H. cf. chevallieri) beschriebene Probe zu H. unguicularis gehört. Hohenbuehelia ist eine schwierige Gattung und Bestimmungs-Revisionen keine Ausnahme ... - bitte ersetzen Sie unten im Text immer in Gedanken "cf. chevallieri" durch "unguicuaris". Das alles einfach auszutauschen würde allerdings den Sinn des (unter Annahme cf. chevallieri verfassten) Textes durcheinander bringen.
Zunächst möchte ich allen Lesern meiner Rubrik "Pilz des Monats" ein erfülltes, gesundes und in jeder Hinsicht positives neues Jahr 2016 wünschen!
Heute gibt es ein Novum - erstmals stelle ich hier einen nicht hundertprozentig sicher bestimmten Pilzfund als "Pilz des Monats" vor. Sollte die Bestimmung korrekt sein, dann würde es sich um einen Erstnachweis für Baden-Württemberg handeln (vorausgesetzt, die Bestimmung durch H. Bender auf http://www.bender-coprinus.de/pilz_der_woche/2007/_hohenbuehelia_chevallieri.html - Fund in Nordrhein-Westfalen ist korrekt). Das Problem ist, dass die Bestimmung von Proben aus der Gattung Hohenbuehelia (Muschelseitling, Muscheling) wie in vielen anderen Pilzgattungen nicht so ganz ohne Tücken ist und sich auch die Merkmals-Angaben bei verschiedenen Bearbeitern der Gattung teilweise widersprechen. Was ich auf alle Fälle über meinen aktuellen Fund sagen kann, ist, dass es sich um eine Art handelt, die ich bisher nicht gefunden hatte.
Bläulicher Muschelseitling (Hohenbuehelia cf. chevallieri) - 28.12.2015 Baden-Württemberg, ö. Stuttgart, Schwäbischer Wald bei Untergröningen, Wengen, Krempelbachtal, MTB 7025/3, an liegendem, frisch gefälltem Buchenstamm (Fagus silvatica) der Initialphase, leg., det. L. Krieglsteiner & Katharina Löw - unteres Bild: Studio mit Schnitt durch die Huthaut (dick und gelatinös) |
Die seitlich kurz gestielten, relativ regelmäßig hutförmigen Fruchtkörper saßen an der Seite eines ca. 40 cm langen, dicken, frisch gefällten Buchenstammes im "Krempelbachtal" bei Wengen (Baden-Württemberg, MTB 7025/3) - Begleitpilze waren u.a. der Violette Schichtpilz (Chondrostereum purpureum), der Gelbstielige Zwergknäueling (Panellus serotinus oder Sarcomyxa serotina) sowie der Ablösende Rindenpilz (Cylindrobasidium laeve) - an der Stirn des Stammes fruchtete der Becherling Bisporella pallescens auf den schwarzen Striemen seiner Nebenfruchtform Bispora antennata (schwarzer Striemenschimmel der Buche).
Nun - die Bestimmung der Gattung Hohenbuehelia (Muschelseitling, Muscheling) ist eigentlich ziemlich einfach. Seitlich bis exzentrisch gestielte oder ungestielte Lamellenpilze an Holz oder anderem Pflanzensubstrat gehören hierher, wenn sie eine gelatinöse Huthaut haben und zumindest in den Lamellen zumindest einige ihrer typischen Zystiden (Cheilo- und vor allem Pleurozystiden) tragen - diese sind dickwandig und mit kräftigen Kristallschöpfen besetzt - auch in einem Quetschpräparat kaum zu übersehen.
Pleurozystiden von Hohenbuehelia cf. chevallieri aus Wengen (Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald ö. Stuttgart) 28.12.2015), - reich vorhanden und oft mit braunem Wandpigment |
Dazu kommen weniger auffällige Strukturen, die sogenannten Gloeosphexen - Zystiden-Bildungen mit "Klebtröpfchen" an der Spitze. Dies verrät auch schon die Ernährungsweise der Muschelseitlinge - sie fangen wie die nahe verwandten Seitlinge (Pleurotus - diese mit Schlingen) Nematoden (winzige Rundwürmer) ein und saugen sie mit ihren Hyphen aus. Natürlich verzichten sie auch nicht auf saprobiontische Lebensweise, also Holzabbau.
Gloeosphexe von Hohenbuehelia cf. chevallieri aus Wengen (Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald ö. Stuttgart) |
Bei der Aufsammlung aus Wengen konnten reichlich dickwandige Pleurozystiden (diese sind wunderbare Objekte für mikroskopische Pilzseminare) festgestellt werden, die oft braune Wände hatten. Auch Gloeosphexen waren reichlich vorhanden - leider nur sparsam allerdings Sporen, die mit ca. 9-11/4-4,5(5) µm vermessen wurden.
Hohenbuehelia cf. chevallieri aus Wengen (Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald n. Schwäbiscch Gmünd) - Sporen (unten) und Kristalldrusen der Huthaut (oben) |
Die Untersuchung der Huthaut ergab reichlich schnallentragende Hyphen mit großen Zwischenräumen aus Gel. Kristalltragende Zystiden wurden dort nicht gefunden, dafür aber reichlich scheinbar lose aufliegender Kristalldrusen. Und besonders interessant: die Hyphen der Huthaut weisen zum Teil ein sehr kräftig entwickeltes, inkrustierendes Pigment auf, das in zebra-artig gestreiften Bändern aufliegt. Über dieses Merkmal finde ich in der Literatur nicht viel ....
Hohenbuehelia cf. chevallieri aus Wengen (Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, 28.12.2015) - inkrustiertes Pigment in Bänder-Form .... |
Wer also etwas zur Klärung des Fundes beitragen kann, darf sich gerne bei mir melden. Der typische Blauton des Hutes, der typisch für H. chevallieri sein soll, war bei meinem Fund nicht deutlich, dazu kommt die starke Riefung des Hutes. Andere Hohenbuehelia-Arten mit stark grau gefärbten Lamellen (H. nigra, H. unguicularis, H. leightonii) passen allerdings noch schlechter (H. unguicularis ist z.B. anders geformt, mit der Hutseite angewachsen, H. leightonii hat größere und breitere Sporen) uns so lege ich den Fund zunächst einmal als H. cf. chevallieri ab.