Pilz des Monats Dezember 2024 - Sieb-Erdstern (Myriostoma coliforme)
Der heutige PIlz des Monats ist ein kurzer und knapper Pilz des Monats - und er wird nur mit einem Foto illustriert. Es ist ein Foto des Sieb-Erdsternes, und zwar aus der Algarve (Portugal) östlich von Silves. Zumindest was die Optik betrifft zählt dieser Fund zu den absoluten Highlights unserer diesjährigen Winter-Exkursionsfahrt. Da diese immer noch nicht beendet ist, habe ich mich heute für einen wenig aufwändigen Pilz des Monats entschieden. Erst in ein paar Tagen geht es auf die Heimfahrt, und bis dahin nutzen wir fast jede Minute für mykologische Arbeit hier vor Ort.
Der Sieb-Erdstern in der Algarve war für uns ein absoluter Überraschungs-Fund, und das, obwohl wir die Art aus einem Gebiet in Spanien kennen (Nationalpark Monfrague), und obwohl wir uns durchaus schon dachten, dass die Art auch in der Algarve vorkommen könnte. Fündig wurde Katharina, die sich entschied, den Innenraum unter einem alten Johannisbrotbaum (Alfarroba, Ceratonia siliqua) aufzusuchen. Dort prangten 5 zwar nicht mehr absolut frische, dafür aber immer noch sehr ansehnliche Fruchtkörper.
Wie andere Erdsterne liebt auch der Sieb-Erdstern nährstoffreiche Standorte - am Liebsten solche, die sozusagen von Natur aus nährstoffreich sind. Das sind nicht etwa von Gülle und Kunstdünger betroffene Bereiche, sondern z.B. Wuchsorte von Pflanzen (vor allem Gehölzen), die selbst für diesen Nährstoffreichtum sorgen. Oder sagen wir - nicht ganz selbst, sondern indem sie anderen Organismen, die dies bewerkstelligen können, Lebensraum bereit stellen. Schmetterlingsblütler (Fabaceae) haben nämlich ganz besondere "Untermieter", die Rhizobien. Das sind Bakterien, die etwas bewerkstelligen können, was sonst in der Natur nur durch große Energie-Entladungen (Blitze!) geschehen kann, nämlich die Umwandlung von molekularem Luft-Stickstoff (N2 - dies ist eine sehr stabile, nahezu "unangreifbare" Substanz) in pflanzen-verfügbaren Ammoniak.
Sieb-Erdstern (Myriostoma coliforme) am 16.11.2024 bei Silves (Portugal, Algarve), unter altem Johannisbrotbaum (Ceratonia siliqua, Fabaceae) in der Streuschicht, 5 Frk., leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Seit gut einem Jahrhundert kann dies auch der Mensch - dies nennt man das Haber-Bosch-Verfahren. Anfangs ein großer Segen für die Welternährung, ist es leider sehr dabei, sich in einen Fluch zu verkehren. Sie kennen sicherlich die Stichworte Überdüngung und Verlust der Artenvielfalt, Nitrat im Grundwasser u.a.
In Deutschland gibt es dieses Phänomen auch - seltene Erdsterne kommen gerne in Robinien-Pflanzungen vor. Auch der Sieb-Erdstern, der in Deutschland über 100 Jahre verschollen war, wurde vor einigen Jahren unter Robinien im Stadtgebiet Mannheim wieder entdeckt, wo ich die Art auch selbst finden konnte (nach einem Tipp von Pablo Schäfer, Erstfinder war Bernhard Örtel gewesen).
Pilz des Monats November 2024 – Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola)
Mitten in der Pilzsaison gibt es immer viel zu tun und es ist nicht viel Zeit für einen sehr ausführlichen Pilz des Monats. Deshalb heute nur ein kurzer – die nicht eben vollständige Darstellung eines Becherlings-Fundes vor etwa einer Woche, im Zuge einer Auftrags-Kartierung für die Heinz-Sielmann-Stiftung auf der östlichen Schwäbischen Alb bei Weißenstein. Von dort habe ich schon einmal einen Pilz des Monats vorgestellt: den Fleischroten Holz-Trichterling (Clitocybe americana).
Das Rindenbecherchen (den deutschen Namen habe ich von Ingo Wagners Website asco-sonneberg.de) wuchs an einem liegenden Ast von Bergahorn (Acer pseudoplatanus), der fast über und über mit dem Pilz besetzt war. Ich kannte den Pilz schon von früher her, hatte ihn aber länger nicht mehr gefunden. Deshalb gab es auch nur eine kurze mikroskopische Prüfung, die keine Gegenargumente zur Zuordnung ergab. Die teils sehr großen Sporen (einzelne überschritten 40 µm Länge knapp) waren großenteils noch einzellig, nur vereinzelt konnten einzelne Septen gesehen werden, was für eine noch nicht vollständige Reife spricht.
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener |
Besonders schön bei dieser (und bei anderen) Art der Gattung Pezicula ist der schön große hemiamyloide Apikalapparat der Asci. Wer sich einmal hemiamyloide (d.h. mit Lugol oder Baralscher Lösung rot färbende – in Melzer würde es auch hier blau werden) Apikalapparate ansehen möchte, für den ist Pezicula die richtige Wahl.
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die Bilder zeigen Asci mit lebenden, ölreichen Sporen. Septen sind nicht erkennbar - die Sporen sind im Ascus einzellig und zweireihig angeordnet. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die Fotos zeigen tote Sporen in Baralscher Lösung (o.) und Wasser - im ersten Foto sind alle kleinen Öltropfen zu einem großen zusammen geflossen (einzellig), das untere Foto zeigt eine 7-zellige Spore mit 5 Septen, was meist erst mit dem Absterben der Spore und dem Zusammenfließen der kleinen Tropfen sichtbar wird. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die Fotos zeigen Apikalapparate der Asci in Baralscher Lösung, rot angefärbt und hemiamyloid. Nur wenige Becherlinge haben so große und dazu hemiamyloide Apikalapparate. Der apikale Porus muss starke Dehnungen ertragen, wenn die Sporen abgeschossen werden - Strukturen, die von Polysacchariden gebildet werden. Bei vielen Arten reagieren diese eu-amyloid (blau - so wie die Stärke: Amylon), nur relativ wenige sind hemiamyloid, andere (viele) reagieren jod-negativ. Die hemiamyloide Reaktion wird durch Chloralhydrat (Melzers Reagens) unterdrückt, was zu einer blauen Reaktion führt. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - die teils verzweigten Paraphysen färben sich in Jod-Reagentien (hier Baralsche Lösung) stark rotbraun an. |
Ahorn-Rindenbecherchen (Pezicula acericola) am 14.10.2024 bei Lauterstein-Weißenstein (Baden-Württemberg, Kreis Göppingen), Schutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, MTB 7225/3, 659 m NN, GPS: N48°42'19.18" E9°54'14.74", an liegendem Stömmchen von Bergahorn (Acer pseudoplatanus) in Laubmischwald über Jura-Kalk (Tendenz zum Fraxino-Aceretum pseudoplatani und Hordelymo-Fagetum), leg., det., Fotos Lothar Krieglstiener - Exzipulum (Gehäuse) von textura globulosa (d.h. aus runden Zellen aufgebaut) |
Eine weitere recht häufige Art der Gattung wächst an Hainbuche (P. carpinea), auch sie wächst oft in großer Zahl und färbt ganze Äste gelb. Die Gattung ist noch artenreicher und große ölreiche Sporen sind ein weiteres typisches Merkmal, ebenso wie ein Exzipulum von textura globulosa und mit Jodreagentien stark rotbraun färbende Paraphysen; P. acericola hat Asci mit Haken (von mir nicht photographiert).