Pilz des Monats Dezember 2017 - Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens)
Bevor ich über Funde im Schwäbischen Wald berichte, die zu dieser Art und zur nächsten Verwandten, der Echten Morcheltrüffel (Gautieria morchelliformis) gehören sollten, möchte ich ein paar Worte über die Verwandtschaft dieser hypogäisch bis subepigäisch wachsenden Pilzarten verlieren. Es ist noch nicht sehr lange her, da hat man alle einigermaßen ungestielt kugelig wachsenden Ständerpilze in der Ordnung Hymenogastrales der Unterklasse Gastromycetidae (Bauchpilze) zusammen gefasst. Vor der Zeit der Molekularbiologie (und der Pigmentchemie) gab es nur wenige Anhaltspunkte dafür, dass es sich hier um eine – wie wir heute wissen – hochgradig künstliche Klassifizierungsform handelte. Heute stehen solche „falsche Trüffeln“ in ganz unterschiedlichen Ordnungen und Familien (z.B. die namengebende Gattung Hymenogaster in der Familie Hymenogastraceae der Agaricales, zusammen mit den nahe verwandten Häublingen und Fälblingen). Und Gautieria? Betrachtet man den eigentümlichen Aufbau mit einem inneren, strunkartigen Stiel (Columella) und feiner, verbackener Verästelung genau, muss man sich nicht allzu sehr wundern, dass der heutige Platz in der Familie Gomphaceae (O. Gomphales, U.Kl. Phallomycetidae) zu finden ist, eben in der Verwandtschaft der klassischen Ziegenbärte (Ramaria). Wie die Ziegenbärte mit Strünken (und dem Familientypus Schweinsohr) handelt es sich ja auch bei Gautieria um Mykorrhizapilze. Noch in der Monographie von Montecchi & Sarasini (2000), auf die ich mich gleich wieder beziehen werde, stellten die Autoren die Gattung in die Boletales!
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) bei Gschwend-Rotenhar, am Weiterweg (n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart, Baden-Württemberg, Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald auf basenreichem Standort, leg. Trüffelkurs der Pilzschule Schwäbischer Wald in Person von Jule (Trüffelhund von Sabine Hörnicke) am 5.11.2017, Foto Lothar Krieglsteiner |
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) im Schwäbisch-Fränkischen Wald n. Schwäbisch Gmünd (ö. Stuttgart, Baden-Württemberg), Hang zum Kochertal bei Wimberg auf basenreichem Boden in Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald, leg. Trüffelkurs der Pilzschule Schwäbischer Wald in Person von Mia (Hund von Corinna Kiener) am 8.11.2015, Foto Lothar Krieglsteiner |
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) am Südhang zum "Weißensee" (Österreich, Kärnten, Alpen) in subalpinem Fichtenwald an der Erdoberfläche liegend, leg., det. H. Lotz-Winter & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner (Fund ohne Hund) |
Starkriechende Morcheltrüffel (Gautieria graveolens) im Schwäbisch-Fränkischen Wald bei Tanau (n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart, Baden-Württemberg), an Hohlweg auf (saurem) Sandboden, reichlich fruchtend (ohne Hund gefunden), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner am 3.10.2009 |
Sporen von Gautieria graveolens (Starkriechende Morcheltrüffel) - 2 Fotos der Kollektion vom 8.11.2015 bei Wimberg (Schwäbischer Wald), Fotos Lothar Krieglsteiner. Die Sporen haben sind verglichen mit denen von G. morchelliformis (s.u.) eher kurz und gedrungen. |
Die Unterscheidung von G. graveolens und G. morchelliformis ist jedoch ziemlich eng und eigentlich nur auf eine etwas andere Sporenform (länger und schmäler, größeres Längen-Breitenverhältnis bei G. morchelliformis) der bei letzteren Art tendenziell etwas größeren Sporen zu begründen. Zumindest habe ich mich dazu nun nach etwas Recherche durchgerungen. Hanna Maser (Stuttgart, †) untersuchte mehrere Kollektionen aus dem Museum Stuttgart, die als G. graveolens und als G. morchelliformis bestimmt wurden, und fand sie konspezifisch; kleinere Unterschiede in der Sporengröße (die als Merkmal bei Montecchi & Sarasini hochgehalten wird) führt sie (spekulativ) auf die unterschiedlich starke Beimengung von 2sporigen Basidien zurück, die auch bei anderen Pilzen meist größere Sporen bilden.
Zeichnung von Hanna Maser (eine von drei vorliegenden) zu Gautieria graveolens nach einem im Museum von Stuttgart hinterlegten Fund aus der Schweiz. Die Verunsicherung bezüglich G. graveolens und G. morchelliformis aufgrund Vorbestimmungen und Literaturangaben ist Frau Maser anzumerken. |
In der Tat untersuchte H. Maser wohl nur G. graveolens – zumindest zeigen alle ihre Zeichnungen (mir liegen 3 vor, 2 davon waren als G. morchelliformis bestimmt) die eher kurz-gedrungene Sporenform, die für G. graveolens typisch ist. Ganz „sonnenklar“ ist die Unterscheidung trotzdem nicht sofort, denn die individuellen Sporen variieren durchaus auch bezüglich Sporenform bzw. Längen-Breitenverhältnis deutlich. Insgesamt scheint im Schwäbisch-Fränkischen Wald G. graveolens die häufigere Art zu sein. G. morchelliformis (mit den verlängerten Sporen) konnte ich erst einmal finden:
Echte Morcheltrüffel (Gautieria morchelliformis) - Fruchtkörper und Sporen: Schwäbischer Wald zwischen Mittelbronn und Wimberg (n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart), Hang zum Kochertal, in Fichten-Tannen-Buchenwald über mäßig basenreichem Boden, leg. Trüffelkurs der Pilzschule Schwäbischer Wald in Person von Mia (Hund von Corinna Kiener) am 12.6.2016, Fotos Lothar Krieglsteiner. Vergleichen Sie mit G. graveolens (oben)! |
Ein weiteres Merkmal wird zur Unterscheidung bei Montecchi & Sarasini (2000) angegeben: die Ausbildung der Sporen-Spitze (gegenüber des Apikulus): G. morchelliformis mit abgeflachter Spitze und G. graveolens mit eher abgerundeten Enden. In der Tat gibt dieses Merkmal wenig her – ich beobachte bei allen Proben Sporen, die an den Spitzen (sofern im Präparat gut liegend) eine durch die Verschmälerung der zusammenlaufenden Rippen (vgl. Zeichnung von H. Maser!) liegende Eindellung zeigen. Dann wirken die Sporen eher abgeflacht, während sie bei anderer Lage eher abgerundet wirken.
Über den Artwert von G. graveolens und G. morchelliformis müssen vielleicht molekularbiologische Untersuchungen unterscheiden – die Mikromerkmale sind subtil und makroskopisch scheint mir keine Unterscheidung möglich. Es würde mich nicht wundern, wenn es nicht 2, sondern mehrere kryptische Arten in dem Komplex gäbe, oder eben auch nur eine plastische, variable Art. Das Geruchsspektrum ist möglicherweise nicht deckungsgleich – für G. morchelliformis werden neben widerlichem Geruch ein solcher nach exotischen Früchten angegeben, für G. graveolens „anfangs angenehm, später widerlich“. Nun ja – ich konnte keinen signifikanten Unterschied zwischen meinen Funden „erriechen“; sie rochen stets eher unangenehm – allerdings lagen sie ja zeitlich auch auseinander und das menschliche Bewusstsein bewahrt Geruchseindrücke wohl nur ausnahmsweise (bei ganz starker Beeindruckung) über längere Zeit ganz exakt auf.
Geruchs-Eindrücke könnten Geschmacks-Eindrücken ähneln – oder nicht? Wie auch immer – über den Speisewert von Gautieria-Arten ist wenig bekannt; bei der nahen Verwandtschaft gibt es ja essbare und wohlschmeckende, aber auch magen-darm-giftige Arten. Und Gautieria ist wohl auch nicht für jeden verlockend oder gar appetitlich. Katharina, sonst nicht unbedingt etepetete, verglich die durchaus nicht kleinen Fruchtkörper mit Hundekot … - nun ja ?
Pilz des Monats November 2017 - Fälblings-Rötelritterling (Lepista martiorum, auch Clitocybe martiorum) - jetzt auch eigene Gattung Hertzogia martiorum (Anm. Sept. 2023)
„Lepista“ – nun, ob dieser wenig auffällige, aber durch sein intensiv rosa Sporenpulver doch prägnante Pilz noch lange so heißen wird, steht dahin. Neuere molekularbiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Rötelritterlinge polyphyletisch sind, d.h. nicht näher miteinander verwandt. Wie die teils nahe verwandten „Trichterlinge“ im weiten Sinne (Clitocybe s.l.), die bereits in zahlreiche Gattungen aufgespalten wurden und weiterhin werden, werden viele Vertreter ihren Namen wechseln müssen. Typus der Gattung ist Lepista subaequalis – ein Taxon, das heute als Synonym zu L. densifolia aufgefasst wird. Was der „Normalbürger“ unter Lepista versteht, also die violetten Arten um den Violetten R. (Lepista nuda), ist mit dem Typus nicht nahe verwandt und wird einen anderen Namen bekommen müssen. Die Gruppe um den Fuchsigen R. (L. flaccida) hat dies bereits hinter sich – sie darf wieder als Trichterling bezeichnet werden und heißt nun Paralepistopsis. Nun – auf weit führende taxonomische Diskussionen möchte ich mich hier eigentlich gar nicht einlassen, sondern nur einen relativ seltenen, wenig bekannten Pilz vorstellen, den Fälblings-Rötelritterling (Lepista martiorum).
Anlass ist ein Fund bei einem Seminar in Würzburg-Veitshöchheim, wo die Art in einem benachbartem Wald mit Sand-Anteilen unter Kiefer und Laubbäumen gefunden wurde. Auch in der Literatur wird gerne einigermaßen saurer Boden mit Nadelbäumen angegeben. Als ein besonders schönes Merkmal kann das intensiv rosa Sporenpulver angeführt werden.
Fälblings-Rötelritterling (Lepista martiorum) am 23.10.2017 in Laubmischwald mit Kiefer auf Sand-Auflage überhalb Muschelkalk, Hochfläche bei Würzburg-Veitshhöchheim, leg., det. T. Glaser & L. Krieglsteiner auf Pilzkurs mit L. Krieglsteiner, Fotos L. Krieglsteiner |
knallig rosa-pink Sporenpulver des Fälblings-Rötelritterlings (Lepista martiorum), fotographiert am 23.10.2017 bei Würzburg-Veitshöchheim, im Laubmischwald mit Kiefern, Foto L. Krieglsteiner |
Ältere Funde der als selten geltenden, wenig bekannten Art sind mir bereits in Niedersachsen (bei Dassel) und im Schwäbischen Wald gelungen.
Fälblings-Rötelritterling (Lepista martiorum) im Schwäbischen Wald (Baden-Württemberg ö. Stuttgart), fotographiert am |
12.10.2011 im Bereich des "Edenbachtal" bei Welzheim-Breitenfürst, in Fichten-Tannen-Wald, leg., det. L. Krieglsteiner
Pilz des Monats Oktober 2017 - Dottergelber Kreiselpilz (Stereopsis vitellina)
Während unserer Aufträge im Zuge von Biodiversitäts-Forschung, Klimawandel-Forschung und Sukzessions-Forschung im Nationalpark Bayerischer Wald bleibt uns (Katharina und mir) meist wenig Zeit für das Aufsuchen besonders interessanter Standorte, da das Programm einschließlich Nachuntersuchen vieler mikroskopischer Proben in der Regel ziemlich straff ist. Manchmal schaffen wir es aber "nach Feierabend" noch, solche Kurz-Exkursionen anzuhängen. So am 6. September, als wir uns auf einen Tipp des befreundeten Bayerwälder Mykologen Heinz Holzer hin auf die Suche nach der seltenen Purpurfarbenen Keule (Alloclavaria purpurea) machten. Diese - so Heinz - hatte er wenige Wochen zuvor an einem feuchten Bachufer unweit des "Schwellhäusl" bei Zwieselerwaldhaus gefunden und uns die Stelle genau beschrieben. Aber wie es manchmal so ist - wir fanden den gesuchten seltenen Pilz nicht, dafür aber etwas anderes, kaum weniger Interessantes, was wir Ihnen hiermit gerne vorstellen.
Dottergelber Kreiselpilz (Stereopsis vitellina) am 9. September 2017 unweit des "Schwellhäusl" im Nationalpark Bayerischer Wald - an Bachkante mit Moosen (hier Schwanenhals-Sternmoos Mnium hornum), leg., det., Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Beim Finden kam mir die zündende Bestimmungs-Idee noch nicht, erst später am Mikroskop wurde mir klar, dass der gefundene Pilz ein Ständerpilz ist. Beim Finden hatte ich noch gerätselt und war mir unsicher, ob es sich vielleicht um die ebenfalls sehr seltene, im Bayerischen Wald aber schon nachgewiesene Dottergelbe Schlauchkeule (Neolecta vitellina) handeln könnte - diese schied aber dann schon beim flüchtigen Betrachten von Vergleichsbildern aus. Nun - immerhin der Artname sollte schon stimmen, wie sich dann beim weiteren Literaturvergleich heraus stellen sollte.
Beim Fund am Schwellhäusl waren mehrere m2 von den dicht wachsenden Pilzen überzogen und leuchteten am Bachufer gelb heraus. Sie standen meist, aber nicht immer, zwischen dichtem Bewuchs aus Moosen, vor allem von Gemeinem Beckenmoos (Pellia epiphylla - ein thallöses Lebermoos) und Schwanenhals-Sternmoos (Mnium hornum), aber auch auf nacktem Humusboden.
Der Dottergelbe Kreiselpilz (man findet auch die Bezeichnung Dottergelber Blätterpilz, was ich höchst unglücklich finde) scheint zumindest in Deutschland sehr selten zu sein. Auf der Website "pilze-deutschland" findet man nur einen einzigen Fundpunkt im Norden Bayerns - zumindest für den Nationalpark Bayerischen Wald scheint ein Erstnachweis vorzuliegen. Für uns persönlich auch ...
P.S. An dieser Stelle danke ich herzlich dem Nationalpark Bayerischen Wald - vor allem in Person von Herrn Dr. Claus Bässler - für die auch über die reine Auftragsarbeit hin gültige Erlaubnis zum Befahren von Waldwegen und das Betreten auch geschützter Gebiete im Nationalpark, einschließlich Sammel-Erlaubnis!
Anmerkung vom 08.12.2018: Ich habe mich hier (wieder einmal) schlimm blamiert. Der dargestellte Pilz ist nicht Coprinus xerophilus, sondern der durchaus ökologisch zum Fundort passende, coprophile (Dung-liebende) Große Ring-Tintling (Coprinus sterquilinus), den ich vorher kaum kannte. Ich habe mich im Schlüssel vom scheinbar so guten Passen von C. xerophilus dazu verleiten lassen, nicht mehr ausführlich genug nach Alternativen zu suchen. Ich habe also schlampig gearbeitet. Moral von der Geschicht: glaube auch den Spezialisten: .... nichts! Oder anders gesagt: wer viel arbeitet (oder bestimmt), macht viele Fehler ... (und wer viele Fehler macht, wird prämiert und befördert). Nun ja - so oder so - ich entschuldige mich hiermit für die Fehlbestimmung. Denn ich bin der Meinung: Fehler muss man zugeben, sonst macht man sie nur noch schlimmer. Den Text des Pilz des Monats September 2017 lasse ich aber genauso stehen, wie er damals gemacht wurde, als Mahnmal zur Warnung vor übereilten Bestimmungen :-)
Pilz des Monats September 2017 - Trockenliebender Tintling (Coprinus xerophilus)
Meine Frau Katharina liebt den Anbau selbst gezogener Tomaten – also haben wir mehrere Töpfe mit Erde und selbst in der Umgebung (es gibt hier ein Gestüt) gesammeltem Pferdemist gefüllt und die Tomaten eingepflanzt. Diese wachsen seither auch gut und wir, vor allem Katharina, haben viel Freude mit ihnen.
Noch mehr Spaß, gelegentlich aber auch Arbeit, macht uns die Tatsache, dass mit dem (der Erde untergemischten) Pferdemist auch immer wieder interessante Pilze wachsen, die wir dann bestimmen müssen … - so fanden wir schon Düngerlinge und Sammethäubchen und gestern auch einen Fruchtkörper eines mir bisher ganz unbekannten Flämmlings (Gymnopilus). Über diesen kann ich vielleicht später einmal berichten – „Star“ der bisherigen Ausbeute ist jedoch ein Tintling, der sich überraschend leicht bestimmen ließ. Die Mikrodetails (u.a. sehr große Sporen mit exzentrischem Keimporus) lassen zusammen mit dem doch besonderen makroskopischen Erscheinungsbild keinen Zweifel an der Zuordnung zu Coprinus xerophilus, der aus Deutschland bisher nicht bekannt geworden zu sein scheint.
Coprinus xerophilus ("Dürreliebender Tintling") im Tomatenbeet in Spraitbach, junge Fruchtkörper mit Gesamthülle, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner am 2.8.2017 |
Ein wichtiges Merkmal des seltenen Tintlings Coprinus xerophilus ist sein "tief-hängender Ring" - man ist fast versucht, ihn als Volva zu bezeichnen; vergleichbar mit dem Schopf-Tintling (C. comatus) - leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner im Tomatenbeet in Spraitbach (Schwäbischer Wald n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart, Baden-Württemberg) am 26.7.2017 |
Gute Merkmale sind das lange bleibende, stabile Velum, der stark radial gefaltete Hut und das Velum am Stiel, das an den Schopftintling (Coprinus comatus) erinnert. Tatsächlich verläuft auch bei C. xerophilus die Entwicklung über ein Stadium mit einer rosa Lamellenfarbe, womit die Stellung bei den Tintlingen im engsten Sinne, den Verwandten des Schopftintlinges (Familie Agaricaceae, Champignon-Verwandte), gesichert ist.
Coprinus xerophilus - weitere Bilder im Juli/August 2017 aus Spraitbach (Baden-Württemberg ö. Stuttgart). Die Fotos zeigen (u.a.) die stark radial plissierte Struktur des Hutes. Fotos Lothar Krieglsteiner |
Coprinus xerophilus: ein Übergangsstadium mit rosa Lamellenfarbe. Weiß-rosa-schwarz; dieser Reigen besteht auch beim nahe verwandten Schopftintling sowie bei den gleichfalls verwandten Champignons (Familie Agaricaceae). Foto Lothar Krieglsteiner am 26.7.2017 (Tomatenbeet in Spraitbach n. Schwäbisch Gmünd, ö. Stuttgart, Baden-Württemberg) |
ältere Fruchtkörper des Dürreliebenden Tintlngs (Coprinus xerophilus) zeigen die Tintenbildung sowie das lange gut erhaltene Velum auf dem Hut. Der wenig bekannte Pilz wurde vorher in Deutschland wohl noch nicht gefunden. Weitere Fotos aus dem Juli/August 2017 (Spraitbach, Schwäbischer Wald ö. Stuttgart, Baden-Württemberg), Fotos Lothar Krieglsteiner |
Die große Mehrzahl der übrigen Tintlinge ohne ring-artiges Velum steht heute in anderen Gattungen (Coprinellus, Coprinopsis, Parasola – Familie Psathyrellaceae, Faserlings-Verwandte).
Nun - haben Sie Lust auf Tomatenzucht bekommen?
Pilz des Monats August 2017 - Buchsbaum-Schwindling (Marasmius buxi)
Nachdem der letzte Pilz des Monats (Juli 2017-Ring-Düngerling) etwas verspätet erschienen ist, versuche ich dies durch die zeitige Publikation (21. Juli) des nächsten PdM wieder auszugleichen :-). Erneut greife ich auf eine Art zurück, die wir auf unserer Exkursionsfahrt in die Seealpen (in diesem Fall in Frankreich) gefunden haben. Geholfen hat uns dabei ein Gewitter-Regen, der die Pilzchen aufleben ließ - denn bei Trockenheit sind sie kaum wirklich draußen zu finden. Der Buchsbaum-Schwindling (Marasmius buxi) gehört nämlich mit wenig über 5 mm Hut-Durchmesser zu unseren kleinsten Lamellenpilzen.
"Unseren" Lamellenpilzen? Ja, denn die Art kommt auch in Deutschland vor; Funde sind aber meines Wissens bisher nur synanthrop (an von Menschen beeinflussten Standorten) gemacht worden. Meine bisher einzige Begegnung mit dem Buchsbaum-Schwindling stammte aus dem Botanischen Garten Würzburg, an dünnen Zweigen am stehenden Strauch (im Luftraum) sowie an Blättern in der Bodenstreu. Der Buchsbaum (Buxus sempervirens) ist allerdings in Deutschland nicht alleine in Gärten verbreitet, sondern auch eine Wildpflanze (z.B. an Rhein und Mosel). Die bundesdeutschen (und andere) Wildvorkommen des Buchsbaums sind allerdings seit einigen Jahren stark gefährdet und zu großen Teilen (vorläufig?) zerstört worden, durch die "Fraßgier" eines bei uns aus Ostasien eingeschleppten Kleinschmetterlings namens Buchsbaum-Zünslers (Cydalima perspectalis). Diesen haben wir auch auf unserer Exkursionsfahrt beobachten können - die wilden Buchsbaum-Bestände im Nationalpark Mercantour (in der Umgebung von Roubion, Frankreich) wurden offenbar vom Zünsler bisher verschont. Diese Bestände waren etwas bizarr, denn dort kommt der Buchsbaum als Unterwuchs im (wärmebegünstigten) Gebirgs-Nadelwald unter Fichten und Lärchen vor - eine Kombination von Gehölzen, wie sie in nördlicheren Breiten nicht vorkommt.
Buchsbaum-Zünsler (Cydalima perspectalis), fotographiert bei Olivetta San Michele (Italien, Seealpen), nachts per Blitz, Foto Lothar Krieglsteiner am 14.6.2017 |
Die Nachsuche nach den Regenfällen vom 27. Juni brachten an den beiden Folgetagen bei gezielter Suche Funde zahlreicher Fruchtkörper an mehreren Klein-Standorten um Roubion (südlicher NP Mercantour, Süd-Frankreich). Funde gelangen wie beim Fund in Würzburg (s.o.) an ganz dünnen Zweigen im Luftraum genauso wie am Boden am abgefallenen, toten Laub des Buchsbaums. Der Buchsbaum-Schwindling ist ein Saprobiont und besiedelt wie alle Arten der Gattung(sgruppe) nur tote Pflanzenteile.
Buchsbaum-Schwindling (Marasmius buxi) - ganz junge Fruchtkörper an dünnen Zweigen (ca. 2 mm dick) von Buchsbaum (Buxus sempervirens) im Luftraum von stehendem Strauch in wärmebegünstigtem Gebirgs-Nadelmischwald mit Buchsbaum als Unterwuchs, unweit Roubion (südlicher Nationalpark Mercantour, Frankreich), 28.6.2017, leg., det. Lothar und Katharina Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Buchsbaum-Schwindling (Marasmius buxi) - 5 weitere Fotos auf abgefallenem Laub des Vorjahres von Buchsbaum (Buxus sempervirens), an zwei Klein-Standorten in der Umgebung von Roubion (Frankreich, südlicher NP Mercantour), 28. und 29.6.2017, leg., det. Katharina und Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner |
Schwindlinge besitzen trocken-resistente Fruchtkörper - dies ist ihr hervorstechendstes Merkmal, das sich auch auf ihren deutschen Namen ausgewirkt hat. Bei trockenem Wetter sind sie "verschwunden", aber bei Regen sind sie "wie aus dem Nichts heraus" wieder da. Die Trockenresistenz ist jedoch weniger ein Alleinstellungsmerkmal, als man denkt, denn auch "normale Rüblinge" (die mit Schwindlingen durchaus verwandt sind), haben z.T. dieses Merkmal (beispielsweise der Waldfreund-Rübling Gymnopus dryophilus). Ein weiteres Kennzeichen der Schwindlinge ist der bei den meisten Arten einschließlich des Buchsbaum-Schwindlings oben helle, nach unten dunkle Stiel.
Der Buchsbaum ist Wirt weiterer Pilzarten, von denen wir zwei auch bei unserer Suche im NP Mercantour feststellen konnten - als kleine "Zugabe" stellen wir beide ebenfalls mit einem Foto vor :-)
Buchsbaum-Zystidenrindenpilz (Peniophora proxima), Frankreich, Nationalpark Mercantour unweit Roubion, leg., det. Lothar Krieglsteiner am 23.6.2017, Foto Lothar Krieglsteiner. Die Zystiden-Rindenpilze gehören übrigens heute zu den Russulales :-) |
Buchsbaum-Rost (Puccinia buxi) - Frankreich, Nationalpark Mercantour unweit Roubion am 26.6.2017, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Der Rost befällt wie alle Roste lebende Pflanzenteile (Blätter), ist aber auch an totem Laub des Buchsbaums noch zu finden. Puccinia heißen Roste mit zweizelligen Teliosporen. |
Pilz des Monats Juli 2017 - Ring-Düngerling (Panaeolus semiovatus)
Für die Verspätung (heute schon der 8. Juli) möchte ich mich entschuldigen - wir waren für 4 Wochen in Frankreich und Italien (Seealpen) auf Exkursionstour und hatten dabei kein oder teilweise schlechtes Internet - es war nicht möglich, den Pilz des Monats rechtzeitig zu erstellen. Auch jetzt fällt er nur kurz aus und behandelt eine Art, die wir auf der Exkursionstour fanden, und zwar auf einer Gebirgswanderung im Bereich des Valle Maira in Piemont, unweit des Lago Nero bei Marmora-Preit. Einer der relativ wenigen (Extensiv-Beweidung und deshalb sehr artenreiche, nährstoffarmer Pflanzenwelt) Kuhfladen im Bereich der Hochlagen (um 2000 m NN) war besetzt mit den Lamellenpilzen im Bild unten.
bitte etwas scrollen ...
Ring-Düngerling (Panaeolus semiovatus) auf altem Kuhfladen in den italienischen See-Alpen (oberhalb des Valle Maira bei Marmora-Preit) am 3.7.2017, leg., det. Katharina und Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Detail-Aufnahme des faltigen Rings - Funddaten wie beim obigen Bild - Foto Lothar Krieglsteiner |
Der Ring-Düngerling (Panaeolus semiovatus, früher auch P. fimiputris und Anellaria semiovata) war früher wegen des ringförmigen Teil-Velums in einer eigenen Gattung Anellaria (lat. anellus: kleiner Ring) untergebracht - diese wurde aber inzwischen aufgegeben. Auch in Panaeolus haben alle Arten ein (Gesamt- und) Teilvelum, das dort allerdings meist in Form flüchtiger Fasern oder als Behang am Hutrand ausgebildet ist. Für Düngerlinge allgemein typisch ist das ganz schwarze Sporenpulver bei marmorierten Lamellen-Flächen (unregelmäßige Reifung der Ständer), dazu kommen weiße Lamellenschneiden (Besatz durch Cheilozystiden - vgl. das Foto!) sowie eine hymeniforme Huthaut (das heißt, dass die Zellen im Längs-Schnitt aufrecht stehen wie bei einer Fruchtschicht die Ständer).
Der Ring-Düngerling ist im Flachland im Allgemeinen selten bis sehr selten anzutreffen, bis auf Lagen in Meernähe, wo er "wieder" häufiger vorkommt. Ansonsten ist er eine typische (Hoch)-Gebirgs-Art, die man bei Wanderungen auf Kuhweiden öfters antreffen kann.
Unter den Düngerlingen gibt es Arten mit Psilocybin und Psilocin, also psychotrope Pilze. Auch dem Ring-Düngerling wird dies immer wieder nachgesagt, obwohl diese Substanzen in dieser Art (meines Wissens) bisher noch nie nachgewiesen wurden. Nun ja ...
Pilz des Monats Juni 2017 - Brandpilz auf Herbstzeitlose (Urocystis colchici)
Heute möchte ich einmal die "normalen Leser" dieser Rubrik etwas vergraulen, indem ich einen - hässlichen bzw. unscheinbaren - parasitischen Pilz zeige, einen "Schädling". Auch wenn er "nur" auf einer Giftpflanze schmarotzt, wird er nicht allzu viel Ansehen haben, noch nicht einmal bei Hardcore-Mykologen. Ich möchte aber hier einmal eine Lanze für die Parasiten brechen, die auch zum Ökosystem gehören und eine wichtige Funktion erfüllen.
Viele parasitische Pilze sind sehr unauffällig, und es gibt Formen, die noch viel schwieriger zu finden sind als schwarze, stäubende Sporen-Lager an Blättern von grünen Pflanzen. Brandpilze haben ihren Namen wegen dieser Eigenschaft -. die meisten Arten sind schwarz gefärbt und erinnern an verbrannte Pflanzenteile. Allerdings sind Brandpilze ohne Mikroskop kaum von Telien der Rostpilze zu unterscheiden. Letztere sind ebenfalls "obligate Parasiten", unterscheiden sich aber stark im Generationswechsel, indem sie im vollständigen Falle nicht weniger als 5 verschiedene Sporen-Formen durchlaufen, im Normalfall auf 2 verschiedenen Pflanzenarten (Wirts- und Generationswechsel). Brände sind da einfältiger; man wird sie abseits des Labors nur in einer Form antreffen (was nicht heißt, dass ihre Biologie einfach ist). Ihr Erscheinungsbild kann trotzdem stark variieren, vom jungen, epidermis-bedeckten Zustand zum Stäuben bei Reife.
Der Brandpilz Urocystis colchici an lebenden Blättern der Herbstzeitlose gehört zu den häufigeren Bränden, ist aber in unserer Kulturlandschaft nicht überall zu finden. Grund dafür ist, dass viele Brände (darunter etliche noch viel mehr als U. colchici - sie sind in den Roten Listen der parasitischen Pilze teils hoch eingeschätzt worden) empfindlich auf Fungizide und andere Umweltgifte reagieren; man sollte sie also vor allem fernab der "normalen" Landwirtschaft suchen gehen.
Urocystis colchici - Brandpilz an Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) am "Bargauer Horn" auf der Schwäbischen Alb bei Schwäbisch Gmünd, fotographiert am 8.5.2010 von Lothar Krieglsteiner |
Urocystis colchici an Herbstzeitlose im Taunus in Hessen (NSG "Waldwiesenbach"), stäubender Blatt-Brand am 19.5.2013, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Urocystis colchici an Herbstzeitlose im Taunus in Hessen (NSG "Waldwiesenbach") am 19.5.2013: das Lager ist noch von der Epidermis bedeckt und schwerer zu entdecken. Fund leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Brandpilz Urocystis colchici, noch von der Epidermis bedeckte Lager im Biosphären-Reservat Rhön (Bayern), NSG "Mühlwiesen" bei Oberelsbach, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner am 23.5.2010 |
Urocystis colchici - stäubender Blattbrand an Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), Unterfranken, Würzburg-Kist, "Reichenberger Grund", leg., det., Foto Lothar (anlässlich von Frühlingspilzkurs mit Morchelsuche) |
Urocystis colchici - ältere Aufsmamlung, die bereits weitgehend aus-gestäubt hat - an Herbstzeitlose im "Zipfelbachtal" bei Winnenden-Breuningsweiler (Baden-Württemberg). leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner am 15.5.2014 |
Detail-Aufnahme von Urocystis colchici mit Digital-Lupe aus Hessen (Frankfurt, NSG "Mönchbruch, an Blättern von Colchicum autumnale), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner im Mai 2013 |
Detail-Aufnahme von Urocystis colchici im Remstal östlich von Stuttgart bei Schorndorf-Urbach, an Herbstzeitlose, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner am 24.5.2013 |
Die Gattung Urocystis (in der eigenen Ordnung Urocystales von anderen Bränden abgesetzt) ist mikroskopisch durch sogenannte Sporenballen, d.h. Sporen, die von einer Hülle aus sterilen Zellen umgeben ist, charakterisiert. Makroskopisch kann man sie nicht von anderen Bränden unterscheiden.
Sporenballen von Urocytis colchici aus dem NSG "Mönchbruch" bei Frankfurt (Hessen), fotographiert im Mai 2013 von Lothar Krieglsteiner |
Hierher gehört ein weiterer aktueller Fund, an Blättern von Leberblümchen wächst Urocystis syncocca. Die Blattflecken sind schon von oben als purpurbraune Flecken bzw. Blasen zu sehen - der eigentliche Pilz sitzt auf der Blatt-Unterseite.
Urocystis syncocca - Blatt-Brand an Leberblümchen (Hepatica nobilis) bei Heubach-Beuren auf der östlichen Schwäbischen Alb sö. von Schwäbisch Gmünd - fotographiert von Lothar Krieglsteiner am 3.5.2017. Das erste Foto zeigt eine Übersicht mit den von oben violettbräunlichen Blasen, das zweite ein junges Brandlager (noch nicht schwarz durchgefärbt und noch nicht stäubend), während das dritte Foto darauf hinweist, dass die Brandlager auch am Stängel und am Blattstiel gefunden werden können. |
Urocystis syncocca - Sporenballen von Aufsammlung aus der Rhön (14.7.2008), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Und so gibt es zahlreiche andere Arten auf ganz verschiedenen Wirtspflanzen. Man muss ein ganz schöner Spinner sein, wenn man viel Zeit darauf verwendet, solche Pilze zu finden. Wer ein solcher Spinner ist, wird sich vielleicht dafür interessieren, dass ich für das Frühjahr 2018 wieder einen Parasiten-Kurs plane. Ich weiß, ein unternehmerisches Risiko - ein Kurs, der sicher nicht so zieht wie einer über Morcheln, Trüffeln oder Täublinge ....
Pilz des Monats Mai 2017 – Schneestieliger Helmling (Mycena niveipes)
Abseits der klassischen Frühlingspilze wie Maipilz oder Morcheln wachsen in diesen Wochen schon etliche Pilze – viele von ihnen haben wie Glimmertintling oder Grünblättriger Schwefelkopf eine lange Saison und sind insofern kaum als Frühlingspilze zu bezeichnen. Dies gilt auch für viele Vertreter der Helmlinge, von denen man z.B. den Rosablättrigen Helmling als „Ganzjahres-Art“ nennen kann. Relativ wenige Arten dieser Gattung fragiler weißsporiger Lamellenpilze sind jedoch typisch für die Frühjahrs-Saison und insofern normaler Beifang bei Morchelkursen und -seminaren. Wer sich näher mit Helmlingen befasst hat, weiß auch, dass eine größere Zahl an Arten der Gattung einen Geruch nach Chlor-Verbindungen hat („Schwimmbad-Geruch“), der in früheren Abhandlungen oft eigentlich fälschlich als „nitrös“ bezeichnet wurde. Auch unter diesen gibt es Ganzjahres-Arten, die man schon im Frühling finden kann, z.B. den Gelbstieligen Helmling (Mycena renati) oder den Gemeinen Chlor-Helmling (M. leptocephala). Auch die „typischen Frühlings-Helmlinge“ findet man gelegentlich später im Jahr – unter diesen sind z.B. der Voreilende Helmling (Mycena abramsii) und der Schwarzwald-Helmling (M. silvae-nigrae) nicht immer leicht und meist nicht sicher ohne Mikroskop bestimmbar. Und was macht nun den Schneestieligen Helmling (Mycena niveipes – nivis: Schnee, pes: Fuß) aus, den man auch unter dem Namen Frühlings-Helmling finden kann? Nun – neben dem Chlorgeruch ist es das einzelne Wachstum (anders z.B. als beim Büscheligen Chlor-Helmling Mycena stipata), die für einen Helmling relativ kräftige, relativ kurzstielige Statur, das Wachstum auf Laubholz oder scheinbar auf dem Erdboden sowie vor allem der angedeutet bis deutlich längsgerillte Stiel, der eine Verwechslung mit dem Rillstieligen Helmling (Mycena polygramma) nahelegt. Letztere wächst allerdings meist später im Jahr, hat einen meist längeren Stiel und vor allem: er riecht nicht nach Chlor.
Wie viele andere ist auch der Schneestielige Helmling eine variable Art – wenn Sie die Bilder alle vergleichen, könnte man sich auch verschiedene Arten vorstellen. Aber sehen Sie sich einmal den Fichtenzapfen-Rübling an -er kommt von rein weiß bis nahezu schwarz in allen Braun- und Grautönen vor. Ähnlich ist es auch bei vielen Helmlingen – und auch der Schneestielige Helmling fällt blass aus oder dunkler. Dazu kommt, dass es sich um einen hygrophanen Pilz handelt, der bei Feuchtigkeit mehr Färbung erkennen lässt als abgetrocknet. Ältere Pilze können – wie viele Helmlinge und nicht nur der Rosablättrige H. (M. galericulata) – einen Rosaton in den Lamellen annehmen sowie insgesamt auch dunkle Flecken bekommen. Damit muss der Pilzbestimmer leben …
Schneestieliger Helmling alias Frühlings-Helmling (Mycena niveipes) - ganz aktueller Fund anlässlich des Seminars "Frühlingspilze mit Morchelsuche" in Würzburg: "Loheholz" bei Hohestadt, 23.4.2017, leg. Pilzkurs, det. Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Schneestieliger Hemling (Mycena niveipes) - Gruppe von Fruchtkörpern (alle einzeln wachsend!) am 3.5.2014 auf der Schwäbischen Wald sö. von Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg, Ostalbkreis), "Kaltes Feld", an Laubholz, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner. Der gerillte Stiel ist auf dem Übersichtsbild nicht mehr zu erkennen. |
Hier ist der gerillte Stiel des Schneestieligen Helmlings (Mycena niveipes) gut zu erkennen. Die Aufnahme stammt von einem relativ späten Zeitpunkt im Jahr: Rhön (Bayern), "Mühlwiesen" bei Oberelsbach, an Laubholz in Bach-Aue über Muschelkalk, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner am 26.8.2009 |
Schneestieliger Helmling alias Frühlings-Helmling (Mycena niveipes): Die Aufnahme zeigt bei Trockenheit ausgeblasste Fruchtkörper. Wie bei vielen Helmlingen sind auch bei dieser Art die Hüte hygrophan, d.h. trocken heller als feucht. Das Foto stamm aus Baden-Württemberg, unweit Heilbronn, Bannwald "Schlierbach" unweit Bad Rappenau am 25.6.2012, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Schneestieliger Helmling (Mycena niveipes) - etwas hellere Aufsammlung aus Kroatien (Nationalpark Plitvicer Seen) - 29.5.2013, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Schneestieliger Helmling (Mycena niveipes) - noch eine Aufsammlung von der Schwäbischen Alb. Sie zeigt vor allem gut die hygrophanen, feucht durchscheinend gerieften Hüte. Der längsgerillte Stiel ist etwas durchweicht und nicht mehr so gut erkennbar - Aufnahme vom 14.5.2013, "Haarberg" bei Unterböhringen (sw. Geislingen an der Steige, Baden-Württemberg), leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
... und noch eine ältere Aufsammlung des Schneestieligen Helmlings (Mycena niveipes) aus Baden-Württemberg, unweit Stuttgart-Plieningen am 12.4.2015, leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner. Das Bild zeigt die rotbräunlichen Verfärbungen älterer Pilze sowie einen leichten Rosaton in den Lamellen älterer Pilze. Ein solcher ist für viele Helmlingsarten charakteristisch. |
Helmlinge sind eine schwierige Gattung – und Arten, die nicht so eindeutig durch makroskopische Merkmale festgelegt sind, muss man oft sehr aufwändig mikroskopisch bestimmen. Neben den Sporenmerkmalen und den Zystiden von Lamellenschneide und -fläche benötigt man häufig auch Schnitte durch die Huthaut und Stiel-Oberfläche, da dort charakteristische Haare zu finden und zu beurteilen sind. Das kostet Zeit … -
Pilz des Monats April 2017: Schildförmiger Scheibling (Gyromitra parma)
Bevor ich mehr zu dieser Pilzart sage, möchte ich mich kurz mit dem deutschen Namen befassen. Dieser war nämlich – neben „Größter Scheibling“ – lange Zeit auch durchaus ein gängiger Name für die viel häufigere, meist aber an Nadelholz und um die gleiche Jahreszeit wachsende Gyromitra ancilis (= Discina perlata). Trotzdem übernehme ich diese Um-Benennung auf G. parma, die man neuerdings häufiger auch im Internet findet und nenne G. parma „Schildförmiger Scheibling“. Warum? Nun – einfach deshalb, weil „parma“ auf Lateinisch so viel bedeutet wie „kleiner Rundschild“ – sozusagen eine frühe militärische Verteidigungswaffe. Warum aber dann „Schildförmiger Scheibling“ auch für G. ancilis? Nun – „ancilis“ heißt eben auf Lateinisch etwas ganz Vergleichbares, nämlich „kleiner rundlicher Schild“. Sozusagen sind die Nomina parma und ancilis im Lateinischen Synonyme. Nicht aber bei den Pilzen ?. Kurz noch: perlatus (a, um) heißt (wahrscheinlich, denn es könnte auch ein Partizip des Verbs perferre (überbringen) sein) so etwas wie weit ausgedehnt bzw. sehr breit; also eine Bezeichnung, die im Deutschen gut mit „Größter“ übersetzt werden kann.
Nun – hier sind also tatsächlich die wissenschaftlichen Namen (nicht deren Bedeutung ..) eindeutiger, und wenn wir hier von Gyromitra parma sprechen, dann handelt es sich um eine Art, die – wie G. ancilis im Frühjahr vor und bis in die Morchelzeit – an morschen, dicken Laubholzstämmen fruchtet, und zwar vorzugsweise an auwaldartigen Standorten. Abgesehen von einem Fund vor ca. 30 Jahren im Harz (Studenten-Exkursion, an Buche) fand ich G. parma in Deutschland bisher nur in den Donau-Auen bei Donauwörth, genauer bei Marxheim, in zwei verschiedenen Jahren und an zwei verschiedenen Stellen (die ca. 3-4 km voneinander entfernt liegen) – jeweils an liegenden, morschen Birken-Stämmen.
Schildförmiger Scheibenbecherling (Gyromitra parma alias Discina parma) im Auwald in den Lech-Mündungsauen zur Donau ö. Marxheim (Bayern ö. Donauwörth) am 9.5.2013, an liegendem Birkenstamm, leg., det., fot. Lothar Krieglsteiner |
Schildförmiger Scheibenbecherling (Gyromitra alias Discina parma) an liegendem Birkenstamm in den Lech-Mündungsauen zur Donau s. Marxheim am 23.4.2016, leg., det. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, Foto Lothar Krieglsteiner |
Makroskopisch ist G. parma nicht wirklich von G. ancilis (die in der Regel an Nadelholz, aber ausnahmsweise auch an Laubholz, gerade auch an Birke, wachsen kann) zu unterscheiden, allenfalls sind die Fruchtörper tendenziell etwas heller braun. Und als Schwierigkeit kommt ferner hinzu, dass allgemein alle Arten in der Gattung Gyromitra (im weiten Sinn einschließlich Discina, also Lorcheln und Becherlinge) erst sehr spät reifende Sporen besitzen. Untersucht man also schön knackig-frische Pilze, so findet man meist nur unreife Sporen, die das arttypische Ornament – das beste Merkmal in der Gattung – noch nicht ausgebildet haben. Für eine sichere Artbestimmung sind also in der Regel ganz alte, oft schon faulige Fruchtkörper notwendig.
Das Sporenornamen des Schildförmigen Scheiblings (Gyromitra parma) ist bei Reife unverkennbar – das die ganze Spore überziehende Netz (das auch G. ancilis) hat, tritt bei G. parma nicht in eine, massive (wie bei G. ancilis), sondern in mehrere kleine Spitzen aus.
unreife Sporen in Schläuchen von Gyromitra parma am 9. Mai 2013 - in diesem Stadium ist die Art nicht sicher bestimmbar, da das charakteristische Sporen-Ornament noch nicht gebildet wurde (Foto Lothar Krieglsteiner) |
Jetzt ist die Art bestimmbar - das Sporen-Ornament zeigt an den Enden das typisch mehrspitzige Erscheinungsbild von Gyromitra parma (im Gegensatz zur ein-spitzigen G. ancilis = Discina perlata). Fotos vom 9. Mai 2013, Fund as den Lech-Mündungsauen zur Donau ö. Marxheim, an Birkenstamm, leg., det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Färbt man das Präparat mit Baumwollblau (meist in Lactophenol) an, so wird auch das Ornament auf der ganzen Sporen-Oberfläche besser sichtbar - es ist netzig ausgebildet (Foto vom Fund vom 9. Mai 2013, Donau-Auen ö. Marxheim, an Birkenstamm, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner) - Schildförmiger Scheibenbecherling (Gyromitra parma) |
Warum sieht der Schildförmige Scheibenbecherling (Gyromitra parma) wie auch die verwandten Arten braun aus? Ganz einfach: das Pigment ist in feinen Vakuolen in den Paraphysen lokalisiert. Was sind Paraphysen? Das sind sterile Zellen in der Fruchtschicht. Wie auch das Gehäuse ist es bei allen Schlauchpilzen von haploiden Hyphen (die direkt aus Sporen gekeimt sind) aufgebaut, während die Schläuche mit den Sporen aus dikaryotischen Hyphen (nach Zell-Verschmelzung) entstehen. Kompliziert? Ja - vielleicht. Leichter verständlich zu erklären ist dies nicht in Textform, sondern im persönlichen Gespräch - zum Beispiel bei einem Mikroskopierkurs (Foto vom 9.5.2013, Donau-Auen ö. Marxheim, leg., det. Foto Lothar Krieglsteiner) |
Gyromitra parma enthält wie auch G. ancilis geringe Mengen an Gyromitrin. Berichte über höhere Dosierungen, wie sie z.B. für die Frühjahrslorchel (G. esculenta) und die Riesenlorchel (G. gigas) bekannt sind, liegen mir nicht vor. Dennoch muss vor allem vor Rohgenuss gewarnt werden (roh sollten sowieso nur sehr wenige Pilze verspeist werden). Gyromitrin ist ja thermolabil und auch die potenziell tödlich giftigen Frühjahrslorcheln wurden in der Geschichte – vor allem in Nord- und Osteuropa, aber auch bei uns – in großen Mengen und mit großem Genuss verspeist. Heute weiß man, dass zumindest die meisten trotzdem vorkommenden Todesfälle auf ein Einatmen der Kochdämpfe zurückzuführen waren! Nun – ich denke, man ist auf der sicheren Seite, wenn man keine Gyromitra-Arten isst. Schließlich verzichte ich ja auch auf den Kugelfisch ?
Für die Interessierten: der Fundort von Gyromitra parma ist demnächst wieder Ort einer Tagesführung – am 29. April. Anmeldungen sind noch erwünscht ? – noch ist die Führung nicht ausgebucht. Mit Morcheln ist im Übrigen durchaus auch zu rechnen ?
Pilz des Monats März 2017 – Großer Dunkel-Trichterling* (Musumecia bettlachensis)
*: deutscher Name selbst erfunden :-) - der lateinische Name bezieht sich zu Ehren des Schweizer Mykologen Enzo Musumeci - der Artname auf den Typus-Fundort Bettlach im Elsaß (Frankreich). Wie ich solche Namen mag ....
Es kommt nicht so häufig vor, dass man als Leiter von Pilzkursen auf einer Pilzexkursion Pilze findet, von denen man überhaupt keine Vorstellung hat, wie man sie bestimmen soll – noch nicht einmal eine wirklich zündende Idee zur Gattung hat. Und das noch in einem Wald, den man seit fast 50 Jahren kennt (dort war ich schon als kleiner Steppke mit meinem Vater zum Pilze-Suchen und seither fast jedes Jahr mehrmals) und das auch noch zu einem Zeitpunkt, wo sonst fast keine Pilze wachsen – wie am 23. August 2016. Die Teilnehmer des damaligen Pilzkurses waren auch alle etwas erstaunt, mit was für einem langen Gesicht ich die gefundenen Pilze kommentierte.
Großer Dunkel-Trichterling (Musumecia bettlachensis) - 23.8.2016, leg. Pilzkurs mit Lothar Krieglsteiner, det. Katharin Krieglsteiner (via DNA-Sequenzierung), Deutschland, Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald ö. Stuttgart, "Spitzhalde"bei Tanau (n. Schwäbisch Gmünd, MTB 7124/1). 4 Frk. zwischen Torfmoos (Sphagnum spec.) in örtlich saurem Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald. Fotos Lothar Krieglsteiner |
Und was außerdem (noch) nicht so alltäglich ist: die jetzt gelungene Bestimmung des ungewöhnlichen Pilzes verdanke ich meiner Ehefrau Katharina Krieglsteiner, die ja inzwischen ebenfalls Pilzkurse gibt, aber sicher noch nicht ganz meine Artenkenntnis quer über das Pilzreich besitzt :-).
Wie ist das möglich? Nun – die Geschichte geht so: meine Frau macht schon seit einiger Zeit die universitäre Ausbildung der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zum „Fachberater Mykologie“, zu der auch Pilzschule Schwäbischer Wald ein Modul, nämlich „Artenkenntnis und Ökologie“, beisteuert. Das Modul, das meine Frau letzte Woche mit großem Einsatz besucht hat, heißt „Molekulare Bestimmung von Pilzen“ und befasste sich mit DNA-Sequenzierung. Für diesen Kurs wurde im Vorfeld angeboten, dass die Teilnehmer ca. zehn eigene Proben mitnehmen können – und dies haben meine Frau und ich (besser: ich) dann ausgenutzt.
Alignment Probe 2 ist Musumecia bettlachensis vom "Tanauer Wald" - Alignment von Katharina Krieglsteiner |
Eine Probe der gefundenen Art wurde also (in etlichen mühsamen und filigranen Schritten) sequenziert und mit in entsprechenden Datenbanken abgelegten Sequenzen (Blast, Gen-Bank) verglichen – mit einem doch überraschenden Ergebnis.
Die Gattung Musumecia, die inzwischen 4 Arten enthält (über eine weitere gleich unten mehr!) wurde erst vor wenigen Jahren beschrieben, mit der Typusart Musumecia bettlachensis. Laut DNA-Vergleich in der Erstbeschreibung (im Internet z.B. hier zu finden: https://www.researchgate.net/publication/264484145_Musumecia_gen_nov_in_the_Tricholomatoid_clade_Basidiomycota_Agaricales_related_to_Pseudoclitocybe/figures?lo=1) steht die aus Frankreich beschriebene neue Art am nächsten an den Gabeltrichterlingen (Pseudoclitocybe), die ja auch bei uns häufig vorkommen.
Bei meinen Bestimmungsversuchen hatte ich mich nicht auf eine Gattung festlegen können. Die nicht (oder kaum) siderophilen Basidien (dunkle Körnchen in den Ständern nach Anfärben mit Eisenbeize und dann Karminessigsäure) ließen einen Rasling (Lyophyllum) außen vor, an den man hätte denken können wegen der doch recht stattlichen Fruchtkörper mit der Tendenz, dunkel bis schwärzlich zu verfärben. Auch ein Rötelritterling (Lepista spec.) war eine Vermutung, allerdings sind die Sporen glatt und nicht warzig und nicht cyanophil (blau anfärbende Wand in Baumwollblau); auch ein großer Teil der Trichterlinge passt dadurch nicht. Weitere Mikromerkmale sind unauffällig – z.B. keine Zystiden und keine Schnallen an den Querwänden.
Vergleicht man die bei der Erstbeschreibung gezeigten Fotos, dann fällt es auch nicht ganz leicht, sofort die Identität anzunehmen. Die Fotos zeigen einen Pilz mit blasser weißlicheren Farben und mit stärker herablaufenden Lamellen. Die DNA-Übereinstimmung ist jedoch so gut, dass kaum ein Zweifel an der richtigen Bestimmung gegeben sein kann.
Musumecia bettlachensis ("Großer Dunkel-Trichterling") vom 13.8.2016 im Tanauer Wald - Studio-Fotos der gesammelten Fruchtkörper (Lothar Krieglsteiner) |
Liest man aber den Text genau durch, dann bleiben doch etliche Gemeinsamkeiten. Zum einen wird die Tendenz, dunkel zu verfärben, durchaus erwähnt – und vermutlich sind meine Pilze etwas älter als die in der Erstbeschreibung. Zum anderen werden Merkmale wie die für einen Trichterlings-Verwandten sehr dicklichen Lamellen (die fast an einen Schneckling erinnern) oder das Vorhandensein eines „Pseudosklerotiums“ erwähnt. Als solches vesteht man ein „sklerotium-ähnliches Gebilde aus Substat-Teilen (Erde, Holz) und diese verkittende und umhüllende, dichte Pilzhyphen“ (http://www.mykopedia.org/glossar/p). In der Tat fiel mir auf, dass die Fruchtkörper bei der Entnahme in einger Gruppe zusammenhängend und fast lose im Moos steckten und hinterher eine Art Loch im die Pilze umgebenden Torfmoos-Rasen zu sehen war. Das Pseudosklerotium war zu diesem Zeitpunkt wohl bereits aufgebraucht.
Sicherlich muss dieser Pilz noch öfter gefunden werden, um mehr über ihn zu lernen – und über seine Verwandtschaft.
Meine Frau konnte nämlich noch einen weiteren Problemfall klären – und auch er ist eine der inzwischen 4 beschriebenen Musumecia-Arten! Im Gegensatz zur eben vorgestellten Probe handelt es sich aber um einen viel kleineren Pilz, der kaum 2 cm Hut-Durchmesser überschreitet. Ich habe ihn schon öfter gefunden und als Trichterling angesprochen – allerdings mit der Einschränkung, dass die Art stets auf nackter Erde an Böschungen zu finden ist und nie wie ein typischer Trichterling, ein typischer Saprobiont, Laub- und Nadelstreu oder Grasreste, Substrat, mit den Myzelfäden an seiner Stielbasis zusammenballt. Insofern ein besonderer Trichterling. Ich habe bisher keine vernünftige Bestimmung gehabt, aber am ehesten „gefiel“ mir die Beschreibung von Clitocybe parilis in Bon (1997: Flore Mycologique d`Europe 4. Les Clitocybe, Omphales, et ressemblants. Documents Mycologiques Memoire hors Serie 4) – und so habe ich den Pilz immer mit Fragezeichen so benannt, z.B. in meiner Rhön-Arbeit (L. Krieglsteiner 2004: Pilze im Naturraum Rhön und ihre Einbindung in die Vegetation, Regensburger Mykologische Schriften 12, S. 220), wo ich über einen Fund in der bayerischen Rhön sowie mehrere aus der Umgebung von Bad Laasphe (Grenzgebiet von Nordrhein-Westfalen und Hessen) berichte. Inzwischen fand ich die Art an weiteren Stellen in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg – und zwei Proben wurden nun von meiner Frau sequenziert. Ergebnis: Musumecia vermicularis. Die Art wurde inzwischen auch von anderer Seite in Deutschland nachgewiesen, und zwar von Matthias Dondl – siehe hier: http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=247556
Kleiner Dunkel-Trichterling (Musumecia vermicularis) - Deutschland, Baden-Württemberg, Hornberg im Schwarzwald, "Offenbachtal", an Böschung über Gneis in Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald, gesellig, leg. Lothar Krieglsteiner (det. als Clitocybe parilis ss. Bon), det. (rev.). Katharina Krieglsteiner (via DNA-Sequenzierung), Foto Lothar Krieglsteiner |
Wie man sieht – die Pilze sind bei uns noch längst nicht über-erforscht. Und: die DNA-Sequenzierung ist eine tolle Hilfe, um unklare Proben zu klären! Wir werden versuchen, hier häufiger Zugang zu bekommen und eventuell selbst irgendwann solche Untersuchungen eigenständig durchführen zu lernen.
Pilz des Monats Februar 2017 - Leuchtendgelber Klumpfuß bzw. Schöngelber Klumpfuß, Dottergelber Klumpfuß – Nadelwald-Variante (Cortinarius splendens var. meinhardii = Cortinarius meinhardii = Cortinarius vitellinus s. auct.)
sehen Sie hierzu dieses Youtube-Video: https://youtu.be/kn04-3hRl5k
Schon die Vielzahl deutscher wie lateinischer Namen verrät es – wir befinden uns in einer Gruppe von Pilzen, die in ihrer Abgrenzung keineswegs einfach ist und die verschiedene Sichtweisen zulässt. Zunächst zur Abgrenzung der Laub- und Nadelwaldform – Cortinarius splendens var. splendens wächst meist unter Buchen und hat meist etwas schlankere Fruchtkörper mit in der Tendenz weniger stark braun getönten Hüten als die var. meinhardii, die unter Nadelbäumen zu finden ist, meist etwas kräftiger ausfällt und meist deutliche braune Beimengungen im Chromgelb der Hutoberseite besitzt. Dazu kommen Geruchsunterschiede, die zu diagnostizieren etwas Übung erfordert. Während die Laubwald-Variante „banal“ riecht, ist bei var. meinhardii in würzig-unangenehmer, an Hasenwurz oder auch an Pfeffer erinnernder Geruch zu bemerken. Mikroskopische oder makrochemische Unterschiede bestehen anscheinend nicht.
Leuchtendgelber Klumpfuß, Nadelwald-Variante (Cortinarius splendens var. meinhardii) - 4.11.2016, Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald unweit Adelmannsfelden, "Hinterwald", Fichten-Tannen-Buchen-Mischwald auf basenreichem Standort, leg., det. Lothar & Katharina Krieglsteiner - hiervon wurde das Youtube-Video gedreht (s.o.) |
Schöngelber Klumpfuß, Nadelwald-Variante (Cortinarius splendens var. meinhardii) - 19.9.2014, leg., det. Lothar Krieglsteiner, Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald, Rotenhar bei Gschwend, in Schluchtlage in Fichten-Tannen-Buchenwald auf basenreichem Standort (Bunte Mergel) |
Der Leuchtendgelbe Klumpfuß (festgestellt an der Laubwald-Variante) gilt als gefährlicher Giftpilz und soll tödliche Nieren-Vergiftungen verursacht haben. Allerdings werden immer wieder auch von kompetenter Seite Zweifel an der Giftigkeit geäußert – möglicherweise lag eine Verwechslung oder Vermischung mit Grünlingen (Tricholoma equestre) vor, die in großen Mengen eine auch die Niere betreffende Rhabdomyelyse-Vergiftung auslösen können. Eine giftige Substanz wurde so auch in Cortinarius splendens (incl. var. meinhardii) noch nicht nachgewiesen. Hier gilt aber: „im Zweifel gegen den Angeklagten“, denn niemand will gerne ein unnötiges Risiko eingehen. So gelten heute alle Arten der Untergattung Phlegmacium von Cortinarius (also Schleimköpfe und Klumpfüße), die in allen Teilen irgendwie gelb gefärbt sind, als potenzielle Giftpilze.
Leuchtendgelber Klumpfuß, Laubwald-Variante (Cortinarius splendens var. splendens) - 23.9.2014, Mittelfranken bei Diespeck, leg., det. Ekkehard Schell, Katharina & Lothar Krieglsteiner, Buchenwald |
Schöngelber Klumpfuß, Laubwald-Variante (Cortinarius splendens var. splendens) - 15.10.2016, leg., det. Jean-Pierre Schenk, Katharina & Lothar Krieglsteiner, Schweiz, unweit Siebnen (Fuß der Alpen südlich des Züricher Sees), Buchenwald über Kalkboden |
Leuchtendgelber Klumpfuß, Laubwald-Variante (Cortinarius splendens var. splendens) - 28.7.2014, leg., det. Lothar Krieglsteiner, Baden-Württemberg, Schwäbischer Wald ö. Stuttgart, Wieslauftal, Bannwald "Heidenhau", unter Buche an Bachufer über kalkhaltigem Boden (Bunte Mergel). Beachten Sie das gelb durchgefärbte Fleisch |
Von diesen gibt es eine große Artenzahl. Cortinarius splendens ist aber der einzige Vertreter, bei dem auch das Fleisch in Gänze leuchtend gelb durchgefärbt ist; die anderen Vertreter haben ein weißes oder allenfalls blassgelbes oder am Rande gelbliches Fleisch. Klumpfüße unterscheiden sich von Schleimköpfen durch die Art ihrer Stielbasis – die Knolle ist bei ersteren gerandet (mit einer scharfen Kante versehen), bei letzteren gerundet-keulig. Bei (nahezu) allen Schleimköpfen und Klumpfüßen, also bei allen Phlegmacium-Arten, sind die Hüte jung und bei Feuchtigkeit schleimig, aber die Stiele trocken (vgl. Schleimfüße).
Der Name "meinhardii" wurde zu Ehren des Schleierlings-Experten Meinhard Moser vergeben, der die Nadelwald-Variante als erster beschrieben hat - als Cortinarius vitellinus. Diese Namensgebung hat sich aber als nach dem Nomenklatur-Regeln ungültig herausgestellt. Daraufhin hat der französische Mykologe Marcel Bon den Namen Cortinarius meinhardii (splendens var. meinhardii) vergeben.
Schleierlinge sind sehr artenreich und viele Arten sind schwer zu bestimmen. Einen Einstieg können Sie im Herbst in Würzburg bekommen, wo ein Schleierlings-Kurs stattfinden wird.
Pilz des Monats Januar 2017 - der kleine Schlauchpilz Bryocentria metzgeriae
Heute möchte ich wieder einmal einen eher ausgefallenen Pilz darstellen. Es handelt sich um einen kleinen Schlauchpilz aus der Ordnung der Hypocreales, in welcher Perithezien-Bildner (also Pilze mit dem Fruchtkörpertyp "Kugelpilz mit Loch") mit eher hellen Farbtönen zu finden sind. Wie wir gleich sehen werden, sind auch die Sporen meist hell gefärbt (s.u.) und bestehen häufig (nicht immer) aus 2 Zellen (also mit einer Querwand). Viele der Hypocreales sind Parasiten auf Pflanzen (z.B. der "Gras-Manschettenpilz" Epichloe), auf Tieren (z.B. die Kernkeulen und ihre Verwandtschaft - z.B. die Raupen-Kernkeule, siehe http://www.pilzkunde.de/index.php/pilz-des-monats?showall=&start=44) und auf anderen Pilzen (z.B. andere Kernkeulen, Schmarotzer-Pustelpilze wie "Steinreizker" und "Goldschimmel", Stromakissen u.a.). Heute möchte ich einen Vertreter einer Parasiten-Gruppe auf einer eher ausgefallenen Wirtspflanzen-Gruppe zuwenden, nämlich Parasiten auf Lebermoosen.
Wo die Luft noch einigermaßen gut ist, findet man oft auf Baumborken ausgedehnte Rasen von beblätterten Lebermoosen. Hier habe ich mich in den letzten Tagen und Wochen ein wenig auf die Suche begeben und prompt hübsche Dinge gefunden, die ich Ihnen hier nicht vorenthalten möchte:
der kleine, orange gefärbte Schlauchpilz Bryocentria metzgeriae bildet seine orange gefärbten Kugelpilz-Fruchtkörper (Perithezien) auf den - durch ihn - abgestorbenen Blättern des beblätterten Lebermooses Radula complanata (Abgeflachtes Kratz-Lebermoos) - Heubach, "Scheuelberg", 29.12.2016, an Borke stehender Esche, leg., det., fot. L. Krieglsteiner |
Bryocentria metzgeriae auf abgestorbenen Blättern des beblätterten Lebermooses Radula complanata (Abgeflachtes Kratz-Lebermoos) - Heubach, "Scheuelberg", 29.12.2016, an Borke stehender Esche, leg., det., fot. L. Krieglsteiner |
Allerdings ist es nicht so, dass Bryocentria metzgeriae der einzige Pilz wäre, der kleine, orange gefärbte Punkte auf Lebermoos-Blättern bildet. In der Tat gibt es eine überraschend große Zahl kleiner Moosbewohner. Mikroskopie ist also unerlässlich. Hier haben wir allerdings Glück, denn die Sporen sind so einzigartig, dass allein sie schon eine sichere Bestimmung ermöglichen :-)
kleine, spindelförmige Sporen mit H-förmiger Wandverdickung von Bryocentria metzgeriae - ich kenen keinen anderen Pilz mit diesen Sporen-Eigenschaften :-) - zusammen mit Wirt und Makroskopie ist die Bestimmung also schnell gelungen. Wie die nächsten Bilder zeigen, sind die Sporenwände an den verdickten Stellen auch noch cyanophil (d.h. mit Baumwollblau anfärbbar) - Funddaten: Heubach, "Scheuelberg", 29.12.2016, an Borke stehender Esche, leg., det., fot. L. Krieglsteiner |
Dass es ähnliche Arten auf teils anderen Lebermoosen gibt, zeigt die folgende Aufnahme. Sie gelang knapp 2 Wochen vorher an einem anderen beblätterten Lebermoos. Makroskopisch sahen die Pilzchen ziemlich gleich aus ...
Bryocentria brongniartii - kleiner, orange gefärbter Pustelpilz mit hantelförmigen, zentral verdickten Sporen am Wassersack-Lebermoos (Frullania dilatata) - 19.12.2016, Welzheim (Baden-Württemberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald ö.Stuttgart), Edenbachtal, MTB 7123/2, leg., det., fot. L. Krieglsteiner |