Pilz des Monats August 2016 Nackter Zwerg-Nestling (Mycocalia denudata)
Abgesehen von noch selteneren Arten der selben Gattung (die ich noch nie gefunden habe) ist diese Art mit Fruchtkörpern bis maximal 2 mm der kleinste in Mitteleuropa vorkommende Bauchpilz. Wie selten er ist, ist schwer zu sagen – in Literatur und Internet gibt es nur ziemlich wenige Nachweise. Ich selbst fand die Art dreimal – und zwei dieser Funde (aus Baden-Württemberg) kann ich hier mit einem Foto belegen (der dritte stammt aus der Bayerischen Rhön).
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Zwerg-Nestling (Mycocalia denudata) im NSG "Weiherwiesen" bei Aalen-Tauchenweiler (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), Hochfläche des Albuch (Schwäbische Alb), in saurem Niedermoor an Resten von Juncus effusus, leg., det. L. Krieglsteiner, fot. F. Kasparek (nach Zusendung), gefunden am 8.10.2003 |
Zwerg-Nestling (Mycocalia denudata) bei Gründelhardt (Hohenloher Ebene sw. Schwäbisch Hall, Baden-Württemberg), Waldweiher auf saurem Boden, an moorigem, bewaldetem, wenig beeinflusstem Ufer, an Seggenresten etc., leg. Michael Hausser & L. Krieglsteiner, det., fot. Lothar Krieglsteiner am 19.7.2011 |
Was haben alle Fundorte gemeinsam? Nun – immer handelte es sich um saure, nährstoffarme Moore, an Resten von Einkeimblättlern (Seggen oder Binsen). Es ist insofern anzunehmen, dass es sich um eine gefährdete Art handelt (obwohl die Art laut Literatur auch auf Kaninchen- und Schafmist vorkommen soll ….). Die Rote Liste der Pilze Deutschlands führt die Art als „Rarität. Potenziell gefährdet“, für Baden-Württemberg wurde sie bisher nicht klassifiziert. Kein Wunder: Die PIlzflora Baden-Württembergs (Band 2, A. Gminder & G.J. Krieglsteiner 2000) führt die Art als „nicht nachgewiesen“ – erwähnt ist sie nur, weil ein Fund im Kartierungsatlas (G.J. Krieglsteiner 1991) aufgeführt ist, der sich als Fehlbestimmung erwies (es handelte sich um den Vollgestopften Nestling Nidularia deformis).
Sporen von Mycocalia denudata - Aufsammlung bei Gründelhardt (Hohenloher Ebene bei Schwäbisch Hall), 19.7.2011, Lothar Krieglsteiner |
Vollgestopfter Nestling (Nidularia deformis (=N. farcta)), Nationalpark Eifel (Nordrhein-Westfalen), Dreiborner Hochfläche, Bachtälchen, Ufer in saurem Niedermoor, an Nadelholzrest, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner am 15.6.2012 |
Dieser hat jedoch eine bleibende, dauerhaftere Peridie aus stacheligen Hyphen, während die von Mycocalia früh schwindet und aus glatten Hyphen besteht – im Schnitt ist der Vollgestopfte Nestling auch größer (bis 2 cm hoch und 1,5 cm breit, oft aber auch deutlich kleiner). Außerdem wächst die Art meist (aber nicht immer) an Holz, ihre Peridie ist eher bräunlich gefärbt und die jungen Peridiolen weißlich.
„Bauchpilz“ – nun ja … - früher waren die „Gastromycetidae“ als eine Verwandtschaftsgruppe gedacht worden, zu der verschiedene Ordnungen, u.a. die Nestpilze (Nidulariales), zu denen auch die größeren Teuerlinge gestellt wurden, gezählt wurden. Heute gibt es diese Ordnung nicht mehr, und auch nicht die anderen Ordnungen der Bauchpilze, denn es stellte sich heraus, dass die Wuchsform der Pilze mit ihrer Vewandtschaft nicht viel zu tun hat. Bei den Pflanzen stehen auch nicht alle Bäume in einer Familie allen Kräutern gegenüber; in den Rosengewächsen z.B. gibt es Bäume (Elsbeere, Apfel- und Birnbaum u.a.), Sträucher (Weißdorn, Rose u.a.), Stauden (Mädesüß u.a.), etliche Kräuter und auch Polsterpflanzen im Gebirge. Und so gehören die Nestlinge (im Übrigen auch die Weichboviste!) heute in die Familie Agaricaceae. Ja, in die Champignon-Familie, zusammen mit Champignons und den mannigfaltigen Gattungen der Schirmlinge. Daran müssen sich viele sicherlich erst einmal gewöhnen ….