Pilz des Monats Oktober 2023 – Krause Zweige-Spaltlippe (Colpoma crispum)
Das erste Problem des heutigen Pilz des Monats ist – mal wieder – der deutsche Name. Die Art Colpoma crispum selbst findet man schon deshalb nicht mit deutschem Namen, da Funde in Deutschland zumindest Mangelware sind (auf www.pilze-deutschland.de finde ich in der Karte keinen Eintrag, aber die Bemerkung, dass 2 Datensätze vorliegen würden). Suche ich bei der häufigeren Verwandtschaft, so ist Colpoma quercinum eine an Eichenzweigen im Luftraum häufig in Deutschland gefundene (und makroskopisch z.B. gut bei fundkorb.de vorgestellte) Art. Die angegebenen deutschen Namen überzeugen allerdings nicht: „Eingesenkter Eichenrinden-Schlauchpilz“ (z.B., aber nicht nur auf 123pilze) – nun ja, dann doch lieber gleich Lateinisch. Wie viele Schlauchpilze eingesenkt in Eichenästen fruktifizieren, wird man nicht leicht zählen können – und Eichenrinden-Schlauchpilz ist in etwa eine Bezeichnung wie für den Beringten Schleimrübling Buchenholz-Ständerpilz. Das kann man sich schenken. Die einzige (schnell gefundene) Alternative im Netz ist aber Eichen-Schildbecherling (so z.B. auf wikipedia). Das gefällt mir allerdings kaum besser, denn zum Einen sind die Fruchtkörper der Rhytismatales (Runzelschorf-Verwandte), wo Colpoma dazu gehört, keine ganz normalen Apothezien, sondern Lirellen, also eine Art besonders langgezogener (sich teils wie z.B. bei Rhytisma oder bei Colpoma junperi, s.u. auch verzweigender) Becher mit nur einer Symmetrie-Ebene. An Schilde erinnern mich Colpoma-Arten ebenfalls kaum (ganz davon abgesehen, dass mit Scutellinia ein vollwertiger operculater Becherling Schildborstling heißt – und mit Colpoma keine Verwandtschaft besitzt), und insofern stehe ich wieder einmal vor der Aufgabe, einen deutschen Namen selbst zu erfinden. Neben dem Runzelschorf sind vor allem Spaltlippen (Lophodermium-Arten – solche findet man an vielerlei Pflanzenresten, einige Arten z.B. an Nadeln, aber meines Wissens nie an Holz) die nächsten Verwandten und auch ähnlich, insofern führe ich hier die Bezeichnung Zweige-Spaltlippe für Colpoma ein und bin gespannt, ob mir hierbei jemand folgen wird 😊
Für mich ist Colpoma crispum ein persönlicher Erstfund – die Aufsammlung stammt aus der Hohen Tatra (Slowakei), wo wir eine Woche unserer diesjährigen Slowakei-Exkursionsfahrt verbrachten. Substrat ist ein Ast von Latschenkiefer (Pinus mugo) in einem subalpinen Gebüsch. Die Pilze waren nach kurzen Regenfällen geöffnet und deshalb gut zu finden – bei Trockenheit schließen sich die Apothezien und sind kaum noch gut zu sehen. Es scheint ein seltsamer Zufall, dass eine der wenigen Darstellungen der Art im Internet (und auch die am besten zu meiner Aufsammlung passende) ganz in der Nähe gemacht wurde: Nahuby.sk - Fotografia - kolpóma smreková Colpoma crispum (Pers.) Sacc. – der Fund stammt allerdings von einem Fichtenast. Typisch für die Art scheinen Wachstum an Nadelholz, die bei mir wie auf nahuby.sk etwas bläulich gefärbten Lirellen (bei Trockenheit dann eher grau bis schwarz), die verzweigten und knorrig-umgebogenen Paraphysen sowie die eigentümlich geformten, prägnanten Sporen (von denen ich nur wenige außerhalb des Ascus antraf, und das erst nach einer Woche im Kühlschrank) zu sein.
Krause Zweig-Spaltlippe (Colpoma crispum) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1818 m NN, GPS: N49°11'18.18" E20°13'39.23", leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner |
Krause Zweig-Spaltlippe (Colpoma crispum) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1818 m NN, GPS: N49°11'18.18" E20°13'39.23", leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - die drei Fotos wurden mit einer dnt-Digitallupe erstellt und zeigen frischere (erstere 2 Fotos) sowie angetrocknete, etwas ältere (letztes Foto) Stadien. Voll eingetrocknet ist allerdings von den Pilzen nicht mehr viel zu erkennen. |
Krause Zweig-Spaltlippe (Colpoma crispum) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1818 m NN, GPS: N49°11'18.18" E20°13'39.23", leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - auf den Fotos zu sehen sind vor allem die 8-sporigen Asci mit 8 parallel gelagerten Sporen. Im letzten Foto wurde mit Baralscher Lösung gefärbt, um eine eventuelle Amyloidität der Schläuche oder des ganzen Hymeniums zu testen. Bei Colpoma ist das jodnegativ - bei manchen lichenisierten, ähnlich aussehenden Pilzen reagiert manches blau ... |
Krause Zweig-Spaltlippe (Colpoma crispum) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1818 m NN, GPS: N49°11'18.18" E20°13'39.23", leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - erst nach mehreren Tagen Lagerung im Kühlschrank gelang es, auch freie Sporen darzustellen. Bei den Präparaten am Fundtag waren nur Sporen im Schlauch zu sehen (s.o.). |
Krause Zweig-Spaltlippe (Colpoma crispum) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1818 m NN, GPS: N49°11'18.18" E20°13'39.23", leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - die Fotos focussieren vor allem auf die Paraphysen. Beachten Sie deren starke Verzweigung und Krümmung, weshalb sie kaum auf großer Front in einer Schärfe-Ebene gezeigt werden können. Die Krümmungen an der Spitze bilden eine Art Epithezium, wodurch die Asci von einer durch die Paraphysenspitzen gebildeten Deckschicht eingeschlossen sind - eine Anpassung gegen Austrocknung der Fruchtschicht. Achten Sie auch auf die Paraphysen-Inhalte; ein Lebendmerkmal, das in letalen Medien oder im Exsikkat rasch verwschwinden kann. Die Inhalte bestehen hier aus kleinen Vakuolen-Guttulen, die tot zunächst zerfließen und dann optisch verschwinden. |
Krause Zweig-Spaltlippe (Colpoma crispum) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1818 m NN, GPS: N49°11'18.18" E20°13'39.23", leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Fotos Lothar Krieglsteiner - das Foto zeigt Details aus dem ektalen Exzipulum, d.h. des Gehäuses der Lirelle (Apothezium). |
Die Hohe Tatra war für uns nach Ansehen verschiedener Naturfilme immer so eine Art Sehnsuchtsort gewesen, und wir waren sehr gespannt auf ihre Erkundung. Trotz durchaus zahlreicher schöner Eindrücke (und auch einiger netter Funde – insgesamt war es aber eher enttäuschend pilzarm) hat dieses Bild bei uns doch einige Risse bekommen. Zunächst sind die tieferen Lagen von einem recht konsequenten Fichtenforst bestockt. Man müht sich zwar, wieder eine reichhaltigere Baumschicht zu erreichen, was allerdings sehr lange dauern wird. Auch ist das Gebirge vielerorts doch arg überlaufen – an manchen Wanderwegen trifft man sehr viele Leute und bemerkt diesen Einfluss auch an einer nährstoff-angereicherten Vegetation. Dazu tragen natürlich auch verschiedene Lifte und zugehörige Gebirgs-Restaurants sowie natürlich auch die obligatorischen Skipisten bei. Botanisch und mykologisch deutlich spannender wird es meist erst oberhalb der Waldstufe – aus der Latschenstufe stammt der vorgestellte Fund.
Ich füge auch noch ein Foto der Wacholder-Zweig-Spaltlippe (Colpoma juniperi) bei, die wir auf der gleichen Exkursion ebenfalls fanden – eine Art, die auch in Deutschland schon desöfteren gefunden wurde – sowie ein Foto eines auf ihr wachsenden Parasiten: Tremella junperina.
Wacholder-Zweig-Spaltlippe (Colpoma junperi) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1799,m NN, GPS: N49°11'24.76" E20°13'56.65"; leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner - Die Art wurde auf der gleichen Exkursion ebenfalls gefunden, darum zeige ich auch von ihr noch ein Bild. Im Gegensatz zu C. crispum (stets?) bildet C. juniperi (wie die häufige C. quecinum) auch verzweigte Lirellen. |
der Parasit Zweigspaltlippen-Zitterling (Tremella juniperina) auf Lirellen der Wacholder-Zweig-Spaltlippe (Colpoma junperi) am 27.6.2023 bei Skalnate Pleso (unweit Lift-Station, n. Ysoke Tatry, Nationalpark Hohe Tatra, Slowakei) an abgefallenem Zweig von Latschenkiefer Pinus mugo am Boden in subalpinem, bodensaurem Latschengebüsch, 1799,m NN, GPS: N49°11'24.76" E20°13'56.65"; leg. Kathairna & Lothar Krieglsteiner, det., Foto Lothar Krieglsteiner |
Wie man diese oder andere Pilze mikroskopisch präpariert, lernen Sie bei einem Mikroskopierkurs von PIlzschule Schwäbischer Wald.