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Pilz des Monats Mai 2023 – Sicheltannen-Zystidenkeulchen (Physalacria cryptomeriae)

Diesen Pilz habe ich schon länger in meinem Suchfeld, denn die Gattung Physalacria ist mir schon früher begegnet und weltweit dürfte die hier vorgestellte Art die am häufigsten gefundene und am leichtesten gezielt zu findende Art in dieser Gattung sein.

In der Tat war der Name Physalacria noch vor recht wenigen Jahr(zehnt)en noch sehr wenigen Mykologen bekannt, denn Arten, die in Deutschland und Mitteleuropa vorkommen, waren nicht bekannt. Meine erste Begegnung mit dieser Gattung fand dennoch bereits am 25.8.1998 statt, als ich im Naturschutzgebiet „Keilsteiner Hang“ bei Regensburg in einem Steilhang über Jurakalk seltsame, zunächst wie kleine Helmlinge aussehende Pilze an einem mumifizierten Holzapfel (Malus sylvestris) in der Streuschicht eines Trockengebüsches entdeckte, die sich aber rasch als frei von Lamellen oder überhaupt einer unter dem Hut angeordneten Fruchtschicht und somit als „eine Art Keulchen“ entpuppte. Leider war die Aufsammlung damals unreif und auch nach einiger Zeit der Lagerung nicht reif zu bekommen. DNA-Untersuchungen waren damals noch wenig üblich bzw. teuer und so wurde daran nicht einmal gedacht (was man durchaus einmal ändern könnte, denn ein Beleg müsste im Herbar im Museum in Stuttgart auffindbar sein). Die damalige Aufsammlung ist jedenfalls trotz ihrer Unreife unter dem Namen Physalacria spec. mit Farbfoto (Fotograph war der leider letztes Jahr viel zu früh verstorbene Ralph Sipple – der beste Freund, den ich jemals hatte) publiziert worden (Krieglsteiner, L. 1999: Physalacria spec. Und andere Pilze im NSG „Keilsteiner Hang“ bei Regensburg. Beiträge zur Kenntnis der Pilze Mitteleuropas 5: 97-110). Auf die Gattung Physalacria kam ich aufgrund der Tatsache, dass die Regensburger Kollektion reichlich Zystiden aufwies, und zwar im Hymenium und am Stiel, und diese eine teilweise ölig-harzige Kappe aufwiesen, ein Merkmal, das in der Gattung Physalacria bekannt ist. Ansonsten sind Keulenpilze mit auffälligen Zystiden nicht unbedingt eine häufige Kombination.

Physalacria spec Malus Bayern Keilsteiner Hang Regensburg acerba Holzapfel Trockengebuesch Jurakalk Beitraege Kenntnis Pilze Mitteleuropas
Physalacria spec 2 Krieglsteiner Ralph Sipple Bayern Regensburg Keilsteiner Hang Holzapfel unreif Malus publiziert DNA molekular unbestimmt
Physalacria spec. (unreif und noch nicht molekular untersucht) am 25.08.1998, Deutschland, Bayern, Regensburg, NSG "Keilsteiner Hang" (Hang über weißem Jura, nahe der Grenze zum Bayerischen Wald), an liegender, mumifizierter Frucht von Holzapfel (Malus sylvestris) in Trockengebüsch, leg. Lothar Krieglsteiner, Fotos Ralph Sipple (Scan vom Original-Dia) - Fund publiziert in L. Krieglsteiner (1999 - vgl. Fließtext).

 

Schon in der genannten Publikation gehe ich auch auf P. cryptomeriae ein. Den Nadelbaum Japanische Sicheltanne (Cryptomeria japonica) lernte ich allerdings erst später kennen, zunächst in Botanischen Gärten oder Parks, aber es ergab sich bis zum 19. April 2023 (also vor etwa einer Woche) keine Gelegenheit, einmal an abgefallenen Resten unter diesen Bäumen zu einem Zeitpunkt geeigneter Feuchte nach dieser Art zu suchen. Auf einer Erkundungsfahrt nach möglichen Morchel-Standorten im Raum Schorndorf-Backnang fand ich dann erstmals eine Sicheltanne, die offenbar forstlich gepflanzt worden war, und unter sich einige Zweige mit Nadelreisig abgeworfen hatte. Nur an einem Zweig waren dann tatsächlich die Keulchen zu finden, die ich heute als Pilz des Monats vorstelle.

Physalacria cryptomeriae 1 Sicheltannen Zystidenkeulchen Deutschland Baden Wuerttemberg Rems Murr Kreis Winnenden Hallimasch Rueblinge Krieglsteiner Pilzkurse
Physalacria cryptomeriae 2 Physalacriaceae Agaricales Krieglsteiner Neufund Neomyzet Japanische Sicheltanne Cryptomeria japonica Neophyt gepflanzt Rindenschwamm
 Physalacria cryptomeriae 3 Stack Katharina Krieglsteiner Winnenden Rems Murr Baden Wuerttemberg Agaricales Xerula Hymenopellis Flammulina Strobilurus Armillaria
 Physalacria cryptomeriae 4 Physalacriaceae Agaricales Neufund Baden Wuerttemberg zweiter Nachweis Deutschland Neomyzet Japanische Sicheltanne Krieglsteiner
 Physalacria cryptomeriae 5 April 2023 Japanische Sicheltanne Erstnachweis Baden Wuerttemberg Krieglsteiner Rueblinge Schwindlinge Hallimasch Cylindrobasidium
 Physalacria cryptomeriae 6 Sicheltannen Zystidenkeulchen Krieglsteiner Pilzschule Schwaebischer Wald Pilzkunde Pilzexpertin Feldmykologe DGfM Ausbildung laeve
 Physalacria cryptomeriae 7 Krieglsteiner Pilzschule Pilzkurse Mikroskopierkurs Feldmykologe Agaricales Japanische Sicheltanne Neomycet Artenvielfalt Diversitaet
 Sicheltannen-Zystidenkeulchen (Physalacria cryptomeriae) am 19.04.2023, Deutschland, Baden-Württemberg, Rems-Murr-Kreis, Winnenden-Birkmannsweiler, Tal des "Buchenbächle", 318 m NN, MTB 7122.2, GPS: N48°51'58.00" E9°26'38.53", an liegendem Reisig von/unter Japanischer Sicheltanne (Cryptomeria japonica), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner (bis auf 3. Foto: Stack von Katharina Krieglsteiner), 
 Physalacria cryptomeriae 8 Sporen Massstab 10m Kongorot SDS Krieglsteiner Pilzschule Schwaebischer Wald Pilzexpertin Japan Sicheltanne Abloesender Rindenpilz
 Sicheltannen-Zystidenkeulchen (Physalacria cryptomeriae) am 19.04.2023, Deutschland, Baden-Württemberg, Rems-Murr-Kreis, Winnenden-Birkmannsweiler, Tal des "Buchenbächle", 318 m NN, MTB 7122.2, GPS: N48°51'58.00" E9°26'38.53", an liegendem Reisig von/unter Japanischer Sicheltanne (Cryptomeria japonica), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner - Das Foto zeigt Sporen in Kongorot. Beachten Sie die großen Öltropfen - diese sind in der Originalbeschreibung nicht gezeichnet, sollten aber ein wichtiges Merkmal sein.
 Physalacria cryptomeriae 9 Basidie oelreich Hymenialzystide Krieglsteiner Kongorot Pilzschule Ruppertshofen Schwaebisch Gmuend Baden Wuerttemberg
 Sicheltannen-Zystidenkeulchen (Physalacria cryptomeriae) am 19.04.2023, Deutschland, Baden-Württemberg, Rems-Murr-Kreis, Winnenden-Birkmannsweiler, Tal des "Buchenbächle", 318 m NN, MTB 7122.2, GPS: N48°51'58.00" E9°26'38.53", an liegendem Reisig von/unter Japanischer Sicheltanne (Cryptomeria japonica), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner - Das Foto zeigt einen noch unreifen Ständer mit Sterigmen sowie weitere ohne, dazu die Spitze einer Hymenialzystide. Beachten Sie den Ölreichtum auch der Ständer.
 Physalacria cryptomeriae 10 Hymenialzystiden oelreich Krieglsteiner Pilzschule Schwaebischer Wald Winnenden Baden Wuerttemberg Sicheltanne Keulchen clavarioid
 Physalacria cryptomeriae 10a Hymenialzystiden oelreich zugespitzt Kongorot Krieglsteiner Eimann Pilzschule Deutschland Baden Wuerttemberg Neomycet Sicheltanne
 Physalacria cryptomeriae 11 Stielzystide Mikroskopierkurs Pilzschule Schwaebischer Wald Krieglsteiner Erstnachweis Baden Wuerttemberg Rems Murr Kreis winzig
 Sicheltannen-Zystidenkeulchen (Physalacria cryptomeriae) am 19.04.2023, Deutschland, Baden-Württemberg, Rems-Murr-Kreis, Winnenden-Birkmannsweiler, Tal des "Buchenbächle", 318 m NN, MTB 7122.2, GPS: N48°51'58.00" E9°26'38.53", an liegendem Reisig von/unter Japanischer Sicheltanne (Cryptomeria japonica), leg., det. Katharina & Lothar Krieglsteiner, Fotos Lothar Krieglsteiner - Die ersten 2 Fotos zeigen Hymenialzystiden, das dritte eine Caulozystide (am Stiel). Die Form ist flaschenförmig-zugespitzt, teilweise auch etwas angeschwollen. Auch die Zystiden zeigen öligen Inhalt.

 Meine Hoffnung und Vorstellung, es könnte sich um einen Neufund für ganz Deuschland handeln, erwies sich als falsch. Petra Eimann & Klaus Siepe kamen mir 2022 zuvor (vgl. pilze-deutschland sowie www.bender-coprinus.de) und wiesen die Art in Nordrhein-Westfalen nach. So bleibt aber immerhin noch (das dürfte stimmen) ein Erstnachweis für Baden-Württemberg für den vorgestellten Fund.

Physalacria cryptomeriae ist ein äußerst kleiner, ja winziger Pilz. Meine Maße der allerdings noch recht jungen (und vielleicht noch wachsenden) Fruchtkörper ergaben ca. 0,3-0,7 mm Höhe und eine Köpfchenbreite von ca. 0,2-0,4 mm. In der Erstbeschreibung (Berthier & Rogerson 1981) ist die Rede von „generally less than 1 mm, but sometimes reaching 2 mm“ – genauere Abmessungen etwa des Köpfchens oder des Stieles werden (offenbar wegen der Kleinheit) nicht gegeben. Die Sporen geben Berthier & al. Mit (13)-16-17-(18)/(3,5)-4-(5) µm an, bei meinen wenigen Sporen (die eine gute Übereinstimmung in der Form mit Berthiers Zeichung aufwiesen) maß ich ca. 12-16/3-4,5 µm. In guter Tradition der Exsikkat-Mykologie werden keine Zellinhalte gezeichnet – wie Sie sehen können, weisen die Sporen (und auch die Ständer, Zystiden und Hyphen) reichlich Öl auf, ein durchaus systematisch verwertbares Merkmal 😊

Nicht mehr sehr überraschen wird heute, dass Physalacria ein Mitglied der Ordnung Agaricales ist. Die Begriffe Agaricales und Faserblätterpilze sind ja längst nicht mehr identisch, und viele von Ihnen werden schon wissen, dass nicht nur weitere Keulen und Korallen (z.B. F. Clavariaceae – Wisenkeulen und -korallen, Typhula u.a.), manche Schicht- und Rindenpilze (z.B. Chondrostereum, Plicatura, Lindtneria), alle cyphelloiden Pilze (Bsp.: Tannen-Fingerhut) incl. ihrer Sammelfruchtkörper (Spaltblättling, Leberreischling) sowie nicht zuletzt die klassischen Ordnungen Lycoperdales, Tulostomatales und Nidulariales der „Bauchpilze“ (also Stäublinge, Stielboviste und Teuerlinge) zur Ordnung Agaricales gehören. Die Familie Physalacriaceae (ja – die gibt es!) umfasst neben den vorgestellten wenig bekannten Keulchen einige viel bekanntere Pilze, die meisten von ihnen übrigens mit sehr ölreichen Strukturen, nicht zuletzt auffälligen und teils ganz ähnlich geformten Zystiden! (Beispiele sind Schleim-, Filz-, Wurzel-, Samtfuß- und Zapfenrübling, Hallimasch sowie der ebenfalls hierher gehörige Ablösende Rindenpilz Cylindrobasidium laeve).

Was auch noch gesagt werden sollte: natürlich muss Physalacria cryptomeriae als Neomycet eingestuft werden, also als eingeschleppte, bei uns nicht unsprünglich heimische Pilzart. Da es sich aber um einen (wohl saprobiontischen) Besiedler von Resten eines derzeit nicht invasiven (im Freiland noch kaum auftretenden) Neophyten, der Japanischen Sicheltanne, handelt, muss man über sein neuerliches Vorkommen nicht extrem begeistert, aber auch nicht beunruhigt zu sein.

Was ich ebenfalls nicht unterschlagen, aber mit einer ausführlichen Darstellung verschieben möchte, ist die Tatsache, dass ich eine weitere Physalacria-Art gefunden habe, und zwar in Portugal. Sie ist vermutlich noch unbeschrieben, und eine molekulare Untersuchung (durchgeführt durch Pablo Alvarado) ergab 97,27 Übereinstimmung mit Physalacria corticola, einer Art, die (u.a.) andere Sporenmaße aufweist und für meine Aufsammlungen (es sind zwei) nicht in Frage kommt. Ein Makrofoto möchte ich Ihnen schon heute nicht vorenthalten 😊

Anm. 29.04.: heute finde ich im Internet eine Publikation von 2022, die eine sehr ähnliche und vielleicht passende Art beschreibt, auf Ästen von Castanea sativa aus Nordspanien: es handelt sich um Physalacria auricularioides (vgl. (13) (PDF) Physalacria auricularioides S. De la Peña-Lastra, A. Mateos, M. Saavedra & P. Alvarado, sp. nov. Fungal Planet description sheets: 1383 -1435 (researchgate.net). Nähere Vergleiche werden zeigen, ob die Aufsammlung aus Portugal zu dieser neuen Art gehört oder doch noch eine unbeschriebene Art vorliegt.

Physalacria spec 3 corticola Krieglsteiner Alvarado DNA Molekularbiologisch Untersuchung Rubus fruticosus Brombeere Portugal Algarve Serra Monchique
 Physalacria cf. auricularioides, am 01.01.2018, Portugal, Algarve, Serra Monchique, Nordhang des Foia nw. Monchique, Portela das Eiras, an Ranken von Brombeere (Rubus fruticosus s.l.) im Luftraum an Waldtrauf zu Eucalyptus-Mischwald in feuchter Schluchtlage (N-Exposition), 504 m NN, GPS: N37°19'53.54" W8°34'7.38", leg. Katharina & Lothar Krieglsteiner

 

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